Deutscher Gewerkschaftsbund

15.05.2010

Gerettete Banken zocken mit Steuergeld

Deutschland muss bei der Regulierung der Finanzmärkte vorangehen, fordert DGB-Vorstand Claus Matecki. Die Politik sehe den Banken tatenlos zu, wie diese nach ihrer Rettung wieder zur Tagesordnung übergehen. Erste Schritte könnten eine Börsenumsatzsteuer und ein Finanzmarkt-TÜV sein, zudem müssten Leerverkäufe verboten werden, sagte der DGB-Finanzexperte in der Thüringer Allgemeinen Zeitung.

Thüringer Allgemeine: Schwarz-Gelb verabschiedet sich vorerst von Steuersenkungsplänen und wird prompt zu Etatkürzungen gedrängt. Wie verlässlich ist ihre Wirtschafts- und Finanzpolitik?

Claus Matecki: Die schwarz-gelbe Wirtschafts- und Finanzpolitik hat keine Antworten auf die Krise. Ein Staatshaushalt ist kein Privathaushalt. Wer auf krisenbedingte Steuerausfälle und Ausgabensteigerungen mit Sparpolitik reagiert, der würgt den Wachstumsmotor ab. Wer darüber hinaus, wie Ministerpräsident Koch, sogar bei Bildungsinvestitionen den Rotstift ansetzen will, der setzt die Zukunft unseres Landes auf Spiel.

Wenn Haushaltskürzungen nicht zielführend sind  - bleiben nur Steuererhöhungen als Ausweg?

Die Einnahmen des Bundes, der Länder und Kommunen reichen nicht aus um die gesellschaftlich notwendigen Aufgaben zu erbringen. Wir haben große Defizite und Nachhohlbedarf bei Bildung, Gesundheit, Umweltschutz und Infrastruktur. Das Spiegelbild der öffentlichen Armut ist aber der private Reichtum. Das private Nettovermögen ist fünfmal so hoch wie die gesamte Staatsverschuldung.

Wie können wir den privaten Reichtum zur Finanzierung unseres Gemeinwesens heranziehen?  Eine Antwort ist eine höhere Besteuerung hoher Einkommen und Vermögen. Aber auch die Finanzwirtschaft muss jetzt für den verursachten Schaden zahlen. Darüber hinaus verbessert sich die Haushaltslage durch Wachstum. Gerade deswegen dürfen wir die leichte wirtschaftliche Erholung nicht kaputt sparen.  

Sehen Sie Zeichen dafür, dass die Bundesregierung verhindern will, dass Arbeitnehmer und Steuerzahler die Kosten der Finanzmarkt-Krise tragen?

Die Steuerzahler wurden bereits für die Bankenrettung in Geiselhaft genommen. Die geretteten Banken zocken schon wieder mit diesem Steuergeld im Casino und die Politik sieht tatenlos zu: Bis heute hat die Finanzwirtschaft keinen nennenswerten Beitrag für den Rettungseinsatz aufgebracht. Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer lehnt Frau Merkel ab. Viele Arbeitnehmer verloren durch die Krise ihren Job oder mussten durch Kurzarbeit auf Lohn und Gehalt verzichten. Die Reallöhne sinken.  Zudem drohen in den klammen Städten und Kommunen höhere Kita-Gebühren, ein teurer Nahverkehr sowie die Schließung von Hallenbädern etc. Die Kopfpauschale ist ein direkter Angriff auf die solidarische Krankenversicherung.

Welche Schritte müssten aus Sicht des DGB eingeleitet werden, um das zu verhindern?

Wir werden in der Bevölkerung weiter für eine Politik werben, die grundlegende Lehren aus dieser Krise zieht. Wir brauchen Finanzmärkte, die der Realwirtschaft dienen, einen handlungsfähigen Staat, armutsfeste soziale Sicherungssysteme, gute und Existenz sichernde Arbeit, eine andere Verteilung von Einkommen und Vermögen sowie mehr Wirtschaftsdemokratie. Für viele dieser Ziele gibt es inzwischen breite gesellschaftliche Mehrheiten. Wir müssen daran arbeiten, diese Mehrheiten in Regierungspolitik zu übersetzen. Dafür braucht es Druck. Und dort, wo Schwarz-Gelb Politik gegen die Mehrheit der Bevölkerung macht, werden wir uns wehren. So organisieren wir und beteiligen uns an Bündnissen gegen den sozialen Kahlschlag in den Städten und Gemeinden und gegen die Einführung einer Kopfpauschale.

Halten sie nationale Modelle für machbar, um, wie Sie fordern, Geschäftsmodelle der Spekulanten zu zerschlagen?

Internationale Vereinbarungen sind natürlich vorzuziehen. Doch was wir aktuell erleben ist ein Spiel mit gezinkten Karten. Zunächst machen nationale Regierungen Regulierungsvorschläge um bei ihren Wählern zu punkten. Anschließend scheitern die Vorschläge am Veto einer anderen Regierung. Im Ergebnis passiert nichts. Das Casino bleibt geöffnet.

Damit muss Schluss sein. Wir könnten als ersten Schritt eine Börsenumsatzsteuer, einen Finanzmarkt-TÜV sowie ein Verbot von Leerverkäufen und anderer spekulativer Produkte national umsetzen. Wenn wir als drittgrößte Volkswirtschaft voranschreiten, werden andere folgen.

Thüringer Allgemeine Zeitung


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