Weltweit werden sogenannte SmartCity Projekte aus der Taufe gehoben. Öffentliche Dienstleistungen sollen durch den Einsatz digitaler Technologien besser, effizienter und kundenorientierter werden. Das nordspanische Santander gilt in Europa als die Stadt, die am weitesten bei der Nutzung digitaler Technologien ist. Bei einem Besuch Anfang März konnte sich Stefan Körzell, Mitglied des Geschäftsführenden DGB-Bundesvorstandes, einen Eindruck verschaffen.
DGB/Simone M. Neumann
Körzell: Die Smart City Santander ist sicherlich ein spannendes Zukunftsprojekt. Allerdings klaffen Anspruch und Wirklichkeit noch weit auseinander. In der Realität funktionieren manche Technologien nicht. Die Vernetzung der Sammel-Mülltonnen mit dem Ziel, Abfall nur noch bei Bedarf abzuholen, klappt vielfach nicht und auch die intelligente Verkehrslenkung in Echtzeit stockt.
Doch problematisch ist vor allem etwas anderes. Das Projekt in Santander ist ein Elitenprojekt und keines der Bürgerinnen und Bürger der Stadt. So blieben etwa die Beschäftigten bei der Entwicklung des Projektes vollkommen außen vor und das obwohl sie direkt von den Veränderungen betroffen sind. Das ging so weit, dass Sensoren in konkreten Arbeitsbereichen eingebaut wurden, ohne dass die Beschäftigten darüber auch nur informiert gewesen sind. Neue Technologien gegen die Beschäftigten durchzudrücken, das geht gar nicht. Aus meiner Sicht geht es dabei sowohl um Mitbestimmung und Qualifizierung, aber auch um die Frage, welche Ideen die Beschäftigten als Innovationsträger in so einen Strukturwandel einbringen können.
Doch, auf jeden Fall. Erst einmal finde ich, dass man die Vision einer SmartCity positiv prägen kann und auch muss. Positiv ist etwa, dass man in Santander durch effiziente Beleuchtung und intelligente Steuerung 80 % der Energiekosten in diesen Bereichen einspart. Auch eine smarte Grünflächenbewässerung, die Wettervorhersagen einbezieht, hat viele Vorteile. Das lässt sich ohne weiteres auf andere Städte übertragen. Auch ist es praktisch, wenn über benutzerfreundliche Apps aktuelle Informationen über den Nahverkehr oder Verwaltungsdienstleistungen leichter zugänglich werden.
Problematisch wird es allerdings, wenn SmartCity-Projekte Bevölkerungsgruppen ausschließen und weitere Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge privatisiert werden. Menschen die weniger digital affin sind, drohen abgehängt zu werden. Die intelligente Stadt sollte sich ganz klar am Gemeinwohl orientieren und nicht an den Gewinnerwartungen privater Konzerne. Hier hat auch die Wissenschaft eine Verantwortung, bei der Entwicklung von Big-Data-Technologien nicht nur auf lukrative Geschäftsmodelle zu schielen, sondern auf die Steigerung der gesellschaftlichen Wohlfahrt. Und wenn die SmartCity durch Stellenabbau, Überwachung und Arbeitsverdichtung den Stress der Beschäftigten erhöht, dann ist auch das kein Wohlfahrtsgewinn. Die digitalen Technologien sollten zur Verbesserung und nicht zur Verschlechterung der Arbeitsbedingungen genutzt werden.
In Santander stehen die Daten aller Sensoren kostenlos auf einer Plattform zur Verfügung. Dahinter steckt das Ziel, regionale Wirtschaftsförderung zu betreiben. Es sollen Unternehmen und Investoren angelockt werden, die neue Geschäftsmodelle entwickeln und Arbeitsplätze schaffen. Das ist in Santander auch so passiert, hat aber auch seine Schattenseiten
Erstens können die Daten auch genutzt werden, um die Beschäftigten zu überwachen. Bei der Müllabfuhr ist jetzt ersichtlich, wo sich ein Müllwerker auf seiner Tour gerade befindet. So etwas ist ganz klar abzulehnen, um weitere Leistungsverdichtung zu verhindern.
Zweitens darf man nicht verschweigen, welche Auswirkungen auf Arbeitsplätze damit einhergehen. Am Beispiel der Müllabfuhr sind fast 25 % der Arbeitsplätze durch Rationalisierung weggefallen. Gleichzeitig sind in einem Technologiepark neue Jobs entstanden. Jedoch sind die Qualifikationsanforderungen der neuen Jobs ganz andere als in den Bereichen, wo Arbeitsplätze weggefallen sind. Daran sieht man sehr deutlich, dass wir den digitalen Wandel aktiv gestalten müssen, um Brüche zu vermeiden.
Und mir leuchtet drittens nicht ein, wieso riesige Datenmengen kostenlos zur Verfügung gestellt werden, damit private Konzerne Kasse machen können. Natürlich ist es gut, wenn sich neue Unternehmen ansiedeln und Arbeitsplätze schaffen. Aber diese Unternehmen sollten für die zur Verfügung gestellten Daten auch einen finanziellen Beitrag für das Gemeinwohl leisten müssen.