80 Prozent der Beschäftigten wünschen sich nach einer Auswertung des DGB-Index Gute Arbeit mehr Arbeitszeitsouveränität. Trotzdem arbeitet in Deutschland noch immer jede zweite Frau in Teilzeit, oft ihr gesamtes Erwerbsleben lang. Der DGB setzt sich für die Weiterentwicklung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes ein. Doch es gibt viele Hürden.
Die DGB-Frauen setzen zum Internationalen Frauentag 2016 einen Fokus auf die Arbeitszeit-Frage. Hier geht's zum Aufruf.
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Fakt: Jede zweite Frau in Deutschland arbeitet in Teilzeit - rund drei Viertel aller Teilzeitkräfte sind Frauen
Häufig sind familiäre Verpflichtungen und unzureichende Betreuungsangebote der Grund für eine Teilzeitarbeit oder einen Minijob. Von den elf Millionen Teilzeitkräften in Deutschland sind 8,3 Millionen Frauen. Für die Mehrheit von ihnen ist Teilzeit die dauerhafte Erwerbsform. Für Männer hingegen ist Teilzeit oft begrenzt auf Beginn oder Ende ihres Erwerbslebens. Meistens sind es also Frauen, die in der Teilzeit-Falle landen - zum Beispiel, weil sie zusätzlich zur Arbeit für Kinder, Haushalt und Angehörige sorgen. Dadurch entstehen Frauen häufiger Nachteile beim Einkommen, der Karriere und bei der sozialen Sicherung.
Daten: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus, Bearbeitung: WSI GenderDatenPortal 2015
Die Gründe für eine Teilzeittätigkeit sind vielfältig. Der häufigste Grund ist eine so genannte Fürsorgeverantwortung: Zwei Drittel der Frauen mit Kindern nennen familäre Betreuung und Pflege als Grund für Teilzeitbeschäftigung. Verändert sich die familiäre Situation, wird der Wunsch nach einer Aufstockung der Arbeitszeit laut. Ein weiterer Grund kann der Partnerschaftsstatus oder das Haushaltseinkommen sein. Bei zwei Einkommen, ist der Bedarf nach einer Aufstockung der Arbeitszeit gering. Wird der Partner aber arbeitslos oder krank, bedarf es einer Erhöhung der Arbeitszeit.
Und auch das Leisten von Überstunden kann ein Grund sein. Denn bei der Erhöhung der Arbeitszeit kann davon ausgegangen werden, dass zu den vertraglich vereinbarten Arbeitsstunden, Mehrarbeit hinzukommt. Mit der Erhöhung der Stundenzahl plus Überstunden wäre der Arbeitsumfang für Frauen besonders mit Fürsorgeverantwortung zu hoch.
DGB/Simone M. Neumann
"Wir brauchen einen gesetzlich geregelten Anspruch auf befristete Teilzeit, damit Beschäftigte ihre Arbeitszeit nach Bedarf auch wieder aufstocken können. Denn rund 3 Millionen Erwerbstätige in Deutschland wollen mehr arbeiten. Das gilt insbesondere für teilzeitbeschäftigte Frauen. Entsprechend deutlich fällt ihr Wunsch nach höheren Arbeitszeiten aus: Teilzeitbeschäftigte Frauen wollen ihre durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 19,3 um im Schnitt 13,4 Stunden erhöhen. Eindrücklicher lässt sich die Arbeitszeitlücke kaum veranschaulichen", so DGB Vize Elke Hannack zu Daten des Statistischen Bundesamtes über Arbeitszeitwünsche der Deutschen von Februar 2016.
Gemeinsame Erklärung des DGB zusammen mit dem Deutschen Frauenrat (DF), dem Bundesforum Männer, der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen (AGF), dem Zukunftsforum Familie (ZFF) und dem Sozialverband Deutschland (SoVD) vom 7. März 2016: Die Bundesregierung muss endlich ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag umsetzen und einen Rechtsanspruch auf befristetete Teilzeit und Aufstockung der Arbeitszeit schaffen.
Gemeinsame Erklärung: Raus aus der Teilzeitfalle - jetzt! (PDF, 112 kB)
In Deutschland gibt es etwa 7,3 Millionen Minijobberinnen und Minijobber - viele von ihnen Frauen. Die meisten von ihnen arbeiten im (Einzel-)Handel, in der Grundstücks- und Wohnungsverwaltung, im Gesundheits- und Sozialwesen, im Hotel- und Gastgewerbe und im verarbeitenden Gewerbe.
