Deutscher Gewerkschaftsbund

23.06.2016
Sozialrecht

Hartz IV: Trinkgeld wird nicht angerechnet

einblick 11/2016

Gericht, Gesetzbuch, Urteile

Trinkgeld darf nicht auf Hartz-IV-Leistungen angerechnet werden.

Der Fall: Die alleinerziehende Mutter, in Teilzeit als Friseurin beschäftigt, erzielte aus ihrer Tätigkeit bei einer monatlichen Arbeitszeitvon 60 Stunden einen Bruttoarbeitslohn von 540 Euro. Nachdem die Frau Nachfragen des Jobcenters nach Trinkgeldeinnahmen nicht beantwortet hatte, ging das Jobcenter von einem geschätzten durchschnittlichen Zusatzverdienst von 60 Euro durch Trinkgeld aus. Bei 60 Arbeitsstunden pro Monat und geschätzt einem Kunden pro Arbeitsstunde und einen Euro Trinkgeld pro Kunde sei es realistisch, bei der Friseurin ein monatliches Trinkgeld von 60 Euro anzunehmen. Ausgehend von 600 Euro Bruttoverdienst rechnete das Jobcenter deswegen 300 Euro monatliches Einkommen. Die Friseurin bestritt, regelmäßig 60 Euro Trinkgeld je Monat eingenommen zu haben. Sie habe eine neue Stelle angetreten und daher wenig Stammkunden gehabt. An manchen Tagen habe sie kein Trinkgeld, an anderen 2 oder 2,50 Euro Trinkgeld erzielt, welche sie jeweils noch am selben Tag für das Mittagessen ausgegeben habe. Mit ihrer Klage hatte sie Erfolg.

Das Sozialgericht: Trinkgeldeinnahmen sind bei Harttz-IVLeistungsbezieherInnen grundsätzlich nicht anzurechnen. Trinkgeld zu geben, beruht nicht auf einer Verpflichtung, sondern ist eine freiwillige Leistung. Wüsste der Kunde, dass das Trinkgeld die Situation des Dienstleistenden nicht verbessert, weil sich im selben Umfang die Leistungen des Jobcenters vermindern, würde kaum noch Trinkgeld an die Betroffenen gezahlt. Wegen Vorliegens einer unzumutbaren Härte hat daher die Anrechnung zu unterbleiben, sofern das Trinkgeld etwa zehn Prozent der gewährten Hartz-IV-Leistungen oder einen monatlichen Betrag von 60 Euro nicht übersteigt.

Sozialgericht Karlsruhe, Urteil vom 30. März 2016 - S 4 AS 2297/15


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