Deutscher Gewerkschaftsbund

05.03.2009

Schuldenbremse ökonomisch unsinnig und sozial ungerecht

Matecki warnt vor Verbot der Kreditfinanzierung

Der Deutsche Gewerkschaftsbund warnt vor der heutigen abschließenden Sitzung der Föderalismuskommission II davor, die geplante Schuldenbremse in Kraft zu setzen. Der Neuen Osnabrücker Zeitung sagte DGB-Vorstandsmitglied Claus Matecki, ein weitgehendes Verbot der Kreditfinanzierung sei „ökonomisch unsinnig und sozial ungerecht“. Damit würden notwendige Investitionen im Sozialbereich und bei der Infrastruktur verhindert.

Unsere Gegenargumente

Finanzpolitik verliert soziale und demokratische Handlungsspielräume sowie „Krisenreaktionsmöglichkeiten“: Nicht nur in „normalen“ Zeiten werden sich die Spielräume für eine andere, soziale und demokratische Politik noch weiter verengen. Der stabilisierungspolitischen Aufgabe der Finanzpolitik wird ein viel zu geringes Gewicht beigemessen. Auch Reaktionen wie die auf die derzeitige Krise würde deutlich schwerer werden, denn zunächst müssten für die Einschätzung wie groß die Krise eigentlich ist, hohe parlamentarische Hürden genommen werden (und das vor dem Hintergrund, dass einhellige Analysen und adäquate Krisenreaktionen selten „rechtzeitig“ mehrheitlich geteilt werden).

Konkret vorgeschlagene Regelung wirkt prozyklisch (und nicht antizyklisch): Eines der zentralen Argumente, welches zur Rechtfertigung der Schuldenbremse vorgetragen wird, ist, dass die Regelungen in der Praxis sehr flexibel ausgestaltet werden könnten. Eine antizyklische Politik wäre auch unter dem Regime der Schuldenbremse immer noch möglich, so die Behauptung. Aus unserer Sicht ist dies nicht so. Laut einer Untersuchung des IMK unterschätzen die vorgesehenen Regeln konjunkturelle Bewegungen. Das IMK prognostiziert (auf Basis einer Simulation bezogen auf die Jahre 2000-2007) im Falle des Inkrafttretens der Schuldenbremse einen Teufelskreis aus immer restriktiverer Haushaltspolitik und sich abschwächendem Wachstum.

Investitionsstau in Bund, Länder und Kommunen wird noch größer: Mit der strukturellen Verschuldungsmöglichkeit von maximal nur noch 0,35 Prozent des BIP für den Bund könnte künftig nur noch ein Bruchteil des gegenwärtigen Investitionsvolumens kreditfinanziert werden. Dies ist vor dem Hintergrund des öffentlichen Investitionsstaus – allein rund 704 Mrd. € in den Kommunen - fahrlässig und schlicht kontraproduktiv.

Ausgabensenkungsdruck nimmt zu: Des Öfteren wird argumentiert, die Schuldenregel würde bewirken, dass der Druck in Richtung Steuererhöhungen zunähme. Nach dem Motto: wenn nicht mehr eingespart werden kann, dann müssen auch notorische Steuersenker einsehen, dass weitere Steuersenkungen nicht mehr möglich und entsprechend auch Steuererhöhungen nicht mehr sakrosankt seien. Das ist schlicht Selbstbetrug. Erstens würde eine an der Regierung beteiligte FDP die Schuldenbremse nutzen um die Ausgaben zu senken und zweitens wird das gesamtgesellschaftliche Klima schon seit einigen Jahren nicht mehr in Richtung einer gerechten Einnahmenpolitik beeinflusst. D.h. der Ausgabensenkungsdruck wird noch deutlicher zunehmen.

Schuldenbremse und Generationengerechtigkeit: Die Schuldenbremse führt dazu, dass gegenüber den künftigen Generationen eine dramatisch schlechtere Infrastruktur vererbt wird. Zudem verunmöglicht es die Schuldenbremse diese Situation ökonomisch sinnvoll zu ändern. Die Möglichkeit, (Zukunfts-) Investitionen auch über Kredite finanzieren zu können, ist aber die Basis verantwortungsvoller und in die Zukunft schauender Fiskalpolitik.

Schuldenbremse wirkt ab morgen und nicht erst ab 2015: Die Voraussetzung für die Einführung der Schuldenbremse ist der strukturelle Haushaltsausgleich. Dieser muss entsprechend vor dem Jahr 2015/2016 (Zeitpunkt der Inkraftsetzung laut Koalitionsvereinbarung) gewährleistet sein, soll die grundgesetzliche Vorgabe eingehalten werden. Der Spardruck wird entsprechend nicht erst ab 2015 einsetzen, sondern ab morgen. Wo wir derzeit noch nicht mal wissen, ob der Höhepunkt der Krise erreicht ist, geschweige denn, wie hoch die Verschuldung zum Zeitpunkt der „wirtschaftlichen Normalisierung“ sein wird, ist dies ein denkwürdiges Vorgehen.

Konjunkturaufschwung Voraussetzung für Haushaltskonsolidierung nicht Schuldenbremse: Ich weise noch einmal darauf hin, dass ein Blick auf die letzten Jahre eindrucksvoll belegt, dass eine Konsolidierung auch ohne Schuldenbremse möglich ist; in der Diskussion um Staatsschulden wird immer wieder die enge, teilweise wechselseitige Abhängigkeit zwischen Konjunktur und Staatsfinanzen vergessen. Richtig wiederum ist auch, dass ein Konjunkturaufschwung in der Vergangenheit nicht unbedingt dazu führte, dass konjunkturell bedingte Steuermehreinnahmen tatsächlich zur Konsolidierung verwendet wurden. Dem kann durchaus durch ein bundesgesetzlich geregeltes, adäquates Konsolidierungskonzept begegnet werden.

Einnahmeseite stärken: Unzweifelhaft haben die Steuersenkungen und die entsprechenden Einnahmeausfälle der vergangenen Jahre mit dazu beigetragen, dass der Druck auf die öffentlichen Haushalte zugenommen hat. So wird es darum gehen, künftig die hohen und sehr hohen Einkommen, Vermögen und Erbschaften von Privaten wieder deutlicher für eine gerechte Sozialstaatsentwicklung heranzuziehen. Dies gilt ebenso für die Besteuerung von Unternehmen. In diesem Zussamenhang bedarf es auch einer Stärkung des Steuervollzugs. Auch dies sind wesentliche Aspekte nicht nur einer sozialen und demokratischen Zukunftspolitik, sondern auch einer klugen Haushaltskonsolidierungspolitik in wirtschaftlich guten Zeiten.

Föderal undemokratischer Prozess - Landesparlamente werden umgangen: Die Beteiligung der Landesparlamente ist im gegenwärtigen Prozess nicht vorgesehen. Sie bleiben bei der Formulierung der Schuldengrenze, die einschneidende Auswirkungen auf ihr Budgetrecht haben wird, außen vor, werden nicht beteiligt. Kein politisch verantwortungsvoll handelndes Landesparlament, das auf Basis unaufgeregter Einschätzungen über die Aufrechterhaltung notwendiger staatlichen Grundfunktionen handelt, würde aber eine Nullverschuldungsmöglichkeit – wie sie der Bund und anscheinend eine Mehrheit an Länderregierungen nun den Länderparlamenten vorschreiben will - in die eigene Landesverfassung schreiben.

 


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