Deutscher Gewerkschaftsbund

30.10.2014
Deutscher Betriebsräte-Preis 2014

Mobile Arbeit: Betriebsrat setzt Recht auf Nichterreichbarkeit durch

Der Gesamtbetriebsrat der BMW AG ist mit dem Deutschen Betriebsräte-Preis 2014 in Gold ausgezeichnet worden. Bei BMW wird auf Initiative des Betriebsrats mobile Arbeit außerhalb des Betriebs ebenso behandelt wie Arbeit im Betrieb: Auch mobile Arbeitszeit ist Arbeitszeit – und Beschäftigte haben zu selbst bestimmten Zeiten ein absolutes Recht auf Nichterreichbarkeit für den Arbeitgeber.

Deutscher Betriebsräte-Tag

Die Sieger: Für "Flexibel arbeiten, bewusst abschalten: Mobilarbeit bei BMW" erhielt der Gesamtbetriebsrat der BMW AG beim Deutschen Betriebsräte-Tag den Deutschen Betriebsräte-Preis 2014 in Gold. Laudator war Jörg Hofmann (1.v.r.), Zweiter Vorsitzender der IG Metall Deutscher Betriebsräte-Tag

Seit Januar gilt an allen Standorten der BMW AG in Deutschland die Betriebsvereinbarung zur Mobilarbeit. Angestoßen und durchgesetzt hat sie der Gesamtbetriebsrat des Unternehmens. Motto der Vereinbarung: "Flexibel arbeiten, bewusst abschalten." Dafür hat der Gesamtbetriebsrat der BMW AG nun beim Deutschen Betriebsräte-Tag in Bonn den Deutschen Betriebsräte-Preis in Gold erhalten.

Beschäftigte bestimmen selbst: Zusätzlich zur "Gleitzeit" kommt der "Gleitort"

Mit der Mobilarbeit kann die Arbeitszeit von den Beschäftigten flexibel und selbstbestimmt auf verschiedene Arbeitsorte und Tageszeiten aufgeteilt und in vielerlei Weise mit der klassischen Büroarbeit kombiniert werden – egal ob als ganztägige Mobilarbeit oder nur zu bestimmten Tageszeiten.

Pokale Deutscher Betriebsräte-Preis

Deutscher Betriebsräte-Preis

Was ist der Deutsche Betriebsräte-Preis?

Der Deutsche Betriebsräte-Preis ist eine Initiative der Fachzeitschrift "Arbeitsrecht im Betrieb". Er zeichnet seit 2009 das Engagement und die erfolgreiche Arbeit von Betriebsräten aus, die sich nachhaltig für den Erhalt oder die Schaffung von Arbeitsplätzen oder für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Unternehmen einsetzen. Eine Jury aus Gewerkschaften, Wissenschaft und "Mitbestimmern" aus der Praxis trifft jedes Jahr eine Auswahl aus einer Vielzahl eingereichter Projekte. Verliehen wurden die Preise auf dem Deutschen Betriebsräte-Tag, der in diesem Jahr vom 28. bis zum 30. Oktober in Bonn stattfand. Der DGB ist Kooperationspartner des Betriebsräte-Tags.

Der Betriebsräte-Preis wird je einmal in den Kategorien Gold, Silber und Bronze verliehen. Außerdem vergibt die Jury vier Sonderpreise, im Jahr 2014 zu den Themen „Beschäftigungssicherung“, „Gute Arbeit“, „Innovative Betriebsratsarbeit“ und „Fair statt Prekär“.

Der Deutsche Betriebsräte-Preis online

Der Deutsche Betriebsräte-Tag online

Alle Nominierten

Wer beispielsweise vor der Fahrt zum Arbeit zuhause den dienstlichen Mail-Account checken und durcharbeiten möchte, dem wird das als Arbeitszeit anerkannt. Die bei BMW seit langem bestehende Gleitzeit wird so um die Möglichkeit eines flexiblen Arbeitsortes, quasi dem "Gleitort", ergänzt. Einmal in der Woche melden die Beschäftigten dann die Summe ihrer mobil geleisteten Arbeitszeit ans Unternehmen.

