Deutscher Gewerkschaftsbund

09.07.2013

Gerd Hoofe: Vorbehalte gegen Einstellung hilfebedürftiger Menschen abbauen

Hilfsbedürftige Jugendliche und Menschen mit Behinderungen haben Anspruch auf staatliche Unterstützung bei der Suche nach einem Ausbildungs- oder Arbeitsplatz. Doch weil Hartz IV und Arbeits­losen­versicherung organisatorisch getrennt sind, können die Betroffenen oft nicht kontinuierlich betreut werden. Auch die finanzielle Trennung der Systeme führt zu Reibungsverlusten.

Gerd Hoofe

Gerd Hoofe, Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales Foto: BMAS

Für Gerd Hoofe, Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, müssen unterschiedliche Ansprechpartner kein Nachteil sein. In „Arbeitsmarkt -  Auf den Punkt gebracht“ erläutert Hoofe, wie die Bundesregierung das Problem unübersichtlicher Zuständigkeiten einschätzt.

Hilfebedürftige Jugendliche und Menschen mit Behinderungen sind durch die unübersichtlichen Zuständigkeiten des Hartz-IV-Systems benachteiligt. Wie geht die Bundesregierung mit diesem Problem um?

Gerd Hoofe: Junge Menschen werden beim Übergang von der Schule in Ausbildung und Beruf von vielen Akteuren unterstützt. Neben der Schule selbst sind die Berufsberatung der Agenturen für Arbeit, die Jobcenter und die Jugendhilfe der Kommunen die wichtigsten Ansprechpartner. Dies ist Ausprägung unseres föderalen Systems, das Bund, Ländern und Kommunen bestimmte Aufgaben und Zuständigkeiten zuweist. Unterschiedliche Ansprechpartner müssen aber kein Nachteil sein, wenn es gelingt, dass sich alle Beteiligten eng abstimmen und gut zusammenarbeiten, z.B. indem Arbeitsagenturen und Jobcenter gemeinsam Maßnahmeangebote für die von ihnen betreuten Jugendlichen planen. ist sichergestellt, dass alle Unterstützungsmöglichkeiten und alle fachlichen Blickwinkel zum Nutzen der jungen Menschen zum Tragen kommen.

Nachteile für hilfebedürftige Menschen mit Behinderung bestehen nicht. Sie haben vollen Zugang zu den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Zuständigkeiten und Verfahren sind im Sozialgesetzbuch klar geregelt. Für die berufliche Rehabilitation hilfebedürftiger Menschen mit Behinderung haben wir ein spezielles Leistungssystem; vorrangig sind die Rehabilitationsträger zuständig. Das ist auch für den Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Bundesagentur für Arbeit. sofern nicht ein anderer Rehabilitationsträger zuständig ist (z.B. Deutsche Renterversicherung). Hier ist besonders wichtig, dass sich die Arbeitsagentur und das Jobcenter vor Ort eng abstimmen.

Ununterbrochene Betreuungs- und Integrationsketten oder gar Leistungen aus einer Hand gibt es nicht oft. Wie lässt sich aus Sicht der Bundesregierung eine durchgängige Betreuung sicherstellen?

Gerd Hoofe: Das Ziel, Menschen in Ausbildung bzw. Arbeit zu integrieren, gilt für Jobcenter genauso wie für die Agenturen für Arbeit. Die Bundesagentur für Arbeit hat mit dem 4-Phasen-Modell der Integrationsarbeit ein einheitliches Integrationskonzept eingeführt, das eine kontinuierliche Betreuung und nahtlose Fortsetzung der Integrationsbemühungen mit gleichen Standards auch bei einem Wechsel von der Arbeitsagentur zur gemeinsamen Einrichtung ermöglicht.

Mit dem Projekt „Arbeitsbündnis Jugend und Beruf“ hat die Bundesagentur für Arbeit erprobt, wie die Zusammenarbeit mehrerer Akteure zum Wohle der hilfebedürftigen Jugendlichen verbessert werden kann. Gemeinsame Fallbesprechungen,  persönliche Fallübergaben, die Koordinierung von Maßnahmen für Jugendliche und ein gemeinsames Arbeitsmarktprogramm sind erfolgversprechende Maßnahmen. Nach dem Ende der Erprobungsphase Mitte 2012 hat sich die Zahl der Arbeitsbündnisse von 20 auf 62 erhöht. Das zeigt, dass sich diese Form der Zusammenarbeit bewährt hat.

Bei der Integration von hilfebedürftigen Jugendlichen in Ausbildung und von schwerbehinderten Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt sieht der DGB Verbesserungspotenzial. Was kann die Bundesregierung dazu beitragen?

