Das Berliner Arbeitsgericht hat entschieden: Ein Arbeitgeber kann seinem Beschäftigten nicht kündigen, weil der sich weigert einen geänderten Arbeitsvertrag zu unterschreiben, der durch angeblich kürzere Arbeitszeiten den Mindestlohn unterläuft. Damit ist eine der häufigsten Umgehungsstrategien vieler Arbeitgeber erstmals auch gerichtlich für unzulässig erklärt worden.
DGB/Simone M. Neumann
"Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist unwirksam, wenn sie von dem Arbeitgeber als Reaktion auf eine Geltendmachung des gesetzlichen Mindestlohnes ausgesprochen wurde."
So heißt es in einer Mitteilung des Berliner Arbeitsgerichts vom 29. April 2015 (Urteil/Aktenzeichen 28 Ca 2405/15). Ein Satz, der sehr vielen Beschäftigten weiterhelfen wird. Denn damit macht erstmals seit dem Start des gesetzlichen Mindestlohns ein deutsches Arbeitsgericht klar: Niemandem darf gekündigt werden, nur weil er oder sie den korrekten Mindestlohn einfordert.
"Dieses Urteil des Berliner Arbeitsgerichts ist von großer Bedeutung für sehr viele Menschen", sagt auch DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell. "Etliche Anruferinnen und Anrufer berichten unserer DGB-Mindestlohn-Hotline, dass ihnen neue Arbeitsverträge mit reduzierter Stundenzahl zur Unterschrift vorgelegt werden, wobei aber die Arbeit im alten Umfang erwartet wird. Zwar erhalten sie nun pro Stunde 8,50 Euro, doch unter dem Strich bleibt der Lohn durch die Arbeitszeitreduzierung auf dem Papier gleich. Unter großem Druck unterschreiben viele Beschäftigte den neuen Vertrag. Diese Mindestlohn-Umgehungsstrategie ist eine der häufigsten und unzulässig."
"Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen einen solchen neuen Vertrag nicht unterzeichnen! Bestärkt durch dieses Urteil sollten die Betroffenen den Mut haben, sich vor Gericht zu wehren", so Körzell weiter. "Gewerkschaftsmitglieder erhalten kostenlosen Rechtsschutz von ihrer Gewerkschaft."
Über folgenden Fall hatte das Berliner Arbeitsgericht zu entscheiden: Der Arbeitnehmer wurde als Hausmeister mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 14 Stunden bei einer Vergütung von monatlich 315,00 EUR beschäftigt, was einen Stundenlohn von 5,19 EUR ergab. Er forderte von dem Arbeitgeber den gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 EUR, worauf der Arbeitgeber eine Herabsetzung der Arbeitszeit auf monatlich 32 Stunden bei einer Monatsvergütung von 325,00 (Stundenlohn 10,15 EUR) anbot. Nachdem der Arbeitnehmer die Änderung der Vertragsbedingungen abgelehnt hatte, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis.
Das Arbeitsgericht hat die Kündigung als eine nach § 612 a BGB "verbotene Maßregelung" angesehen.