Recht auf Nichterreichbarkeit

Außerhalb der vom Mitarbeiter gewählten und mit dem Vorgesetzten vereinbarten Zeiten der Erreichbarkeit haben alle Beschäftigten das ausdrücklich festgeschriebene Recht, für den Arbeitgeber nicht erreichbar zu sein. Die Mitarbeiter sollen bewusst und selbstbestimmt in Zeiten der Nicht-Erreichbarkeit abschalten können – auch das Smartphone.

Chancen der mobilen, digitalen Arbeit genutzt

"Die Chance ist, dass wir endlich die bisher 'wilde Mobilarbeit' erfassen, die außerhalb des Unternehmens gemacht wird, zum Beispiel am Laptop, Smartphone, Handy oder PC", erklärt BMW-Betriebsrat Peter Cammerer, der die Verhandlungen zur Betriebsvereinbarung "Mobilarbeit" geleitet hat. So haben die Beschäftigten auch bei mobiler Arbeit die Kontrolle über ihre Arbeitszeit und Mobilarbeit außerhalb des Betriebs wird als echte Arbeitszeit anerkannt. Dabei hat der Arbeitgeber natürlich keinen direkten Zugriff auf die entsprechenden Daten. Die Beschäftigten selbst füttern das Zeiterfassungssystem des Unternehmens mit der mobil geleisteten Arbeitszeit.

Wichtig ist Cammerer aber, dass mobile Arbeit nicht immer auch digitale Arbeit sein muss. Ganz bewusst umfasst die Vereinbarung alle Tätigkeiten, die online und offline außerhalb der Büros der BMW Group durchgeführt werden, ob per Computer, Telefon oder mit Papiermedien.

Peter Cammerer

Peter Cammerer, Verhandlungsführer des BMW-Betriebsrats, stellt die Betriebsvereinbarung "Mobilarbeit" beim Deutschen Betriebsräte-Tag in Bonn vor DGB/Steinborn

Log-Off: "Den Aus-Knopf am Handy finden"

"Die Betriebsvereinbarung 'Mobilarbeit' ist so aufgebaut, dass die Selbstbestimmung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gestärkt wird – auch, indem wir das Recht auf Nichterreichbarkeit festgeschrieben haben", erklärt Cammerer. "Die Mitarbeiter entscheiden selbst, wann sie arbeiten", natürlich weiterhin im Rahmen einer klassischen Teamarbeitszeit, in der das gesamte Arbeitsteam im Betrieb präsent ist. "Entgrenzung von Arbeit kann mit unserer Betriebsvereinbarung nicht mehr stattfinden, wenn der Mitarbeiter selbst den Aus-Knopf am Handy findet", so Cammerer. "Dazu wollen wir ihn ermutigen."

Preise in Silber und Bronze an Betriebsräte von AWO und DB Regio

Der Deutsche Betriebsräte-Preis in Silber ging in diesem Jahr an den Betriebsrat des Kreisverbands Nürnberg-Stadt der Arbeiterwohlfahrt (AWO). Die AWO gilt nach dem Betriebsverfassungsgesetz als so genannter Tendenzbetrieb, in denen Betriebsräten nicht alle Mitbestimmungsrechte zustehen. Als die Insolvenz drohte, konnte der Betriebsrat nicht nur Kündigungen verhindern, sondern sogar durchsetzen, dass der Arbeitgeber sich wieder der Tarifbindung anschließt und einen Wirtschaftsausschuss einrichtet – also ein Mitbestimmungsgremium, das dem Betriebsrat in einem Tendenzbetrieb eigentlich gar nicht zugestanden hätte.

DGB-Vize Elke Hannack mit Betriebsräten

Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack bei der Verleihung des Deutschen Betriebsräte-Preises 2014 in Bronze an den Gesamtbetriebsrat der DB Regio AG Deutscher Betriebsräte-Tag