Minijobs reißen gravierenden Lücken in die Altersversorgung. Zum Beispiel bleiben nach 45 Jahren im Minijob gerade einmal 139,95€ ohne Rentenversicherungs-Beitrag und 182,70€ mit Rentenversicherungs-Beitrag Rente pro Monat. Die Höhe des individuell erzielten Einkommens von Beschäftigten, die nicht auf eigenen Beinen stehen können, entscheidet also darüber, ob sie aus eigener Kraft ihre Existenz sichern können.
Hans-Böckler-Stiftung
Fakt: 80 Prozent der Beschäftigten wünschen sich Arbeitszeitsouveränität
© erstellt mit Canva
80 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wollen ihren Arbeitsumfang an private Bedürfnisse anpassen können. Viele Frauen wollen ihre Arbeitszeit ausweiten, Männer dagegen oftmals reduzieren. Das ergab der DGB-Index Gute Arbeit 2015.
Das WSI Gender-Daten-Portals hat 2015 festgestellt, dass die Wochenarbeitszeiten von abhängig beschäftigten Frauen in Deutschland mit zu den niedrigsten im EU-Vergleich – Platz 2 in Europa – zählen. Die Männer liegen mit ihrer durchschnittlichen Arbeitszeitdauer hingegen im Mittelfeld. Der Abstand der Arbeitszeiten von Männern und Frauen liegt insgesamt bei 9,2 Stunden pro Woche.
Eine flächendeckende Betreuung für Kinder und Pflegebedürftige ist Voraussetzung für flexible Arbeitszeiten. Auch Anreize für partnerschaftliche Arbeitszeitverteilung, damit Pflege-, Erziehungs- und Hausarbeit nicht allein der Verantwortung der Frauen liegt, müssen geschaffen werden.
Fakt: "Klassisches" Familienmodell immer noch vorherrschend
Frauen in Paarbeziehungen möchten weniger arbeiten, Frauen ohne Partner mehr. Das kann mehrere Gründe haben: Mit einem zweiten Einkommen ist der Bedarf nach einer Arbeitszeiterhöhung und dem einhergehenden höheren Einkommen geringer. Wird der Partner krank oder erwerbslos tritt der umgekehrte Fall ein, eine Aufstockung der Arbeitszeit ist ein Muss. Auch die traditionelle Arbeitsaufteilung in Paarbeziehungen und besonders in der Ehe führt dazu, dass das klassische Ernährermodell – Mann in Vollzeit und Frau in Teilzeit – gewählt wird. Institutionelle Fehlanreize wie das Ehegattensplitting oder die Minijob-Regelungen lassen die Ausweitung der Arbeitszeit unattraktiv erscheinen. Das klassische Familienmodell "Er in Vollzeit, Sie in Teilzeit" ist oft noch immer vorherrschend.
Quelle: Keller/Haustein 2014
Hausarbeit ist und bleibt bisher oft "Frauensache". Trotz steigender Erwerbsbeteiligung tragen Frauen die Verantwortung für den Haushalt – und das überwiegend allein. Mit einer Ausweitung des Arbeitsvolumens würde die Doppel- bzw. Mehrfachbelastung zu nehmen. Viele Frauen entscheiden sich deswegen für einen Teilzeitjob. Eine stärkere Beteiligung der Männer am Haushalt würde Frauen Zeitressourcen öffnen, die sie für die Erwerbsarbeit verwenden könnten. Auch haushalts- und personenbezogene Dienstleistungen könnten bei der Neuverteilung von Haus- und Erwerbsarbeit Abhilfe schaffen.
Fakt: Überstunden bremsen Wunsch nach Aufstockung aus
Ein Großteil der Beschäftigten leistet, unabhängig davon ob teilzeit- oder vollzeitbeschäftigt, Überstunden. Es ist zu vermuten, dass Beschäftigte bei einer Erhöhung der Arbeitszeit (und zusätzlichen Aufgaben) davon ausgehen, weiterhin Überstunden leisten zu müssen. Diese Perspektive hält möglicherweise viele davon ab, mehr arbeiten zu wollen. 13 Prozent der Frauen in Teilzeit möchten ihre Arbeitszeit auf ein Vollzeitarbeitsverhältnis aufstocken, finden aber keine entsprechende Stelle. Der restliche Anteil an Frauen hat ganz unterschiedliche Gründe für eine Teilzeitbeschäftigung: Haushaltseinkommen, Fürsorgeverantwortung etc.
Statistisches Bundesamt, Arbeitsmarkt auf einen Blick - Deutschland und Europa, 2016
Der DGB möchte das Teilzeitbefristungsgesetzes (TzBfG) weiterentwickeln und setzt sich ein für:
Weitere Informationen unter www.frauen.dgb.de