Deutscher Gewerkschaftsbund

13.04.2015
100 Tage Mindestlohn-Gesetz

Mindestlohn: DGB und Nahles für effektive Kontrollen

Rund 100 Tage nach dem Start des gesetzlichen Mindestlohns hat sich Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles am 13. April beim DGB über die Arbeit der DGB-Mindestlohn-Hotline informiert. Für die Gewerkschaften ist klar: Der Mindestlohn muss wirksam kontrolliert werden, um zu verhindern, dass Arbeitgeber die Lohnuntergrenze weiter umgehen.

DGB-Vorsitzender Reiner Hoffmann, DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell, Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (r.) am 13. April 2015 zu Gast beim DGB. DGB-Vorsitzender Reiner Hoffmann (Mitte) und DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell (l.) machten klar: Das Mindestlohngesetz muss wirksam kontrolliert werden. DGB

Hoffmann: Debatte über Arbeitszeiterfassung "abstrus"

Die Bilanz des DGB-Vorsitzenden Reiner Hoffmann nach rund 100 Tagen gesetzlichem Mindestlohn ist eindeutig: "Es wurde dringend Zeit, dass auch Deutschland einen flächendeckenden Mindestlohn bekommt." Das Mindestlohngesetz sei eine "der wichtigsten Sozialreform in diesem Land in den letzten Jahrzehnten". Mit dem Gesetz werde nicht nur mehr soziale Gerechtigkeit erreicht, es sei auch ökonomisch vernünftig. Auch für die Unternehmen würden durch den gesetzlichen Mindestlohn gleiche Wettbewerbsbedingungen geschaffen und "Schmutzkonkurrenz" über Lohn-Dumping werde ausgeschlossen. Trotzdem hätten offenbar Teile der Arbeitgeber und der Unionsparteien ihren Frieden mit dem Mindestlohn noch nicht gemacht. "Ich halte persönlich die Debatte, die wir in den vergangenen Wochen über das so genannte Bürokratiemonster erleben durften, für schlicht und ergreifend abstrus", so Hoffmann. Wer sich in der Arbeitswelt auskenne, wisse, dass die Arbeitszeiterfassung im Betrieb problemlos funktioniere und Arbeitgeber von den Beschäftigten teilweise sogar minutiöse Pausenerfassungen verlangten. Außerdem gelte das aktuelle Arbeitszeitgesetz bereits seit 1994.

DGB fordert ausreichend Personal für Mindestlohn-Kontrollen

Zu den Erfahrungen der DGB-Mindestlohn-Hotline erklärte der DGB-Vorsitzende: "Wir müssen feststellen, dass es alle möglichen miesen Umgehungsversuche der Arbeitgeber gibt, diesen Mindestlohn außer Kraft zu setzen." Es könne beispielsweise nicht sein, "dass Zuschläge, die in der Vergangenheit selbstverständlich gezahlt wurden, mittlerweile auf den Mindestlohn angerechnet werden und, wenn es ganz schlecht läuft, die Beschäftigten hinterher weniger als vorher haben". Hoffmann verwies außerdem auf den Jahresbericht des Zolls, den Bundesfinanzminister Schäuble kürzlich vorgestellt hatte. Schäuble selbst habe darauf hingewiesen, dass den Sozialkassen durch Schwarzarbeit im vergangenen Jahr 400 Millionen Euro entzogen worden seien. "Ich wage mir gar nicht vorzustellen, wie die Bilanz aussieht, wenn wir nicht nur die Schwarzarbeit effektiv kontrollieren, sondern auch den Mindestlohn", so Hoffmann. Für den DGB sei deshalb klar: "Es muss dringend für ausreichend Personal gesorgt werden für die Kontrolle des Mindestlohns. Wir brauchen beim Mindestlohn außerdem unbedingt eine Beweislastumkehr und ein Verbandsklagerecht."

Hoffmann: Arbeitgeber müssen Tarifflucht unterbinden

Der Koalitionsausschuss solle durchaus schauen, wo es beim Mindestlohngesetz Klärungsbedarf gibt. "Dem wollen wir uns gar nicht verschließen", so Hoffmann. "Aber klar muss sein: Das Mindestlohngesetz muss effektiv umgesetzt werden." Wenn Arbeitgeber die Sozialpartnerschaft stärken wollten und den Mindestlohn in Deutschland eigentlich als unnötig erachteten, sollten sie auch dafür sorgen, dass Unternehmen nicht täglich Tarifflucht begehen und Arbeitgeberverbände Mitgliedschaften ohne Tarifbindung anbieten ("OT-Mitgliedschaften"). Die Bundeskanzlerin habe gegenüber dem DGB angekündigt, dass der Mindestlohn mindestens ein halbes Jahr lang evaluiert werde, bevor mögliche Änderungen vorgenommen würden. Diese Evaluation sei Aufgabe der paritätisch besetzten Mindestlohn-Kommission und "dort gut aufgehoben".

AUDIO: Statement des DGB-Vorsitzenden Reiner Hoffmann

Nahles: Es wird 1600 zusätzliche Stellen beim Zoll geben

Andrea Nahles kündigte an, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales anlässlich des Koalitionsausschusses in der kommenden Woche einen Bericht zum Stand der Umsetzung des Mindestlohngesetzes vorlegen werde. In den Bericht würden neben den Ergebnissen eines intensiven Branchendialogs mit der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite auch die Erfrahrungen der Mindestlohn-Hotline des Ministreiums sowie der DGB-Mindestlohn-Hotline einfließen. "Der Mindestlohn ist erfolgreich, er funktioniert, aber er wird auch umgangen", fasste Nahles die bisherigen Erkenntnisse zusammen. Dass der Mindestlohn nicht umgangen werden dürfe, sei auch eine Frage des fairen Wettbewerbs und des Schutzes der ehrlichen Arbeitgeber, die den Mindestlohn zahlen. Nahles sagte, sie "unterstütze ausdrücklich die Forderung des DGB nach einer effektiven Kontrolle". Der Zoll brauche dafür mehr Personal. "Es wird zusätzliche 1600 Stellen geben", so die Ministerin. Das sei im Haushalt abgesichert.

AUDIO: Statement von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles

Körzell: Zunehmende Berichte über Mindestlohn-Umgehung

DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell berichtete von den bisherigen Erfahrungen mit der DGB-Mindestlohn-Hotline: Nachdem die Hotline seit Januar Beschäftigte vor allem über die Details des Mindestlohngesetzes informiert habe, würden seit einiger Zeit Anruferinnen und Anrufer zunehmend davon berichten, dass ihre Abrechnungen nicht stimmen oder dass die Arbeitszeit vom Arbeitgeber nicht wahrheitsgemäß dokumentiert worden ist: klare Mindestlohn-Umgehungsversuche. "Für uns darf es keine Aufweichung der Aufzeichnungspflicht geben", machte Körzell deutlich. Bei der DGB-Mindestlohn-Hotline würden bereits jetzt viele Minijobberinnen und Minijobber anrufen, die zwar laut neuem Arbeitsvertrag die höchstens zulässige Arbeitszeit hätten, tatsächlich aber weiterhin länger arbeiten müssten und so auf Stundenlöhne unter 8,50 Euro kämen.

AUDIO: Statement von DGB-Vorstand Stefan Körzell


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