Der neue Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat bereits durchscheinen lassen, dass er in Sachen Europapolitik einiges anders machen will. Dass muss auch für den Umgang mit Griechenland gelten. Jetzt besteht die Möglichkeit, den Forderungen nach einem solidarischen Europa konkrete Taten folgen zu lassen. Der DGB-klartext.
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Dass Wolfgang Schäuble nicht mehr deutscher Finanzminister ist, dürfte in vielen Ländern Europas heimliche Freude ausgelöst haben. Insbesondere die griechische Bevölkerung hatte in den vergangenen Jahren unter dem Kürzungskurs zu leiden, der vom deutschen Bundesfinanzministerium vorangetriebenen wurde. Seit 2010 fabulierte Schäuble immer wieder von einem Euro-Austritt Griechenlands. Bundeskanzlerin Merkel forderte, Defizitländern das Stimmrecht im Rat zu entziehen. Die Anpassungsprogramme der sogenannten Troika setzten unsoziale und kontraproduktive Reformen bei Sozialstaat, Rente und Arbeitsrecht durch und beförderten eine Zerschlagung der Tarifsysteme.
Schäubles Nachfolger, Olaf Scholz, hat bereits durchscheinen lassen, dass er in Sachen Europapolitik einiges anders machen will. Dass muss auch für den Umgang mit Griechenland gelten. Jetzt besteht die Möglichkeit, den Forderungen nach einem solidarischen Europa konkrete Taten folgen zu lassen. Denn bis Ende des Monats wollen sich die Finanzminister der Eurogruppe auf einen Fahrplan für den Abschluss des aktuellen Griechenland-Notkredit-Programms einigen, das im Sommer ausläuft.
Die französische Regierung und der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) haben verschiedene Modelle vorgelegt, wie in diesem Zusammenhang eine Schuldenerleichterung aussehen könnte. Diskutiert werden eine Verlängerung der Laufzeit der bereits vergebenen Darlehen, eine Ausweitung der Zinsstundung sowie eine Kopplung der Schuldentilgungszahlungen an die Wirtschaftsleistung. Scholz muss nun Farbe bekennen und Griechenland auch Schuldenerleichterungen gewähren. Schließlich war es der maßgeblich von Deutschland verordnete Kürzungskurs, der das griechische Bruttoinlandsprodukt (BIP) sinken und die Schuldenquote steigen ließ: Die Schuldenquote stieg von knapp 146 Prozent des BIP Ende 2010 auf voraussichtlich fast 180 Prozent im laufenden Jahr (siehe Grafik).
Quelle: Ameco; Grafik: DGB
Schuldenerleichterungen würden die Kreditwürdigkeit Griechenlands verbessern und beim Marktzugang helfen. Damit könnte sich das Land ab Sommer endlich vom Tropf der Hilfskredite lösen. Zudem sind Schuldenerleichterungen nötig, um zu verhindern, dass die Schuldenlast das aufkeimende Wirtschaftswachstum in dem Land erdrückt. Vor allem aber könnte die neue Bundesregierung damit ein klares pro-europäisches, politisches Signal aussenden.
Zentral ist aber auch: Auf keinen Fall dürfen neue Mechanismen eingeführt werden, die Griechenland auch nach dem Auslaufen des Kreditprogramms zu einem Spar- und Kürzungskurs zwingen. Die Forderung einiger Euro-Staaten, Schuldenerleichterungen an bestimmte Reformen zu knüpfen, sollte zurückgewiesen werden. Die Kürzungspolitik der letzten Jahre muss endlich ein Ende haben. Mehr Investitionen sind notwendig, um die Nachfrage anzukurbeln. Die Lohn- und Rentenkürzungen sowie die Zerschlagung der Tarifsysteme müssen rückgängig gemacht werden. Spanien und Portugal haben vorgemacht, dass eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung durch eine Abkehr von der Austeritätspolitik möglich ist. Diese Chance muss jetzt auch Griechenland bekommen.