Deutscher Gewerkschaftsbund

14.09.2015
Kolumne "Fragen zum Arbeitsrecht"

Rechtstipp: Muss ich mit sexistischen Kollegen zusammenarbeiten?

Muslima im Büro

Colourbox

Frage: Ich bin seit Jahren Grafikerin in einem großen Architekturbüro und mache meinen Job sehr gern. Jetzt ist aber leider ein neuer Kollege zu uns gestoßen, den ich aus dem Studium kenne und nicht besonders schätze. Ich bin eine gläubige Muslima und er war in unserem Jahrgang für seine sexistischen und muslimfeindlichen Sprüche bekannt. Und ausgerechnet mit ihm soll ich nun an einem langfristigen Projekt zusammenarbeiten. Kann mich mein Chef dazu zwingen?

DGB-Expertin Marta Böning: Grundsätzlich hat Ihr Arbeitgeber das Recht näher zu bestimmen, in welchem Projekt und mit welchen Kollegen Sie zusammenarbeiten sollen, solange er Ihnen Aufgaben zuweist, die der vereinbarten Tätigkeit entsprechen. Dieses Recht muss er aber nach so genanntem billigem Ermessen ausüben. Das bedeutet, dass er bei der Zuweisung konkreter Aufgaben auch auf Ihre berechtigten Interessen Rücksicht nehmen muss. Außerdem ist Ihr Arbeitgeber verpflichtet, Sie und andere Beschäftigte vor Belästigungen und Diskriminierungen am Arbeitsplatz zu schützen, insbesondere wenn der Grund Ihr Geschlecht oder Ihre Religion sind.

Ihr Arbeitgeber muss sogar vorbeugende Maßnahmen treffen, um ein benachteiligungsfreies Arbeitsumfeld zu schaffen. Er kann etwa durch klare Ansagen deutlich machen, dass ein bestimmtes Verhalten nicht toleriert wird. Werden Sie dennoch aufgrund Ihres Glaubens oder Geschlechts von dem Kollegen belästigt, ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Verhalten ein Ende zu setzen.

Als Belästigung gelten im Übrigen nicht nur offene Anfeindungen und Beleidigungen. Auch unerwünschte Andeutungen oder Gesten fallen darunter. Je nach Einzelfall kann eine Abmahnung oder eine Versetzung bis hin zur Kündigung Ihres Kollegen angemessen und erforderlich sein. Der gleiche Schutz steht auch den Menschen zu, die aufgrund ihrer Hautfarbe, Herkunft oder sexueller Orientierung Belästigungen am Arbeitsplatz ausgesetzt sind.

Die Schwierigkeit in Ihrem Fall besteht jedoch darin, dass das problematische Verhalten Ihres ehemaligen Kommilitonen einige Jahre zurück liegt und sich im privaten Lebensbereich abgespielt hat. Gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass Ihr Kollege sein damaliges Verhalten auch gegenwärtig im beruflichen Kontext wiederholt, können Sie von Ihrem Arbeitgeber nicht verlangen, dass er Sie vor einer drohenden Diskriminierung schützt oder auf Ihr berechtigtes Interesse Rücksicht nimmt.

Unabhängig davon wäre es ratsam, ein Gespräch mit Ihrem Vorgesetzten zu suchen, um ihm Ihre Bedenken mitzuteilen und über alternative Einsatzmöglichkeiten zu sprechen.


DGB-Expertin Marta Böning beantwortet regelmäßig in der Tageszeitung "Der Tagesspiegel" auf der Karriere-Seite Leserfragen zum Arbeitsrecht.

Zur Person: Marta Böning ist als Juristin in der Bundesvorstandsverwaltung des DGB zuständig für alle Fragen des individuellen Arbeitsrechts. Ihre Themen sind: Kündigungsschutz, Antidiskriminierungsrecht, Arbeitszeit- und Urlaubsrecht. Marta Böning war mehrere Jahre in der arbeitsrechtlichen Lehre und Forschung tätig und hat in einer arbeitsrechtlichen Kanzlei in Berlin gearbeitet. Für den DGB hat sie ein Beratungsbüro für ausländische Beschäftigte aufgebaut.

Der Beitrag erschien ursprünglich unter dem Titel "Muss ich mit jedem arbeiten?" im Tagesspiegel vom 12. September 2015.


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