Worum geht es bei den aktuellen Tarifverhandlungen in der Leiharbeit ab Herbst 2016? Hier die Antworten auf die wichtigsten Fragen.
- Stand: 19. September 2016 -
DGB
Antwort: Die Mitgliedsgewerkschaften des DGB verhandeln ab Herbst 2016/2017 als DGB-Tarifgemeinschaft über die Tarifverträge in der Leiharbeit mit den Arbeitgeberverbänden Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister (BAP) und Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ).
Dabei geht es um die Entgelttarifverträge, die die Löhne in den verschiedenen Entgeltgruppen für die LeiharbeitnehmerInnen festlegen. Hier geht es in erster Linie um eine stufenweise Erhöhung der untersten Entgeltgruppen Ost und West, eine entsprechende Erhöhung der weiteren Entgeltgruppen und eine Angleichung der Entgelttabellen von Ost an West. Die beiden untersten Lohngruppen für Ost und West der Entgelttarifverträge bilden die Grundlage für die Mindeststundenentgelte im Mindestlohntarifvertrag, der ebenfalls neu verhandelt wird. Seit dem 1.6.2016 liegt der Branchenmindestlohn in der Leiharbeit bei 9,00 € (West) und 8,50 € (Ost).
Die Mantel- und Entgeltrahmentarifverträge wurden in der letzten Tarifrunde auf Druck der DGB-Gewerkschaften in einigen für die Leihbeschäftigten wichtigen Punkten verbessert (z.B. die Frage des Streikbrucheinsatzes, die Regelung der Ausschlussfristen und die Entgeltgruppendefinitionen). Daher wollen die DGB-Gewerkschaften sie in der aktuellen Tarifrunde zunächst nicht neu verhandeln. Selbstverständlich können die bestehenden Manteltarifverträge in der Leiharbeit auch noch nach einem Abschluss neuer Entgelttarifverträge gekündigt und Verbesserungen für die Beschäftigten verhandelt werden.
Antwort: Die Tarifverhandlungen führen auf Seiten der Gewerkschaften die Mitgliedsgewerkschaften des DGB unter dem Dach der DGB-Tarifgemeinschaft Leiharbeit. Zusätzlich wurden bei den DGB-Mitgliedsgewerkschaften Tarifkommissionen gebildet, die auch aus LeiharbeitnehmerInnen bestehen. Diese beraten und bewerten die Verhandlungspositionen und haben am Ende auch für die jeweilige DGB-Gewerkschaft über ein mögliches Ergebnis zu befinden.
Auf Seiten der Arbeitgeber führen Vertreter/-innen der zwei Arbeitgeberverbände in der Leiharbeit BAP und iGZ die Verhandlungen.
Antwort: Das hängt davon ab, um welche Tarifverträge es geht. Alle Tarifverträge in der Leiharbeit – mit Ausnahme des Mindestlohntarifvertrags – sind so lange gültig, wie sie nicht gekündigt werden. Die laufenden Tarifverträge sind mit einer Frist von 6 Monaten erstmals zum 31. Dezember 2016 kündbar. Werden die Tarifverträge gekündigt und nicht neu verhandelt, stellen sich Fragen zur sogenannten Nachwirkung, die unter Jurist/-innen nicht einheitlich beantwortet werden.
Beim Mindestlohntarifvertrag ist dies anders: dieser Tarifvertrag trat zum 1. November 2013 in Kraft und endet am 31. Dezember 2016 ohne jegliche Nachwirkung. Gleiches gilt auch für die Rechtsverordnung über die verbindliche Lohnuntergrenze, die ebenfalls nicht nachwirkt. Erst die Rechtsverordnung erfasst alle LeiharbeitnehmerInnen und Leiharbeitsunternehmen, insbesondere auch ausländische Verleihunternehmen und bezieht sich auch auf die Zahlung des Branchenmindestlohns in der verleihfreien Zeit.
Die DGB-Mitgliedsgewerkschaften in der DGB-Tarifgemeinschaft haben die bestehenden Entgelt- und Entgeltrahmentarifverträge mit iGZ und BAP fristgerecht zum Ende des Jahres 2016 gekündigt. Je nachdem, wie sich die Tarifverhandlungen konkret gestalten, könnten auch weitere Tarifverträge gekündigt werden.
