Deutscher Gewerkschaftsbund

21.04.2016
Rente

Holzweg private Vorsorge

einblick 07/2016

Die Regierungsparteien haben das Thema Rente entdeckt, sie wollen das Niveau der gesetzlichen Rente stabilisieren. „Gut so“, findet der DGB. Die Gewerkschaften fordern einen generellen Kurswechsel in der Altersvorsorge.

Hände einer älteren Frau zählen Geld aus Geldbörse

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Im Spiegel hat der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer erklärt, dass die private Rentenvorsorge gescheitert ist. Es sei „vollkommen klar, dass wir die geplante Absenkung nicht durch private Vorsorge ausgleichen können“, so Seehofer. „Deshalb müssen wir versuchen, das Niveau der gesetzlichen Rente zu stabilisieren.“ Auch der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel fordert: „Das Niveau der gesetzlichen Rente darf nicht weiter sinken, sondern muss auf dem jetzigen Niveau stabilisiert werden“. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach zeigt sich erfreut, dass die Regierungsparteien „den Kern des Problems benennen, wenn sie fordern, den freien Fall des Rentenniveaus zu stoppen. Allerdings muss sich zeigen, ob es sich um mehr als eine wohlfeile Ankündigung handelt“. Ein erster Prüfstein dafür wäre, die sogenannte Mütterrente endlich aus Steuer- statt Beitragsmitteln zu finanzieren.

Rentenniveau im Sinkflug

Seit 1980 ist das Rentenniveau um rund 10 Prozent auf aktuell 47,5 Prozent gesunken. Die Vorgaben der Politik sehen eine weitere Reduzierung bis 2029 vor. einblick

Genereller Kurswechsel

Der DGB fordert einen generellen Kurswechsel beim Thema Altersvorsorge, die gesetzliche Rente soll als zentrale Säule der Alterssicherung gestärkt werden. Vor allem muss die Absenkung des Rentenniveaus gestoppt werden. „Das ist der zentrale Hebel, um eines der wichtigsten Versprechen dieses Sozialstaats einzulösen: ‚Wer jahrzehntelang gearbeitet und in die Rentenversicherung eingezahlt hat, bekommt im Alter eine Rente, von der er oder sie in Würde leben kann‘“, betont Buntenbach. Die Zeit drängt: Schon heute bekommt eine Durchschnittsrentnerin laut Deutscher Rentenversicherung nur 829 Euro Rente. Zum Vergleich: Die Armutsgrenze liegt bei 979 Euro im Monat. Die Prognosen bis 2029 sehen eine weitere Absenkung des Rentenniveaus von aktuell 47,5 Prozent auf 44,6 Prozent vor.

Trübe Perspektiven

Die Folgen für die Beschäftigten in der Zukunft sind dramatisch: Trübe sind die Perspektiven zum Beispiel für VerkäuferInnen nach 40 Beitragsjahren im Einzelhandel in Brandenburg. Der aktuelle Bruttolohn liegt dort bei 2191 Euro. Heute bekommen RentnerInnen dort 849 Euro Rente. In 14 Jahren sind das dann noch 787 Euro (nach Abgaben).

Die Riester-Rente hat sich aus Sicht der Gewerkschaften nicht bewährt, um diese Lücke zuschließen. Ein Grund ist, dass sie auch nach fast 15 Jahren zu wenig verbreitet ist. Die rund 16 Millionen Verträge sind aus Sicht des DGB kein Maßstab. Entscheidend sei, wie viele tatsächlich wie vorgesehen vier Prozent ihres Bruttoeinkommens sparen. Das seien nicht mal sieben Millionen Menschen, kritisiert Buntenbach. Zudem zeige die Statistik, dass gerade Geringverdiener selten „riestern“. Viele Beschäftigte haben schlicht zu wenig Geld, um privat vorzusorgen. Zulagen helfen aber nichts, wenn der Eigenbeitrag gar nicht aufgebracht werden kann. Das Resultat: Ausgerechnet diejenigen, die auf Förderung angewiesen sind, können nicht privat vorsorgen. Und diejenigen, die das Geld aufbringen können, sind in der Regel nicht auf Förderung angewiesen. „Die Fördermittel werden falsch eingesetzt“, analysiert Buntenbach. Sie fordert deshalb, die Riester-Förderung auslaufen zu lassen. „Natürlich gilt, dass niemandem etwas genommen werden soll, was er oder sie bereits erspart hat“, so Buntenbach.

Rentenniveau ist Dreh- und Angelpunkt

Dreh- und Angelpunkt einer zukunftsfähigen Alterssicherung bleibe daher das Rentenniveau. „Der Verfall des Rentenniveaus kann und muss jetzt gestoppt werden, bevor es zu spät ist“, betont Annelie Buntenbach. Der DGB hat vorgerechnet, dass ein stabiles Rentenniveau auf heutigem Niveau auch mit dem von der Politik vorgegebenen Beitragssatzziel von 22 Prozent möglich wäre. Dafür soll laut DGB die Nachhaltigkeitsrücklage in kleinen Schritten zu einer Demografiereserve ausgebaut werden.

Langfristig muss das Rentenniveau deutlich steigen. Auch die betriebliche Altersversorgung muss ausgebaut werden. Ein so verbessertes Rentensystem schützt vor Altersarmut und sozialem Abstieg. Beschäftigte, die längere Zeit arbeitslos waren oder zu niedrigen Löhnen gearbeitet haben, brauchen ergänzende solidarische Maßnahmen. Gleiches gilt für Lebensphasen, in denen sich Eltern um die Kindererziehung gekümmert haben. Aus Sicht des DGB wäre die Rente nach Mindestentgeltpunkten hier eine geeignete Regelung, um niedrige Renten aufzuwerten.

DGB-Rentenkampagne geplant

Sinkt das Rentenniveau weiter, laufen aber auch die Maßnahmen zum Ausgleich ins Leere. Buntenbach stellt daher klar, „wir müssen jetzt handeln, bevor es zu spät ist.“ Um mehr Druck auf die Politik zu machen, will der DGB im Mai eine Rentenkampagne beschließen, die dann im Herbst startet.

Erschienen in: einblick 7/2016 vom 25. April 2016


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