Deutscher Gewerkschaftsbund

23.03.2010

Das Mindestarbeitsbedingungsgesetz: Kein Ersatz für einen gesetzlichen Mindestlohn

Mitte Mai 2007 holten verschiedene Unions-PolitikerInnen ein 55 Jahre altes Gesetz aus der Schublade, um ihre Verweigerung gegenüber einem gesetzlichen Mindestlohn zu begründen: das Mindestarbeitsbedingungsgesetz (MinArbBG).  Es ist aus Sicht des DGB jedoch nicht geeignet, in allen Branchen existenzsichernde Löhne verbindlich festzusetzen.

Im Sommer 2007 einigten sich die damaligen Koalitionäre Union und SPD auf der Kabinettsklausur in Meseberg darauf, weitergehende Mindestlohnregelungen zu schaffen. Für Branchen mit einer Tarifbindung von mindestens 50 Prozent sollte das Arbeitnehmer-Entsendegesetz Anwendung finden und auf weitere Branchen ausgeweitet werden. Für Branchen mit einer Tarifbindung von unter 50 Prozent sollte das Mindestarbeitsbedingungengesetz (MiArbG) aus dem Jahre 1952 gangbar gemacht werden.

Zum Hintergrund

Auf Initiative der SPD-Bundestagsfraktion, die damals in der Opposition war, kam das MiArbG zustande und trat am 11. Januar 1952 in Kraft. Grund für die Gesetzesinitiative war, dass die damals noch junge Tarifautonomie noch nicht überall durchgesetzt war. Durch das Gesetz sollte die Möglichkeit geschaffen werden, auch in den Bereichen bindende Mindestarbeitsbedingungen festzulegen, die bisher ohne Tarifverträge waren. Das Gesetz von 1952 wurde jedoch in seiner Ursprungsform nie angewandt.

Das neue Mindestarbeitsbedingungengesetz

Im April 2009 trat das neue, abgeänderte MiArbG in Kraft. Es ermöglich nun nur noch Mindestarbeitsentgelte festzulegen und nicht mehr Mindestarbeitsbedingungen generell. Das Gesetz sieht diese Regelungsmöglichkeit außerdem nur für bestimmte Wirtschaftszweige vor. In einem Wirtschaftszweig darf nur dann ein Mindestentgelt festgelegt werden, wenn in diesem Wirtschaftszweig bundesweit eine Tarifbindung von weniger als 50 Prozent besteht.

Das Verfahren ist mehrstufig aufgebaut: Zunächst entscheidet ein so genannter Hauptausschuss, ob überhaupt ein Mindestentgelt in einem Wirtschaftszweig festgelegt werden soll. Der Hauptausschuss ist siebenköpfig. Er besteht aus

  • dem Vorsitzenden sowie zwei weiteren Mitgliedern, die durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales vorgeschlagen werden,
  • zwei Mitgliedern, die von der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) vorgeschlagen werden und
  • zwei Mitgliedern, die vom Deutschen Gewerkschaftsbund vorgeschlagen werden.

Sollte der Hauptausschuss entscheiden, dass Mindestentgelte in einem Wirtschaftszweig festgelegt werden sollen, wird ein Fachausschuss eingerichtet. Auch der Fachausschuss ist siebenköpfig. Er setzt sich aus einem Vorsitzenden und je drei BeisitzerInnen aus Kreisen der beteiligten Arbeitnehmer und Arbeitgeber zusammen.

Ist ein Mindestentgelt über das MiArbG festgesetzt worden, muss eine Vorrangregelung für Tarifverträge beachtet werden. Tarifverträge nach dem Tarifvertragsgesetz, die vor dem 16. Juli 2008 abgeschlossen wurden und abweichende Entgeltregelungen vorsehen, gehen den Mindestentgelten nach MiArbG vor. Dies gilt auch für einen Tarifvertrag, mit dem die Tarifvertragsparteien ihren bestehenden Tarifvertrag ablösen oder diesen nach seinem Ablauf durch einen Folgetarifvertrag ersetzen, wobei in diesem letztgenannten Fall ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zum vorherigen Tarifvertrag bestehen muss. Durch diese Regelung können die Mindestarbeitsentgelte des MiArbG im Ergebnis unterboten werden, falls ein Tarifvertrag niedrigere Entgelte vorsieht. Der DGB sieht diese Vorrangregelung aus europarechtlicher Sicht im Bezug auf die verbotene Ausländerdiskriminierung äußerst kritisch.

Ungeeignet für flächendeckende gesetzliche Mindestlöhne

Es bleibt abzuwarten, ob dieses Gesetz für Wirtschaftszweige mit einer Tarifbindung unter 50 Prozent einen erfolgsversprechenden Weg darstellt. Die Bundesregierung hat am 19. August 2009 die Mitglieder des Hauptausschusses für Mindestarbeitsentgelte berufen. Neben Vertretern der Sozialpartner wurden auch Experten der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik berufen

Allerdings ist bereits jetzt davon auszugehen, dass keinesfalls für alle Wirtschaftszweige mit niedrigen Löhnen Mindestentgelte nach dem MiArbG verabschiedet werden. Deshalb bleibt es dabei, dass ein gesetzlicher Mindestlohn nicht unter 7,50 Euro pro Stunde weiter nötig ist, um eine Existenz sichernde Entlohnung sicherzustellen. Die BDA äußerte im Zeitpunkt der Berufung der Mitglieder des Hauptausschusses bereits starke Bedenken, dass MiArbG anzuwenden, da keine Verwerfungen in Wirtschaftszweigen gegeben seien. Auch die derzeitige schwarz-gelbe Regierung scheint dieser Auffassung zu sein.

Fazit

Das Mindestarbeitsbedingungsgesetz kann einen flächendeckenden, gesetzlichen Mindestlohn als absolute Untergrenze nicht ersetzen, weil es von zu vielen Bedingungen und von der jeweiligen politischen Mehrheit im Bund abhängig ist sowie von der Arbeitgeberseite verhindert werden kann. Mit der Wiederbelebung dieses bislang nicht genutzten Gesetzes käme man dem Ziel Existenz sichernder Löhne also nicht näher. 


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