Deutscher Gewerkschaftsbund

08.09.2014
Interview - Magazin für Beamtinnen und Beamte 09/2014

Länderfinanzausgleich: Staat muss handlungsfähig bleiben

Der bisherige Länderfinanzausgleich läuft Ende 2019 aus – und schon jetzt werden die Weichen für die Zukunft der öffentlichen Finanzen gestellt. Aus Sicht des DGB geht es darum, die Handlungsfähigkeit von Bund, Ländern und Kommunen zu sichern, erklärt DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell im Interview mit dem Beamten-Magazin des DGB. Dafür muss auch mehr Geld ins System.

Bauarbeiter

DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell: "Der vom DGB-Bundeskongress angenommene Antrag 'Für einen handlungsfähigen Staat' benennt von der Bildung bis zum Wohnungsbau, wo in Deutschland dringender Handlungsbedarf besteht. DGB/Simone M. Neumann

Konferenz

DGB und Friedrich-Ebert-Stiftung haben am 8. September 2014 auf der gemeinsamen Konferenz "Alles neu ab 2020? Wege zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Deutschland" die Zukunft der öffentlichen Finanzen in Deutschland diskutiert.

Zur Veranstaltung
Rede von DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell auf der Konferenz

Beamten-Magazin: Weil der bisherige Länderfinanzausgleich Ende 2019 ausläuft, sind die föderalen Finanzbeziehungen neu zu regeln. Welche Ziele muss ein reformierter Länderfinanzausgleich verfolgen?

Stefan Körzell: Der vom DGB-Bundeskongress angenommene Antrag „Für einen handlungsfähigen Staat“ benennt von der Bildung bis zum Wohnungsbau, wo in Deutschland dringender Handlungsbedarf besteht. Es geht uns dabei um den Erhalt und Ausbau einer lebenswerten und zukunftsfesten Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft. Da dies für den Bund sowie alle Länder und Kommunen mit großen finanziellen Herausforderungen verbunden ist, ist ein wesentliches Ziel, dass die reformierten Finanzbeziehungen weder den Bund noch die anderen Gebietskörperschaften finanziell schlechter stellen dürfen als vorher – im Gegenteil. Dabei liegt auf der Hand: Die Reform wird nur so erfolgreich sein, wie es gelingt über eine Einnahmensteigerung mehr Geld ins System zu bringen.

Welche Rolle spielt die Schuldenbremse bei der Neuordnung des Länderfinanzausgleichs?

Während dem Bund ab 2020 noch ein gewisser Spielraum bei der strukturellen Verschuldung verbleibt, wird dieser den Ländern dann völlig versagt sein. Zudem hat der Bund – im Gegensatz zu den Ländern – wesentlich größere Möglichkeiten seine Einnahmen zu steuern. Daher muss bei einer Neuordnung der Finanzbeziehungen ganz besonders darauf geachtet werden, alle Länder dauerhaft in die Lage zu versetzen die Schuldenregeln ohne weitere Ausgabenreduzierungen einzuhalten. Denn: Neben der Schuldenbremse ist auch zu beachten, dass uns das Grundgesetz zur Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im gesamten Bundesgebiet und auf einen Sozialstaat verpflichtet.

Gerade letzterer wird maßgeblich durch die Sozialversicherungen gewährleistet. Die Schuldenbremse gepaart mit der Weigerung das oberste eine Prozent der Bevölkerung stärker zu besteuern, geben aber Anlass zu der Befürchtung, dass der Griff in die Sozialkassen für versicherungsfremde Ausgaben – wie aktuell bei der Mütterrente – nicht die Ausnahme bleiben wird. Das Beste wäre daher, die Schuldenbremse im Grundgesetz um die Pflicht zur aufgabenadäquaten Steuererhebung zu ergänzen.

Mit welchen Aktivitäten werden DGB und Gewerkschaften die Verhandlungen über einen neuen Finanzausgleich begleiten?

Auf allen gewerkschaftlichen Ebenen werden wir intensiver die Diskussion darüber führen müssen, was unser konkretes Verständnis von einer „aufgabengerechten Finanzausstattung“ der öffentlichen Haushalte ist. Je stichhaltiger dieses Verständnis ist, umso besser werden wir dann zum Beispiel in den kommenden Landtagswahlkämpfen hinterfragen können, wie sich die Parteien einen solide und solidarisch ausfinanzierten Bundesstaat vorstellen. Ich gebe zu, dass ich dabei besonders auch an die Union denke, die gerne den Eindruck erweckt die Einhaltung der Schuldenbremse, wie auch die Finanzierung des Sozialstaats und der öffentlichen Investitionen, seien problemlos zu stemmen ohne Hocheinkommensbezieher, große Vermögen und üppige Erbschaften stärker in die Pflicht zu nehmen.

Das Interview erscheint am 11. September im Magazin für Beamtinnen und Beamte des DGB, Ausgabe 09/2014


 

Für einen handlungsfähigen Staat und eine gerechtere Steuerpolitik (PDF, 460 kB)

Beschluss des 20. Ordentlichen DGB-Bundeskongresses (Mai 2014)


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