Deutscher Gewerkschaftsbund

05.01.2016
Beamtenmagazin 11-12/2015 - Interview

Gewerkschaft der Polizei: "Wir brauchen Verstärkung"

16.000 Stellen wurden bei der Polizei in den vergangenen Jahren gestrichen

"Wir brauchen Verstärkung", sagt die Gewerkschaft der Polizei (GdP). Bei der Polizei herrsche ein "eklatanter Personalmangel", kritisiert GdP-Vize Jörg Radek. 16.000 Stellen seien in den vergangenen Jahren ersatzlos gestrichen worden. Polizeiliche Aufgaben könnten "vielfach nicht mehr in bewährter Weise erfüllt werden", so Radek im Interview mit dem DGB-Beamtenmagazin. Auch DGB-Vize Hannack fordert: Bund und Länder müssen in der Personalpolitik umsteuern.

Polizisten auf Demonstration

DGB/Simone M. Neumann

DGB-Beamtenmagazin: Polizeibeamtinnen und -beamte des Bundes haben seit Einführung der Kontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze in diesem Herbst (2015) innerhalb eines Monats eine halbe Million Überstunden geleistet. Was geht in einer solchen Ausnahmesituation in den Kolleginnen und Kollegen vor?

Jörg Radek: Die Kolleginnen und Kollegen dort sind am Limit oder schon weit darüber hinaus. Die Gesundheit leidet. Ebenso das Familienleben der Betroffenen. Eine personelle Entlastung ist dringend nötig. Stattdessen zwingt das derzeitige Recht die Polizei, gegen jeden illegal einreisenden Flüchtling eine Anzeige aufzunehmen. Dieses Prozedere ist nicht nur menschlich problematisch für die Kolleginnen und Kollegen sondern führt auch zu dem rasanten Anstieg der Überstunden.

Meldungen zu riesigen Überstundenbergen kennen wir aus den Polizeien der Länder auch aus der Zeit vor dem Anstieg der Flüchtlingszahlen. Was läuft da schief?

Tatsächlich beklagen wir bereits seit Jahren in den Polizeien in Bund und Ländern einen eklatanten Personalmangel. Dies ist das Ergebnis einer falschen Sparpolitik.

Jörg Radek, GdP

Jörg Radek, GdP GdP

Im Interview: Jörg Radek (GdP)

"Es wird auf Kosten der Kolleginnen und Kollegen und der öffentlichen Sicherheit gespart. Damit muss Schluss sein!" Das fordert Jörg Radek, der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) im Interview mit dem DGB-Beamtenmagazin im Dezember 2015. Die Ausgabe trug den Titel "Der öffentliche Dienst: Unterfinanzierter Krisenmanager". Hier lesen Sie das komplette Interview.

Beispiel Berlin: Die Polizei Berlin hat 2014 die Millionengrenze bei den Überstunden überschritten. Sie musste mehr als fünf Millionen Euro ausgeben, um diese Stunden auszuzahlen, die größtenteils über zwölf Monate alt waren. Dabei sind es neben der täglichen Verbrechensbekämpfung zum Beispiel Fußballspiele und Demonstrationen, die die Zahl der Überstunden hochtreiben. Die Flüchtlingskrise verschärft diese Entwicklung noch zusätzlich. Ohne diese Überstundenberge wäre die öffentliche Sicherheit in Deutschland gar nicht mehr aufrechtzuerhalten.

Ende November hat die GdP die bundesweite Kampagne „Wir brauchen Verstärkung“ gestartet. Welche Botschaften sollen mit ihr transportiert werden?

In den vergangenen Jahren wurden bei der Polizei 16.000 Stellen ersatzlos gestrichen, um Haushaltslöcher zu stopfen und die schwarze Null zu erreichen. Dabei nimmt die Aufgabenbelastung der Polizei nicht erst mit der Flüchtlingskrise rasant zu. Die Folge ist, dass immer weniger Polizisten immer mehr Überstunden machen. Die Krankenstände steigen.

Elke Hannack, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes

Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack DGB/Simone M. Neumann

Das sagt der DGB

Die Arbeitgeber im öffentlichen Dienst müssen endlich umsteuern, fordert die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack. "Der öffentliche Dienst lebt heute von der Substanz, seine Leistungsfähigkeit steht auf dem Spiel. Personalbedarfe werden viel stärker als in der Privatwirtschaft nur kurzfristig ersetzt. Das ist seit zwanzig Jahren gängige Praxis, so dass der Altersdurchschnitt der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes vergleichsweise hoch ist. Zwar werden regelmäßig neue Aufgaben definiert und erkannt, aber nur selten wird – wie aktuell im Zuge der Flüchtlingspolitik – der Personalbedarf erhoben und mit einer entsprechend finanzierten Einstellungspraxis verbunden."

Originäre Aufgaben können vielfach nicht mehr in bewährter Weise erfüllt werden. Es wird auf Kosten der Kolleginnen und Kollegen und der öffentlichen Sicherheit gespart. Damit muss Schluss sein! Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr Polizistinnen und Polizisten, um die Personallücke zu schließen. Die Botschaft der Kampagne lautet deshalb: Wir brauchen Verstärkung!

Nehmen wir an, die Forderung nach mehr Personal wird erhört. Woher soll der Nachwuchs kommen?

Die Polizei in Deutschland genießt eine gesellschaftlich hohe Anerkennung, sie leistet ihre Arbeit auf international höchstem Niveau. Beides darf durch billige Lösungen als Hilfsmittel der Personalverstärkung nicht gefährdet werden. Die Qualität des Personals sichert die Qualität der Arbeit. Die Suche nach schnellen Lösungen darf nicht zu Discount-Lösungen führen. Eine Absenkung der Einstellungsvoraussetzungen für den Polizeiberuf wird es deshalb mit uns nicht geben. Die GdP tritt stattdessen dafür ein, dringend erforderlichen qualifizierten Nachwuchs mit attraktiven Berufsperspektiven zu werben. Dies ist auch der Grund, weshalb wir uns seit Jahren für bessere und vor allem familienfreundlichere Arbeitszeiten, Fortbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten einsetzen.


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