Deutscher Gewerkschaftsbund

01.02.2011

Frauenquote: Die Zeit für Appelle ist vorbei

Selbstverpflichtungen führen nicht zu einem höheren Frauenanteil in Aufsichtsräten und Vorständen. Eine gesetzliche Quote ist deshalb nötig. Sie kann aber unternehmensspezifisch gestaltet sein.

Von Ingrd Sehrbrock

Kaum hat sich Kristina Schröder als Ministerin für Frauen und Familie endlich zu einem Vorschlag durchgerungen, wie der Anteil der Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten durch gesetzliche Regelungen gesteigert werden soll, hagelt es Kritik und Empörung von allen Seiten an ihrem Vorschlag einer selbstbestimmten Flexi-Quote der Unternehmen.

Warum? Den einen geht dieser Vorschlag nicht weit genug, den anderen ist er zu rigide. Wir sagen: Es ist höchste Zeit, Nägel mit Köpfen zu machen. Seit zehn Jahren versucht es die Bundesregierung mit einer freiwilligen Vereinbarung, die noch aus rot-grünen Zeiten stammt. Die ist aufgrund mangelnder Wirkung krachend gescheitert, wie die Arbeitsministerin Ursula von der Leyen richtig feststellt. Warum ist sie nicht bereits in ihrem vorherigen Amt tätig geworden?

Die Gewerkschaften fordern schon lange ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft anstelle freiwilliger Selbstverpflichtung. Die in diesem Frühjahr anstehende vierte Bilanz dieser freiwilligen Vereinbarung wird wieder einmal deutlich machen, dass sich nichts bewegt hat. Ohne gesetzliche Vorgaben für Quoten und Fristen geht auch in Vorständen und Aufsichtsräten nichts.

Ein deutlicher Anteil von Frauen in Führungspositionen entspricht den gesellschaftlichen Zielen einer demokratischen Gesellschaft, er ist aber auch aus unternehmerischer Sicht sinnvoll. Immer mehr setzt sich die Erkenntnis durch, dass gemischte Führungsetagen nicht nur für das Betriebsklima, sondern vor allem auch für das wirtschaftliche Ergebnis besser sind. Eine Quotenregelung bietet also Vorteile in doppelter Hinsicht. Sie ist unverzichtbar, mit klaren Vorgaben und klaren Fristen versehen.

Bei den Aufsichtsräten ist die Zielmarke mit 40 Prozent gesetzt, und daran sollte auch nicht gerüttelt werden. Aufsichtsräte werden nicht jährlich neu gewählt, in 2013 steht die nächste Welle der Aufsichtsratswahlen an. Die Änderungen des Aktiengesetzes müssen umgehend erfolgen, denn das benötigt gründliche Vorbereitung. Entsprechende Vorschläge der Parteien liegen auf dem Tisch. Die parlamentarische Beratung kann sofort beginnen.

Bei den Aufsichtsräten ist es um den Frauenanteil besser bestellt als in den Vorständen der Dax-Unternehmen, weil die Gewerkschaften regelmäßig mehr Frauen in diese Gremien wählen als die Aktionäre. Unsere Mitbestimmung bewährt sich auch an dieser Stelle, aber am Ziel sind wir noch nicht.

Die Kürzung von Sitzungsgeldern als Sanktionsmechanismen macht wenig Sinn, denn es werden nicht überall entsprechende Honorare gezahlt. Verblüffend ist auch der Vorschlag, Gremien erst zu wählen, ihre Beschlüsse wirksam werden zu lassen, aber dann die Wahl der Gremien anzuzweifeln. Das geht mit Sicherheit wirkungsvoller, als Frau von der Leyen es will.

Die Vergabe öffentlicher Aufträge an die Einhaltung von Quoten-Vorgaben zu binden, wäre ein wirkungsvoller Vorschlag. Der Sprung von sechs Prozent Frauen in Dax-Vorständen auf ebenfalls 40 Prozent - wie es aus unserer Sicht geboten wäre - wird nicht von heute auf morgen realisierbar sein. Klar ist aber: Eine Quote muss gesetzlich fixiert werden. Nichts spricht hierbei gegen eine angemessene Frist, auch weil Vorstände nicht jährlich neu bestellt werden. Aber das Ziel muss klar sein. An dieser Stelle teile ich die Auffassung der Frauen-Union.

Das Versäumnis fast aller Vorstände der Dax-Unternehmen, für eine ausreichende Zahl von Frauen sowohl auf der obersten wie auch auf der zweiten und dritten Hierarchie-Ebene zu sorgen, fällt ihnen jetzt selbst auf die Füße. Jammern über die Quote nützt daher nichts. Sie hätten selbst in den vergangenen zehn Jahren durch gezielte Personalplanung diesen Zustand ändern können. Der Corporate-Governance-Kodex schreibt eine angemessene Berücksichtigung von Frauen vor.

Eine unternehmensspezifische Quote für Vorstände könnte neben der diskutierten allgemeinen 25-, 30- oder 40-Prozent-Regelung eine Lösung sein, die auch den Vorstellungen von Ministerin Schröder entsprechen müsste. Das Betriebsverfassungsgesetz sieht eine derartige Regelung vor, die sich bei der Wahl von Betriebsräten nach dem Verhältnis von Frauen und Männern im Betrieb beziehungsweise Unternehmen richtet. Das ist eine erprobte Lösung, die auf die Praxis Rücksicht nimmt.

Mit der gleichen Energie, mit der sie jetzt die Quotendebatte führen, müssen die beiden Ministerinnen das Thema Leiharbeit und Mindestlöhne angehen. Hier leiden besonders Frauen unter ungleichen und ungerechten Löhnen.

Eins muss klar sein: Das Quotenthema darf nicht davon ablenken, dass die Mehrzahl der Frauen in der Arbeitswelt vor allem bessere Aufstiegschancen und eine gleiche Bezahlung wie die Männer brauchen. Dringend.

Der Artikel ist erscheinen im Handelsblatt vom 1.02.2011

 


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