Deutscher Gewerkschaftsbund

11.04.2016
Arbeitsrecht und Sozialrecht

Betriebsratsmitglieder: Genießen auch Meinungsfreiheit

einblick 6/2016

Übt ein Betriebsratsmitglied Kritik an beabsichtigten Kontrollmaßnahmen des Arbeitgebers und greift dabei auf historische Vergleiche zurück, kann das durch die Meinungsfreiheit gedeckt sein, urteilte das Landesarbeitsgericht Düsseldorf.

Gericht, Gesetzbuch, Urteile

Der Fall: Die Arbeitgeberin betreibt ein Senioren- und Pflegezentrum. Der Arbeitnehmer, ein Altenpfleger, gehört seit 20 Jahren dem Betriebsrat an. In einer E-Mail des Betriebsratsmitglieds an die Betriebsleitung hieß es unter anderem „…wie ich erfahren habe, beabsichtigen Sie wöchentlich eine Überwachungskontrolle… der Mitarbeiter in der Pflege durchzuführen… Die Überwachung in einem totalitären Regime haben wir vor 70 Jahren hinter uns gebracht, auch wenn hier im Kleineren gehandelt wird, so ist dies der Anfang von dem, was dann irgendwann aus dem Ruder laufen kann…“ Die Arbeitgeberin beantragte beim Betriebsrat die Zustimmung zur fristlosen Kündigung des Betriebsratsmitglieds. Als diese verweigert wurde, wollte sie vor Gericht die Ersetzung der Zustimmung erreichen. Mit ihrem Antrag hatte sie keinen Erfolg.

Das Landesarbeitsgericht: Die fristlose Kündigung des Betriebsratsmitglieds ist unbegründet. Zutreffend ist, dass ein Vergleich betrieblicher Verhältnisse mit dem nationalsozialistischen Terrorregime in der Regel ein Grund für eine fristlose Kündigung ist. Eine solche Gleichsetzung ist in der E-Mail des Betriebsratsmitglieds nicht enthalten. Das Betriebsratsmitglied warnt vielmehr vor einer möglichen künftigen Entwicklung und knüpft allenfalls an die Verhältnisse der Weimarer Republik an. Es geht ihm darum, dass man Entwicklungen von Beginn an beobachten muss, „bevor etwas aus dem Ruder läuft“. Eine solche Äußerung ist von der Meinungsfreiheit geschützt.

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 4. März 2016 – 10 Ta BV 102/15


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