In den Krisenländern der Eurozone wächst der Widerstand gegen die massive Kürzungspolitik der EU. Denn Tarifsysteme wurden ausgehöhlt, Mindestlöhne gekürzt, Sozialleistungen abgebaut. Dennoch ist die Staatsschuldenquote heute höher als vor dem Sparkurs. Deutschland muss umdenken und den Kurswechsel in Europa mittragen.
Europa fängt an, sich politisch neu zu sortieren: In Griechenland nimmt die neue Regierung Angriffe auf Arbeitnehmerrechte zurück und stellt die unsoziale Kürzungspolitik in Frage. Auch in Spanien und Italien regt sich Widerstand. Die Europäische Zentralbank (EZB) geht unkonventionelle Wege, die vor wenigen Jahren noch undenkbar schienen. Und EU-Kommissionschef Juncker hat immerhin einen ausbaufähigen Plan für mehr Investitionen vorgelegt.
DGB
All diese Veränderungen sind Reaktionen auf das katastrophale Scheitern der bisherigen EU-Anti-Krisenpolitik seit Mitte 2010: In vielen Ländern wurden Tarifsysteme ausgehöhlt, Mindestlöhne für die ärmsten Beschäftigten gekürzt und flächendeckend Druck auf die Löhne gemacht. Das hat keineswegs zu Wachstum und Arbeitsplätzen geführt, sondern die Kaufkraft und lokale Märkte zerstört, dadurch Unternehmenspleiten samt Entlassungen ausgelöst. Die Preise wurden vielerorts so stark gedrückt, dass mittlerweile Deflationsgefahr im ganzen Euroraum besteht. Die vielerorts radikale Kürzung bei den Staatsausgaben hat die Staatsverschuldung nicht sinken lassen, sondern die Wirtschaft stranguliert, Arbeitslosigkeit und Armut befördert und Wachstum wie Steuereinnahmen einbrechen lassen. Die Folge: Die Staatsschuldenquote ist heute höher als vor Beginn des Sparkurses.
Ein Kurswechsel in Europa ist also überfällig. Politische Veränderungen, die Sozialkürzungen rückgängig machen, den Sparkurs lockern und auf Investitionen setzen, sind zu begrüßen. Das muss endlich auch Deutschland einsehen. Denn bisher stellen sich Teile der Bundesregierung und die Bundesbank weiter stur. Sie torpedieren demokratische Entscheidungen in Griechenland, kritisieren die expansive Geldpolitik der EZB und ihre Unterstützung für Junckers Investitionspläne lässt ebenfalls noch zu wünschen übrig. Vor allem Bundeskanzlerin Merkel und Finanzminister Schäuble scheinen zutiefst von ihrer eigenen Krisentherapie für Europa überzeugt zu sein. Fast reflexartig wird jeder Hauch von Kurskorrektur abgelehnt. Selbst dann, wenn er nachweislich erfolgreich ist: Die bereits seit längerem expansive Geldpolitik der EZB hat beispielsweise immerhin dazu geführt, dass die Zinsen auf Staatsanleihen massiv gesunken sind und die Eurozone stabilisiert wurde.
Deutsche Ökonomen und Wirtschaftspolitiker müssen ihre ideologischen Scheuklappen endlich fallen lassen. Stumpf ist nicht immer Trumpf! Wer weiter mit Sparpolitik und einem Angriff auf Arbeitnehmerrechte Europa in den Abgrund steuert, erntet zu Recht Kopfschütteln weltweit. Deutschland isoliert sich. Und das ist nicht in unserem politischen und wirtschaftlichen Interesse.
Fakt ist: In einer Demokratie kann man sinnlose Reformen nicht gegen die Bevölkerung durchboxen. In Paris, Madrid, Rom und Athen werden Parteien abgewählt, die der Krisentherapie aus Berlin und Brüssel folgten. Wer wirklich Interesse an einem erfolgreichen und geeinten Europa hat, muss Politik für die Menschen machen. Europa braucht den Kurswechsel jetzt! Am besten mit und nicht ohne Deutschland.