Antwort: Läuft der bestehende Mindestlohn-Tarifvertrag Ende Dezember 2016 aus und wird kein neuer abgeschlossen, gibt es keinen verbindlichen Branchenmindestlohn für die verleihfreie Zeit zugunsten aller LeiharbeitnehmerInnen mehr. Der Equal Pay-Grundsatz im AÜG regelt nicht das Entgelt in der verleihfreien Zeit.
In der verleihfreien und auch in der Verleihzeit würde (wegen der zwingenden Vorgabe, dass der Verleiher das Entgeltzahlungsrisiko zu tragen hat, § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG) ab dem 1.1.2017 nur der allgemeine gesetzliche Mindestlohn in Höhe von 8,84 EUR/Stunde greifen, der dann teilweise niedriger ist als z.B. der aktuelle Branchenmindestlohn in der Leiharbeit für den Westen in Höhe von 9,00 €/Std.
Zwar werden erst die Verhandlungen in der Leiharbeit zeigen, wie hoch die neuen Entgeltsätze für die Leiharbeit sein werden (s. zu den Forderungen weiter unten). Es ist jedoch davon auszugehen, dass der Mindestlohn in der Leiharbeit über dem gesetzlichen Mindestlohn liegen wird, so dass gerade LeiharbeitnehmerInnen in den unteren Lohngruppen von den abgeschlossenen Tarifverträgen in der Leiharbeit profitieren würden.
Der Branchenmindestlohn in der Leiharbeit ist zudem für entsandte Beschäftigte in der Leiharbeit wichtig. In Verleihzeiten erhalten Entsandte in einigen Branchen in Deutschland zwar den entsprechenden Branchenmindestlohn oder mindestens den gesetzlichen Mindestlohn. Abgesehen davon würde aber ein Tarifvertrag des Herkunftslandes – sollte es einen solchen geben – oberhalb der Grenze des gesetzlichen Mindestlohnes den Equal Pay-Grundsatz aushebeln. Dies kann dort zur Lohnunterbietungskonkurrenz führen, wo die Arbeitsbedingungen entsandter Beschäftigter in ihren Herkunftsländern von den Arbeitsbedingungen inländischer Beschäftigter nach unten abweichen. In verleihfreien Zeiten wären Entsandte in Ermangelung eines Leiharbeitsmindestlohnes auf den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn angewiesen.
Antwort: Die DGB-Tarifgemeinschaft Leiharbeit sowie die einzelnen Tarifkommissionen der Gewerkschaften haben Anfang September 2016 die konkreten Forderungen beschlossen, nachdem die Meinung der Beschäftigten im Rahmen einer Beschäftigtenbefragung eingeholt wurde: Danach fordert die DGB-Tarifgemeinschaft eine Erhöhung der Entgelte um 6 %, mindestens aber 70 Cent € pro Stunde und eine Ost-West-Angleichung in allen Entgeltgruppen. Die untersten Entgeltgruppen in der Leiharbeit müssen dabei deutlich über dem gesetzlichen Mindestlohn liegen. Die Laufzeit der Tarifverträge soll 12 Monate betragen.
Antwort: Der Verzicht auf Entgelttarifverträge in der Leiharbeit führt nicht automatisch zu Equal Pay, denn grundsätzlich wirken Tarifverträge – mit Ausnahme des Mindestlohntarifvertrags – auch nach Ende der Laufzeit nach und sind bis zu einem neuen Tarifabschluss, der sie ersetzt, anwendbar. Die Nachwirkung eines Tarifvertrages im Bereich der Leiharbeit ist unter Jurist/-innen umstritten und müsste von den Betroffenen jeweils individuell vor den Arbeitsgerichten geklärt werden. Gerichtsverfahren dauern sehr lange. Für die Beschäftigten wäre bis zu einer gerichtlichen Klärung unklar, welche Ansprüche sie genau haben. Es bestünde enorme Rechtsunsicherheit. Eine separate Neuverhandlung des Mindestlohntarifvertrags ohne gleichzeitige Neuverhandlung des Entgelttarifvertrags würde bedeuten, dass der neue Mindestlohntarifvertrag höhere Löhne vorsehen könnte als die untersten Entgeltgruppen der alten Entgelttarifverträge.