Probleme aus dem Arbeitsalltag aufgreifen und lösen

Der Betriebsräte-Preis in Bronze ging an den Gesamtbetriebsrat (GBR) der DB Regio AG, die die Regionalbahnen und -busse der Deutschen Bahn betreibt. Mit dem Projekt "Sicher unterwegs" und entsprechenden Betriebsvereinbarungen setzt sich der (GBR) aktiv für den Schutz von Zugbegleiterinnen und -begleitern ein, die immer wieder Beleidigungen und tätlichen Angriffen ausgesetzt sind. Dabei hat der GBR die Erfahrungen der Mitarbeiter aus der täglichen Arbeitspraxis gesammelt und konkrete Hilfen durchgesetzt. Die Regelungen, die im Rahmen des Projekts entstanden sind, sorgen dafür, dass die Zugbegleiter mit ihren Problemen nicht im Regen stehen gelassen werden: Wer zahlt eine kaputte Brille, die ein Fahrgast aus dem Gesicht geschlagen hat? Werden Zeugenaussagen gegen mutmaßliche Schwarzfahrer als Arbeitszeit anerkannt? Dürfen auf Namensschildern Pseudonyme verwendet werden, um zu verhindern, dass Zugbegleiter Drohanrufe oder -briefe erhalten? All diese Fragen hat der GBR für die Beschäftigten aufgegriffen und konkret gelöst.

Hoffmann: Mehr Demokratie in der Wirtschaft, Betriebsverfassung weiterentwickeln

"Wir brauchen wieder mehr Demokratie in der Wirtschaft", hatte der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann in seiner Rede zur Eröffnung des Deutschen Betriebsräte-Tags gefordert. "Das ist auch ein Beitrag. Unser Beitrag für ein gutes Leben! Für gute Arbeit, faire Löhne, humane Arbeitsbedingungen", so Hoffmann weiter. Der DGB-Vorsitzende forderte außerdem besseren Schutz für die Betriebsratsarbeit: "Wir müssen die mitbestimmungsfreie Zone zurückdrängen. Dazu gehört, dass wir energisch gegen alle Versuche auf Arbeitgeberseite vorgehen, Betriebsratswahlen zu ver- oder behindern oder die Arbeit von Betriebsräten zu erschweren."

Hoffmann sprach sich außerdem dafür aus, das Betriebsverfassungsgesetz dringend weiter zu entwickeln: "In einer Arbeitswelt und einer Gesellschaft, die durch zunehmende räumliche und zeitliche Entgrenzung geprägt ist, muss die betriebliche Mitbestimmung weiterentwickelt werden. Es kann und darf keinen Stillstand geben." Das könne gelingen, "wenn wir zusammenarbeiten und gemeinsam Politik und Arbeitgebern auf die Sprünge helfen."

Weitere Preisträger des Deutschen Betriebsräte-Preises

Preise wurden beim Deutschen Betriebsräte-Tag in Bonn außerdem in folgenden Sonderkategorien vergeben:

  • Den Publikumspreis erhielt der Betriebsrat der DPD GeoPost GmbH, der sich erfolgreich gegen Outsourcing zur Wehr gesetzt hat.
  • Der Sonderpreis "Fair statt prekär" ging an den Betriebsrat der Meyer Werft, der sich für gute Arbeitsbedingungen für Werkvertragsnehmer einsetzt.
  • Der Sonderpreis "Innovative Betriebsratsarbeit" ging an den Betriebsrat der Renolit SE aus Worms, der eine bezahlte Pflegezeit für Beschäftigte durchgesetzt hat, die Angehörige pflegen müssen.
  • Der Sonderpreis "Gute Arbeit" ging an die Arbeitnehmervertreterinnen und -vertreter bei den Stadtwerken München / Münchner Verkehrsgesellschaft mbH, die eine mitarbeiterorientierte Dienstplanung etabliert haben.
  • Der Sonderpreis "Beschäftigungssicherung" ging an den Betriebsrat der Siemens AG, Standort Leipzig.

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Rede des DGB-Vorsitzenden Reiner Hoffmann zur Eröffnung des Deutschen Betriebsräte-Tags 2014

Dokument ist vom Typ application/pdf.

Am 28. Oktober 2014 eröffnete Reiner Hoffmann den Deutschen Betriebsräte-Tag 2014 in Bonn. "Wir brauchen wieder mehr Demokratie in der Wirtschaft", betonte Hoffmann in seiner Eröffnungsrede. Das sei "unser Beitrag für ein gutes Leben! Für gute Arbeit, faire Löhne, humane Arbeitsbedingungen."