Deutscher Gewerkschaftsbund

26.10.2016

Banken: „Die Mentalität muss sich wandeln“

einblick 16/2016

Fokussiert, digital und effizient. So will die Commerzbank in Zukunft sein – und wird bis 2020 dafür 9600 ihrer 45000 Vollzeitstellen streichen. Was sind die Ursachen und was bedeutet das für die Beschäftigten?

Skyline Frankfurt Bankenviertel

flickr/Fotofreund09 - CC BY-NC 2.0

„Das ist ein Riesenhieb“, stellt der ver.di-Finanz-experte Mark Roach klar. Als Mitglied im Aufsichtsrat der Commerzbank betont er: „Es sind 9600 Vollzeitjobs, die wegfallen. Deshalb sind wahrscheinlich weitaus mehr Menschen betroffen – sogar bis zu 12000.“

Start-ups als Konkurrenten

Für ver.di ist die Commerzbank kein einfaches Feld: Wie in den meisten Banken ist nur ein relativ kleiner Teil der Bank-Beschäftigten gewerkschaftlich organisiert. Zudem sind die bei einer derartigen Umgestaltung zu regelnden Themen in Tarifverträgen abgedeckt, sodass die Friedenspflicht gilt – die Angestellten dürfen also nicht streiken. „Die Beschäftigten können höchstens in der Pause auf die Straße gehen“, so Roach. Das mache den Protest schwerer. „Es gibt einen Berg an Problemen“, sagt Roach. Vor allem die Digitalisierung sei für die Commerzbank – wie für alle Geldhäuser – eine Herausforderung. So machen die Online-Angebote von Start-ups den Banken viele ihrer traditionellen Geschäfte streitig – vom Zahlungsverkehr bis hin zur Kreditbearbeitung. Die Niedrigzinsphase der Europäischen Zentralbank belastet zudem das Geschäft.

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DGB/einblick

Ein halbes Jahr Unsicherheit

„Was mich wütend macht, ist, wie der Vorstand der Commerzbank mit den Beschäftigten umgeht“, sagt Roach. So sei offensichtlich intern klar, in welchen Sparten die Commerzbank Stellen streichen wolle. Dennoch hielte die Geschäftsführung ihre Pläne bisher geheim. Damit die 1,1 Milliarden Euro, die die „Restrukturierung“ kosten wird, nicht mehr in der Bilanz des laufenden Jahres landen. Roach rechnet damit, dass die Vorstände erst im März oder April 2017 erklären, welche Jobs sie kürzen werden. „Diese Politik des Vorstands führt dazu, dass die Beschäftigten ein halbes Jahr in Unsicherheit leben und um ihren Arbeitsplatz fürchten“, sagt Roach.Ihn ärgert besonders, dass im dritten Quartal 2016 rund 700 Millionen Euro abgeschrieben wurden. Dieser fiktive Wert stand seit der Übernahme der Dresdner Bank 2008 noch in den Büchern. Um die Bilanz in den letzten Jahren nicht noch schlechter aussehen zu lassen, wurde dieser Betrag erst jetzt abgeschrieben – und damit mehr als der gesamte Gewinn der ersten neun Monate. „Für dieses Manöver war Geld da“, sagt Roach. „Aber 150 oder 200 Millionen Euro um den Abbau sozialverträglich zu gestalten, will der Vorstand nicht aufbringen.“

Kunden und Angestellten in den Fokus nehmen

Was muss sich ändern bei der Commerzbank? Roach hat darauf eine klare Antwort. „Die Mentalität muss sich wandeln“, sagt er. Die Vorstände dürften nicht mehr nur auf Unternehmensberater hören. „Sie müssen endlich wieder die Kunden und Angestellten in den Fokus nehmen und nicht das Urteil der Analysten und des Kapitalmarkts.“ Um das zu erreichen, findet Roach, könnte auch der Bund eingreifen, der großer Aktionär der Commerzbank sei. „In so einem Fall sollte er nicht mehr nur Nachtwächterstaat sein, sondern gezielt Einfluss nehmen.“

DGB-Flagge im Gegenlicht

DGB/Simone M. Neumann

Der DGB fordert

  • Bankenunion fristgerecht umsetzen – und alle Staaten daran beteiligen
  • Höhere Eigenkapitalquoten, besonders für systemrelevante Banken
  • Großkreditvorschriften senken, um Abhängigkeiten im Bankenmarkt zu verringern
  • Keine Steuergelder mehr für marode Banken verwenden
  • Abwicklungsfonds für kriselnde Banken deutlich aufstocken

„Vieles nur auf dem Papier“    

Kommt bald der nächste Finanzcrash? Inmitten der Probleme von Commerzbank und Deutscher Bank warnen einige Beobachter davor. Dass es in den nächsten beiden Jahren zu Störungen im Bankenmarkt kommen könnte, diese Einschätzung teilt Robby Riedel. Der DGB-Experte für Marktregulierung und Verteilungspolitik glaubt jedoch nicht an einen flächendeckenden Finanzkollaps: „Die Gefahr ist nicht mehr so groß wie 2007, denn der Finanzsektor hat einige Schritte in die richtige Richtung gemacht.“ Seit der Finanzkrise 2007/2008 seien Verbesserungen auf den Weg gebracht worden.

So haben die EU-Staaten 2014 die Bankenunion gegründet –  sie sieht u. a. ein Abwicklungssystem für Pleitebanken vor. Es soll verhindern, dass wieder Steuergelder für die Rettung eines Kreditinstituts verwendet werden. Stattdessen zahlen die Banken in einen Abwicklungsfond für kriselnde Geldhäuser ein – dieser wird voraussichtlich etwa 55 Milliarden Euro umfassen. Doch bei einer Pleite bereits eines mittelgroßen Instituts werden die Mittel kaum reichen. Zudem ist vorgesehen, dass in Zukunft zuerst die Anteilseigner, Gläubiger und vermögende Sparer für die Kreditinstitute einstehen. Das sogenannte Regelwerk Basel III verlangt zudem von Banken, ihr Eigenkapital zu erhöhen und ihre Liquidität zu verbessern.

„Das sind grundsätzlich sinnvolle Maßnahmen“, sagt Riedel. „Doch sie reichen nicht aus und bisher existiert vieles nur auf dem Papier.“ Hierin liegt die Gefahr. Sollte es in naher Zukunft zu Turbulenzen im Finanzsektor kommen, sind die Banken nicht gewappnet. Deshalb fordert der DGB, die Regulierung nachzubessern und nun auch schnell in der Praxis anzuwenden. „Die bisherigen Kreditvorschriften zwischen Banken müssen zudem restriktiver gestaltet werden“, sagt Robby Riedel. „Aktuell gibt es im Bankenmarkt noch zu hohe Risiken. So steigt die Gefahr, dass es bei der Pleite einer Bank zu einem Domino-Effekt kommt.“


Zum DGB-klartext "Staatlich investieren, statt Banken subventionieren"


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