Aus den oben genannten Gründen ist es notwendig, den Mindestlohntarifvertrag in der Leiharbeit neu zu verhandeln und auf seiner Grundlage den erneuten Erlass einer Rechtsverordnung für die Lohnuntergrenze in der Leiharbeit zu beantragen. Dafür ist aber der Abschluss eines neuen
Entgelttarifvertrags in der Leiharbeit erforderlich. Damit entsteht ein für alle verbindlicher neuer Branchenmindestlohn in der Leiharbeit. Dabei ist klar, dass der neue Branchenmindestlohn in der Leiharbeit deutlich über dem gesetzlichen Mindestlohn liegen muss.
Die Alternative wäre, sich von der Mindestlohnregelung in der Arbeitnehmerüberlassung zu verabschieden, ohne dass sichergestellt ist, dass die Betroffenen tatsächlich Equal Pay erhalten. Denn der Equal Pay-Anspruch ist im Gesetz nicht konkret ausgestaltet. Dort ist nur geregelt, dass den LeiharbeitnehmerInnen die „für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts“ zu gewähren sind. Aufgrund der vielen unbestimmten Begriffe (z.B. „vergleichbar“) müsste in jedem Einzelfall geklärt werden, welche rechtlichen Ansprüche konkret bestehen. Zusatzleistungen aus Arbeitsverträgen oder Betriebsvereinbarungen (etwa betriebliche Regelungen des Entleihers zu Jobtickets oder ähnliche Leistungen) dürften in jedem Fall ausgenommen sein.
Zudem ist die Durchsetzungssituation eine andere als bei der Inanspruchnahme von Rechten aus anderen Tarifverträgen. Die rechtliche Durchsetzung des equal-pay-Prinzips für die Betroffenen verlangt, sich auf ein langwieriges rechtliches Verfahren einzulassen und ggf. gegen den Arbeitgeber auszusagen. Die Bereitschaft der LeiharbeitnehmerInnen zu klagen, ist deshalb nicht sehr hoch, zumal die Betroffenen in der Regel hoffen, möglichst schnell einen „normalen“ Arbeitsplatz zu erhalten. Gute rechtliche Argumente zu haben und diese in der Realität auch rechtlich durchzusetzen ist in der Wirklichkeit der Arbeitsbeziehungen nicht dasselbe.
Zudem findet der Equal Pay-Grundsatz im AÜG in verleihfreien Zeiten keine Anwendung. Hier findet nur die Untergrenze des gesetzlichen Mindestlohns Anwendung (vgl. § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG). Den Arbeitgebern würden sich in dieser Situation größere Missbrauchsmöglichkeiten bieten als das mit klar geregelten Tarifverträgen der Fall ist.
Die bestehenden Manteltarifverträge zu kündigen und nicht mehr abzuschließen, halten die DGB-Gewerkschaften ebenso für nicht zielführend. Den Equal-Pay-Grundsatz als Beschäftigter durchzusetzen ist schwer, equal treatment ist noch deutlich schwerer durchzusetzen. Als Gewerkschaften versuchen wir immer Arbeitsbedingungen besser zu regeln als im Gesetz vorgesehen. In den letzten Jahren haben wir in der Leiharbeit gerade in den manteltariflichen Regelungen deutliche Verbesserungen für die Beschäftigten erreichen können, die durch eine Kündigung und nicht erneute Verhandlung wegfallen würden. Gemeinsam mit den Beschäftigten können die DGB-Gewerkschaften auch in den nächsten Jahren noch mehr erreichen.
