Bei einer Konferenz zur europäischen Wirtschaftspolitik von DGB, IMK und FES hagelte es harsche Kritik an Angela Merkels jüngsten Reformvorschlägen für die Eurozone. Merkel setze weiterhin einseitig auf marktliche Disziplinierung. Das lehnt der DGB entschieden ab. Denn diese Politik zerstörte die Tarifbindung in den Krisenländern der Eurozone und schwächte die Verhandlungsmacht der Beschäftigten. Der DGB-klartext.
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Rund 350 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen am Dienstag zur Konferenz über die europäische Wirtschaftspolitik, die der DGB zusammen mit dem Forschungsinstitut IMK und der Friedrich-Ebert-Stiftung organisiert hatte. Das Interesse war wohl auch deshalb groß, weil das Thema topaktuell ist. Nur wenige Tage vor der Konferenz hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre Vorstellungen für eine Reform der Eurozone umrissen. Auf den ersten Blick wirkte das wie ein Fortschritt, schließlich war eine deutsche Antwort auf die Reformvorschläge des französischen Präsidenten lang erwartet worden. Doch eine nähere Betrachtung zeigt: Merkels Vorschläge sind nicht nur unambitioniert. Sie setzen einseitig auf marktliche Disziplinierung und wären somit kontraproduktiv.
Besonders problematisch sind die Vorschläge der Kanzlerin zur Errichtung eines Europäischen Währungsfonds (EWF). Dass die Eurozone auch in Zukunft ein Instrument braucht, um in Zahlungsschwierigkeiten geratene Mitgliedstaaten temporär finanziell zu unterstützen, dürfte zwar unstrittig sein. Die jüngsten Entwicklungen in Italien mit Turbulenzen und steigenden Risikoaufschlägen auf Staatsanleihen lassen das wieder einmal erahnen (siehe Grafik).
Quelle: Querschuesse; Grafik: DGB
Doch Merkels Vorstellungen zum EWF gehen in die falsche Richtung: Die Mitgliedstaaten sollen die Kontrolle über den EWF behalten und finanzielle Hilfe soll es nur unter strengen politischen Auflagen geben. Schließlich soll der EWF auch über ein Instrument zur staatlichen Schuldenrestrukturierung verfügen. Das ist eine Fortführung der ordoliberalen Linie, die Wolfgang Schäuble in seiner Amtszeit als Finanzminister bereits vorgezeichnet hatte.
Für den DGB sind diese Vorschläge nicht tragbar. Die Auflagen und Anpassungsprogramme der Troika haben nicht nur zu einer Zerschlagung der Tarifbindung in den Krisenländern geführt und Verhandlungsmacht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geschwächt.
Die Austeritätspolitik hat darüber hinaus zu Sozialabbau geführt und eine rasche wirtschaftliche Erholung der südeuropäischen Länder nach der Finanzkrise erschwert. Zukünftige Hilfsprogramme eines EWF müssten deshalb sozial ausgewogen sein und eine nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik ermöglichen. Zudem muss sichergestellt werden, dass soziale Errungenschaften der Mitgliedstaaten nicht durch eine fehlgeleitete Krisenpolitik ausgehöhlt werden. Eine stärkere parlamentarische Kontrolle eines EWF könnte dabei helfen, Hilfsprogramme zukünftig besser zu gestalten.
Zudem ist Merkels Vorschlag zur Schuldenrestrukturierung höchst problematisch. Die ad-hoc Restrukturierung, die es im Frühjahr 2012 in Griechenland gab, zeigt, welche negativen Folgen ein solches Verfahren hat. Sie löste bei den Investoren Panik aus und heizte so die wirtschaftliche Krise des Landes an.
Was die Eurozone braucht, ist nicht mehr Marktdisziplin, sondern Solidarität. Mitgliedstaaten muss bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten und Liquiditätskrisen unter die Arme gegriffen werden. Ein Instrument zur Abfederung länderspezifischer Schocks sowie ein reformierter und parlamentarisch kontrollierter Europäischer Stabilitätsmechanismus könnten dazu einen Beitrag leisten.