Deutscher Gewerkschaftsbund

11.04.2011
Interview mit Stefan Körzell, Vorsitzender DGB-Bezirk Hessen-Thüringen

Mit Wirtschaftsförderung gegen Leiharbeit

Thüringens Initiative bundesweit beispielgebend

Die Bundesregierung verweigert sich bisher einer finanziellen Gleichstellung von Leiharbeitern und einem gesetzlichen Mindestlohn von mindestens 8,50 Euro. In den Bundesländern gibt es deshalb Initiativen zur sozialen Regulierung des Arbeitsmarktes. So garantiert seit 1. März in Rheinland-Pfalz ein Tariftreuegesetz einen Mindestlohn bei öffentlichen Aufträgen; Hamburg und Nordrhein-Westfalen planen ähnliche Regelungen.

Jetzt nutzt Thüringens Wirtschaftsminister Matthias Machnig die öffentliche Wirtschaftsförderung, um Leiharbeit unattraktiv zu machen. Stefan Körzell, Vorsitzender des DGB-Bezirks Hessen-Thüringen begrüßt diesen politischen Schritt.

Stefan Körzell (in Kassel)

Stefan Körzell

Thüringen versucht die Leiharbeit einzudämmen. Ein guter Anfang, der bundesweit beispielgebend sein sollte, sagt Stefan Körzell, Vorsitzender des DGB-Bezirks Hessen-Thüringen.

Frage: In Thüringen versucht die Landesregierung der Leiharbeit einen Riegel vorzuschieben. So sollen Unternehmen weniger öffentliche Fördergelder erhalten, wenn der Anteil der Leiharbeiter an der Gesamtbelegschaft einen bestimmte Quote überschreitet. Reicht das aus, um faire Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt zu schaffen?

Stefan Körzell: Es ist ein guter Anfang und sollte bundesweit beispielgebend sein. Wer gute Arbeit will und es ernst damit meint, der muss auch handeln. Wenn die Arbeitgeber nicht freiwillig etwas machen, muss das im Idealfall die Regierung übernehmen. Das hat sie in Thüringen getan. Und wir finden das gut.

Thüringen bezieht die Qualität der Arbeitsverhältnisse in seine Wirtschaftsförderung mit ein. Könnte das Land damit Vorbild für andere Bundesländer sein?

Auf jeden Fall. Der thüringische Wirtschaftsminister hat mit dieser Richtlinie wegweisend gehandelt. Thüringen hat das Image eines Niedriglohnlandes. Der Durchschnittslohn liegt hier bei monatlich 1914 Euro. Ein Leiharbeiter bekommt gut 60 Prozent davon, also gut 1114 Euro. Das hat zur Folge, dass viele Thüringer das Land verlassen. Alle 40 Minuten verlässt ein Thüringer sein Land. Thüringen hat jetzt schon ein Fachkräfteproblem. Wenn nichts passiert, wird das dramatisch.

Welche Optionen haben die Landesregierungen noch, um den Arbeitsmarkt sozial zu gestalten?

Thüringen zum Beispiel beschließt zurzeit ein Tariftreue- und Vergabegesetz, das noch rechtzeitig vor der Arbeitnehmerfreizügigkeit für EU-Bürger am 1.  Mai in Kraft tritt. Die Vergabe öffentlicher Aufträge wird damit an bestimmte Bedingungen wie eine Untergrenze von Bezahlung und mehr geknüpft. Länder können die Sonn- und Feiertagsarbeit reduzieren oder ganz verbieten. Sie können die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen erklären. Schließlich können sie Förderrichtlinien an gute Arbeit binden, wie Minister Machnig das getan hat.

Stichwort Equal Pay in der Leiharbeit, gesetzliche Mindestlöhne, Tariftreue: Müssen die Länder bei ihren öffentlichen Aufträgen dem Auftragnehmern hier noch genauer auf die Finger schauen?

Gesetze müssen unbedingt kontrolliert werden und es muss Sanktionsmöglichkeiten geben, sonst nutzt das beste Gesetz nichts. Wo kein Kläger, da kein Richter.

Mit welchen weiteren politischen Maßnahmen könnten Mindeststandards auf dem Arbeitsmarkt geschaffen werden?

Zentral aus unserer Sicht wäre die Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns von wenigstens 8,50 Euro die Stunde.


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