Der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi hat aktuell den Vorsitz im Europäischen Rat inne. Statt Spardiktat für Europa setzt Renzi auf Wachstum durch öffentliche und private Investitionen. Ähnliches fordern der DGB und die europäischen Gewerkschaften seit Ausbruch der Krise. Der klartext.
Anfang Juli hat Italien die EU-Ratspräsidentschaft von Griechenland übernommen. In sechs Monaten geht der Vorsitz im Rat der EU dann an Lettland über. Oft bemerkt man diesen turnusmäßigen Wechsel kaum. Die Personen ändern sich, aber die Politik der EU bleibt die gleiche. Der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi will das jetzt ändern. Er fordert einen Kurswechsel, will Arbeitsplätze schaffen statt Europa weiter kaputt zu sparen. Hoffentlich ist er erfolgreich!
Quelle: www.querschuesse.de, Grafik: DGB
Unterstützt von Frankreich und Spanien will der neue Ratspräsident eine andere Lesart des Stabilitäts- und Wachstumspakts, der die strengen Regeln für Staatsschulden vorgibt, etablieren: Der Spardruck soll gelockert und öffentliche wie private Investitionen sollen gestärkt werden – notfalls kreditfinanziert. So könnten staatliche fiskalische Impulse endlich das Wachstum anregen und damit auch mehr private Investitionen nach sich ziehen. Die ökonomische Logik dahinter: Wachstum ist auch die beste Grundlage für höhere Steuereinnahmen und den Schuldenabbau.
Der italienische Vorstoß ist ein sinnvoller Wendepunkt in der europäischen Wirtschafts- und Finanzpolitik. DGB und europäische Gewerkschaften fordern Ähnliches seit Ausbruch der Krise. Bis heute beherrscht allerdings die strenge Lesart des Stabilitätspakts das Krisenmanagement. Sie setzt auf einen strikten Sparkurs und „Strukturreformen“. Letztere bestehen meist aus Flexibilisierung und Liberalisierung des Arbeitsmarktes und einer Schwächung der Arbeitnehmerrechte um die Lohnentwicklung zu drücken. Wachstum auf Pump soll verhindert werden. Doch ein Blick auf die makroökonomischen Eckdaten zeigt, wie erfolglos die bisherige Strategie war: Die Politik des harten Sparens hat die Krisenländer und mit ihnen den ganzen Kontinent in eine Rezession gestürzt. Arbeitslosigkeit und Deflationsgefahr stiegen immer weiter.
Nur langsam wird erkannt, dass eine schrumpfende Wirtschaft im Sparmodus kein Nährboden für Investitionen und Innovationen ist. Egal, was für „Strukturreformen“ angegangen wurden: Wenn Aufträge ausbleiben, wird die Produktion zurückgefahren, Arbeitsplätze werden abgebaut und die Kaufkraft weiter abgewürgt. Die Abwärtsspirale geht weiter: Lokale Märkte brechen zusammen, Unternehmen sehen keinen Sinn mehr in Neuinvestitionen. Das belegt der Rückgang der Anlageinvestitionen in Griechenland, gilt aber auch für Staaten, die weit günstigere Finanzierungsbedingungen für Unternehmen aufweisen.
Es wird Zeit für einen Kurswechsel! Der Vorstoß Italiens könnte Europa auf einen vernünftigeren Pfad führen. Doch es genügt nicht, wenn der Sparzwang gelockert und die Ausgaben ein bisschen weniger gekürzt werden. Dazu ist der Investitionsbedarf in Europa mittlerweile viel zu groß. Wir brauchen auch eine langfristig angelegte Investitionsoffensive für ein ressourcenschonendes, soziales und innovatives Wirtschaften.
Die neue Ratspräsidentschaft muss jetzt für mehr Arbeitsplätze sorgen. Italien muss sich durchsetzen.