Gerd Hoofe: Junge Menschen können ein vielfältiges Angebot zur Unterstützung der Berufswahl, Berufsvorbereitung oder Berufsausbildung nutzen, unabhängig davon, ob sie hilfebedürftig sind oder nicht. Ich sehe uns bei der Eingliederung der jungen Menschen in die Berufsausbildung auf einem sehr guten Weg. Der sogenannte Übergangsbereich ist in den letzten Jahren kontinuierlich kleiner geworden. Die Situation auf dem Ausbildungsmarkt hat sich für die Bewerberinnen und Bewerber nachhaltig verbessert. Mittlerweile haben wir mehr unbesetzte Berufsausbildungsstellen als unversorgte Bewerberinnen und Bewerber. Dies ist auch ein Erfolg des Ausbildungspakts, der von der Bundesregierung mit den Spitzenverbänden der Wirtschaft vereinbart wurde.

Richtig ist, dass wir bei der Ausbildungsvermittlung oftmals noch Probleme haben, das betriebliche Angebot mit der Nachfrage der jungen Menschen passgenau zusammenzubringen. Die Bundesregierung wird hier intensiv mit den Paktpartnern und der Bundesagentur für Arbeit an Lösungen arbeiten.

Eine Herausforderung bleibt, die Vorbehalte und die damit verbundene verhaltene Bereitschaft von Arbeitgebern, hilfebedürftige schwerbehinderte arbeitslose Menschen einzustellen, abzubauen. Die Bundesregierung setzt daher verstärkt auf Information und Sensibilisierung der Arbeitgeber. Dazu wurden verschiedene Maßnahmen im Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention beschlossen, z.B. die Initiative Inklusion. Mit diesem Programm soll unter anderem die Inklusionskompetenz bei den Kammern ausgebaut werden. Durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt sind zudem im Jahr 2012 die Eingliederungszuschüsse gestrafft und vereinheitlicht worden, sodass die Agenturen für Arbeit und Jobcenter die damit bestehenden Fördermöglichkeiten konsequenter nutzen können.

Ein weiterer Lenkungsfaktor ist die Ausgleichsabgabe der Arbeitgeber für jeden nicht mit einem schwerbehinderten Menschen besetzten Pflichtarbeitsplatz, die zum 1. Januar 2012 auf maximal 290 Euro pro Platz und Monat gestiegen ist. Sie soll die Arbeitgeber vor allem zur vermehrten Einstellung schwerbehinderter Menschen veranlassen.

Derzeit werden berufsvorbereitende Maßnahmen für jugendliche Hartz-IV-EmpfängerInnen sowie die beruflichen Ersteingliederungen hilfebedürftiger Menschen mit Behinderung über die Arbeitslosenversicherung finanziert. Wir meinen, dass die Maßnahmen aus Steuern finanziert werden sollten. Wie stehen Sie dazu?

Gerd Hoofe: Die Finanzierung von berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung ist auch vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung zu sehen. Die Berufsausbildungsbeihilfe, die während der Teilnahme an berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen geleistet wird, ist eine gegenüber den Fürsorgeleistungen vorrangige Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts. Anknüpfend an diesen Vorrang wird auch die Ersteingliederung für Rehabilitanden aus dem Rechtskreis SGB II aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung finanziert. Eine Veränderung dieses Vorranges greift tief in ein historisch gewachsenes System ein. Die geförderten jungen Menschen sind zudem Anwärter auf zukünftige sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen. Das war und ist ein entscheidender Grund für die Zuordnung der Finanzierung zur Arbeitslosenversicherung. Ob eine Veränderung der Finanzierung - über die nachzudenken sicher legitim ist - für die Jugendlichen einen Mehrwert bedeutet, ist allerdings nicht erkennbar. Entscheidend ist, dass wir uns einig sind, so früh wie möglich, jungen Menschen berufliche Orientierung geben zu müssen. Und dafür haben wir in breitem Konsens - auch mit dem DGB - die präventiven Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik gestärkt.

Die Bundesagentur für Arbeit und die Grundsicherungsträger bringen unterschiedliche Sichtweisen in diesen Prozess ein. Die BA unter anderem ihre starke berufskundliche und arbeitsmarktliche Kompetenz, die Grundsicherungsträger insbesondere den Blick auf die gesamte Bedarfsgemeinschaft. Das ist wichtig und richtig. Der DGB kritisiert - wenn ich es richtig sehe - auch nicht die Zuordnung bestimmter Hilfen für junge Menschen zur BA, er schlägt sogar vor, diese umfassend der BA zuzuordnen. Allerdings soll hinsichtlich der Finanzierung differenziert werden. Demgegenüber gibt es viele Jobcenter, die diese Kompetenz für sich einfordern und z.B. die Ausbildungsstellenvermittlung wie auch die Arbeitsvermittlung in ihrer Hand behalten wollen, weil sie bereits über sieben Jahre lang praktische Erfahrungen vor Ort gesammelt, Kontakte geknüpft und Strukturen aufgebaut haben. Soll man ihnen die Flexibilität nehmen  zu entscheiden, ob sie die Ausbildungsstellenvermittlung selbst oder durch die BA wahrnehmen lassen? Für die jungen Menschen ist die Zusammenarbeit der für sie unter verschiedenen Blickwinkeln tätigen Institutionen im Sinne des Projektes „Arbeitsbündnis Jugend und Beruf“ der viel versprechendste Weg.


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09.07.2013
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DBJR/rw
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