Der Krankenstand in der unmittelbaren Bundesverwaltung ist auf ein neues Allzeit-Hoch gestiegen. Erstmals hat er die Schallmauer von 20 Arbeitstagen durchbrochen. Welche Maßnahmen helfen, um Arbeit gesünder zu gestalten, zeigt eine neue Handlungshilfe der Bundesministerien auf. Der DGB hat sie tatkräftig mitgestaltet. Doch solche Handlungshilfen laufen ins Leere, wenn das Geld fehlt. Dort setzt eine neue Initiative des DGB an.
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Mitte November veröffentlichte das Bundesministerium des Innern (BMI) den Gesundheitsförderungsbericht 2015 der unmittelbaren Bundesverwaltung. Danach waren Beschäftigte der Bundesverwaltung im Durchschnitt an 20,25 Arbeitstagen im Jahr krank oder in Rehabilitationsmaßnahmen.
Um hier umzusteuern, setzen DGB und Gewerkschaften auf den Arbeitsschutz. Insbesondere der psychischen und physischen Gefährdungsbeurteilung kommt eine Schlüsselrolle bei der Gesunderhaltung der Beschäftigten zu: Nach dem Arbeitsschutzgesetz müssen auch öffentliche Arbeitgeber und Dienstherren systematisch ermitteln, was ihre Beschäftigten während der Arbeit gesundheitlich gefährdet. Außerdem sind Maßnahmen festzulegen und zu dokumentieren, mit denen die Gefährdungen beseitigt oder zumindest begrenzt werden. Später muss geprüft werden, ob sie auch wirken. Dabei sind alle Aspekte der Arbeit zu untersuchen, von Arbeitsstätten über Einwirkungen, Arbeitsstoffe, Arbeitsmittel bis hin zu Arbeitsmethoden, Arbeitsorganisation und Qualifikation der Beschäftigten. Es geht dabei auch um den Stress, der auf die Psyche wirkt.
Soweit die gesetzliche Theorie. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin hat festgestellt, dass 26 Prozent der Arbeitgeber bzw. Dienstherren im öffentlichen Sektor gar keine Gefährdungsbeurteilung durchführen. Weitere 13 Prozent haben zwar begonnen, aber nicht alle Schritte von der Analyse bis zur Evaluation durchgeführt. Mit 43 Prozent führt ein Großteil der Behörden zwar alle Schritte durch, übersieht dabei aber vorgeschriebene Faktoren – wie zum Beispiel die psychischen. Nur 18 Prozent der Dienststellen und Betriebe im öffentlichen Sektor haben die Gefährdung so umfassend analysiert und bekämpft, wie es das Gesetz vorschreibt.
Eine bessere Qualifizierung von Fachkräften für Arbeitssicherheit sowie der Betriebsärztinnen und -ärzte ist also überfällig. Doch das allein reicht nicht. So fordert die „Bundeskommission Beamtinnen und Beamte“ des DGB in einem Beschluss vom Oktober, dass „auch effektive Mittel dienststellenübergreifender Kontrolle bis hin zu laufbahnrechtlichen Beurteilungsmaßstäben genutzt werden, damit Leitungskräfte ihrer arbeitsschutzrechtlichen Verantwortung gerecht werden.“ Dazu müsste in den Aufsichtsbehörden mehr eingestellt werden. Außerdem müsste in der öffentlichen Verwaltung in gleichem Maße kontrolliert und sanktioniert werden wie in der Privatwirtschaft.
Doch die Gestaltung gesunder Arbeit ist nicht nur ein Thema für die Arbeitsschützerinnen und -schützer. Das neue Schwerpunktpapier „Von der Analyse zur Umsetzung: Handlungsschwerpunkte und Maßnahmen im Betrieblichen Gesundheitsmanagement“ der Bundesverwaltung zeigt auf, wie mit Querschnittsthemen wie „gesundheitsförderliches Führungsverhalten“, „Zusammenarbeit im Team“ oder „gesundheitsgerechte Arbeitszeitgestaltung“ auch diejenigen zur Gesundheit beitragen können, die für Personalentwicklung, Organisation oder Dienstrecht zuständig sind. Ebenso wie das bereits vor einem Jahr erschienene Schwerpunktpapier „Analyse im BGM der Bundesverwaltung“ setzt die Handlungshilfe darauf, Personalräte frühzeitig und umfassend einzubeziehen und die einzelnen Beschäftigten zu beteiligen. Ein Ansatz, der auch bei der Erarbeitung des Papiers galt. So zeigte sich die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack im Spitzengespräch mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière im Herbst äußerst erfreut über die sozialpartnerschaftliche Art und Weise, mit der die Zentralabteilung seines Hauses den DGB an der Erarbeitung des Rahmenkonzepts zur Weiterentwicklung des Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) beteiligt. Neben der Unfallversicherung Bund-Bahn konnte der DGB tatkräftig an den Handlungshilfen mitarbeiten und empfiehlt Personalräten, Gleichstellungsbeauftragten und Schwerbehindertenvertreterinnen und -vertretern, diese zu nutzen.
Doch was, wenn in der Behörde die Personaldecke so dünn ist, dass sich niemand um das Gesundheitsmanagement kümmern kann? Was, wenn sich die Dienststellenleitung ein Prestigeprojekt in den Kopf gesetzt hat und deshalb kein Geld für eine Beschäftigtenbefragung bleibt? Diese Frage stellten DGB-Vertreter Ende November im halbjährlich tagenden Konsultationskreis des BMI. Natürlich nicht ohne einen Vorschlag zu präsentieren: Ein gesonderter Haushaltstitel müsse her. Aus diesem sollten beispielsweise „Gesundheitskoordinatorinnen und -koordinatoren“ in den Behörden und Kosten für zentrale Analysen und Konzeptionen finanziert werden. Unbeschadet davon soll die Praxis fortgeführt werden, dass auch Ausgaben aus anderen Töpfen der Gesundheit zu Gute kommen. Zum Beispiel wenn eine Schulung neben der Personalentwicklung auch der gesundheitsförderlichen Führung und Zusammenarbeit dient. BMI-Zentralabteilungsleiter Prof. Dr. Hofmann verwies auf die gute Zusammenarbeit im Demografiedialog der Bundesregierung und dem Ressortarbeitskreis Gesundheitsmanagement und dankte für das Engagement der Sozialpartner. Ein Schwerpunktpapier zu Zielen und Strukturen für die Umsetzung des BGM sei in diesen Gremien in der Erarbeitung. Thema werde dabei auch eine geeignete finanzielle Ausstattung sein, die für eine erfolgreiche Umsetzung sicher nötig sei. Gedanken an eine eigene Berücksichtigung in der Haushaltssystematik sei man gegenüber offen. Es werden im nächsten Jahr mögliche Regelungsvorschläge ausgelotet und vorbereitet. Die Einrichtung fester Budgets ist eine wichtige Forderung der Gewerkschaften. Deshalb sind die Ankündigungen des BMI für den DGB ein erfreuliches Zeichen.