Antwort: Nach bislang im Einzelnen nicht belegten Informationen des BAP wurden die Tarifverträge, die von den sog. christlichen Gewerkschaften (CGM, DHV, ALeB, BiGD und medsonet) im Jahr 2010 parallel zur CGZP abgeschlossen wurden, im März 2013 einvernehmlich und unter Aufhebung der Nachwirkung ausgesetzt. In der Praxis sind bisher keine Fälle bekannt geworden, in denen die Tarifverträge dennoch – wie in der Vergangenheit üblich – durch Bezugnahme im einzelnen Arbeitsverhältnis zur Anwendung gelangten und daher in bestehenden Arbeitsverhältnissen eine Rolle spielten. Unabhängig davon kann ernsthaft bezweifelt werden, ob diese sog. christlichen Gewerkschaften überhaupt tariffähig und ihre Tarifverträge wirksam sind. Im Fall von BiGD, ALeB und medsonet wurde bereits durch die Gerichte festgestellt, dass sie nicht tariffähig sind, im Fall von DHV ist derzeit noch ein Verfahren vor dem BAG anhängig.
Selbst wenn aber aktuell keine sog. christlichen Gewerkschaften im Bereich der Leiharbeit auftreten und versuchen, neue Tarifverträge abzuschließen, heißt dies nicht, dass es keine sog. christlichen Gewerkschaften mehr gibt, die mit Dumpingpolitik Druck auf die Standards der Tarifverträge der Gewerkschaften in der DGB-Tarifgemeinschaft ausüben könnten. So können die sog. christlichen Gewerkschaften z.B. ihren Organisationsbereich in ihren Satzungen ausweiten und ihre Zuständigkeit für die Leiharbeit explizit festlegen, wie es in einem Fall bereits erfolgt ist. Weitere neue Gewerkschaften mit dem Ziel einer Dumpingpolitik könnten gegründet werden – es müssen sich nur Arbeitgeber oder Arbeitgeberverbände finden, die mit ihnen Tarifverträge abschließen. Die BAP jedenfalls hat in ihrer Satzung geregelt, dass Tarifverträge mit „C-Gewerkschaften“ (christliche Gewerkschaften) neben denen mit den „D-Gewerkschaften“ (DGB-Gewerkschaften) abgeschlossen werden können.
Zweifellos hätten nicht nur die Arbeitgeber der Zeitarbeit, sondern auch die politischen Arbeitgeberverbände insgesamt bei Aufkündigung der Tarifzusammenarbeit in der Leiharbeit durch die DGB-Mitgliedsgewerkschaften ein hohes Interesse an einem solchen Abschluss oder gar einer Neugründung von Gewerkschaften oder Zusammenschlüssen, die einen solchen Abschluss ermöglichen würden.
Antwort: Unser Ziel ist und bleibt die Gleichbehandlung der LeiharbeitnehmerInnen mit den Stammbeschäftigten, wenn gleiche oder vergleichbare Arbeit im Betrieb geleistet wird. Damit wollen die DGB-Gewerkschaften verhindern, dass durch Lohndumping Kostenvorteile für die Arbeitgeber entstehen, alle Beschäftigten (LeiharbeitnehmerInnen und Stammbeschäftigte) unter Druck gesetzt werden und so eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt wird. Leiharbeit soll nur der kurzfristigen Abdeckung von Auftragsspitzen dienen. Durch den kurzfristigen und flexiblen Personaleinsatz haben die Arbeitgeber ohnehin schon sehr viele Vorteile.
Allerdings gilt der Equal Pay-Grundsatz durch die Tariföffnungsklausel und die Bezugnahmeklausel im AÜG nur eingeschränkt. Der Equal Pay-Grundsatz im AÜG findet auf verleihfreie Zeiten keine Anwendung. Die Branchenzuschläge bedeuten zwar für die Betroffenen erhebliche Gehaltsverbesserungen und bewirken eine beachtliche Annäherung ihrer Löhne an die Löhne der Stammbelegschaft. Eine flächendeckende Regulierung der Leiharbeit nur über dieses Instrument ist aber kaum möglich. Die Gefahr von Dumpingdruck durch die sog. christlichen Gewerkschaften ist nicht komplett gebannt. Daher hält der DGB weiterhin an seiner Forderung nach einem uneingeschränkten Equal Pay-Grundsatz ohne Abweichungsmöglichkeiten fest.