Deutscher Gewerkschaftsbund

18.02.2016
Interview

Öffentlicher Dienst: "Gewerkschaften haben vor Engpässen gewarnt"

DGB-Vize Elke Hannack: "Die Behörden schaffen ihre Aufgaben noch, aber auf Kosten der Beschäftigten."

Nahaufnahme Polizeiauto

Colourbox

Ein "Staatsversagen" gibt es angesichts der aktuellen Flüchtlingssituation keineswegs, sagt DGB-Vize Elke Hannack im Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). "Die Behörden schaffen ihre Aufgaben noch, aber auf Kosten der Beschäftigten", so Hannack. "Wir brauchen eine langfristige Personalpolitik."


 

Elke Hannack, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes

DGB/Simone M. Neumann

Viele Bürger meinen, dass der Staat in der Flüchtlingskrise versagt. Haben sie recht?

Nein. Da klafft eine Lücke zwischen Wirklichkeit und Wahrnehmung. Die Defizite können immer noch ausgeglichen werden. Dennoch gilt es, den Staat personell so auszustatten, dass er seine Aufgaben besser wahrnehmen kann.

Ist der öffentliche Dienst überfordert?

Seit der Wiedervereinigung wurde im öffentlichen Dienst massiv Personal abgebaut. Wir Gewerkschaften haben immer vor Engpässen gewarnt. Mit der Flüchtlingskrise sind sie nun bemerkbar bei der Polizei, in Schulen, Kitas und in der Verwaltung. Die Behörden schaffen ihre Aufgaben noch, aber auf Kosten der Beschäftigten. Wir haben einen unglaublich hohen Krankenstand. Um die Probleme in den Griff zu kriegen, wird zwar viel nachjustiert. Aber wir brauchen eine langfristige Personalpolitik.

Auch auf Kosten eines ausgeglichenen Haushalts, auf den Ihre Partei, die CDU, großen Wert legt?

Die CDU hat zwei Wahlversprechen abgegeben: die schwarze null und keine Steuererhöhungen. Sie tat dies zu einem Zeitpunkt, als der Flüchtlingszuzug nicht absehbar war. Die Politik muss sich auf die aktuelle Situation einstellen. Das wird nicht ohne zusätzliches Geld gehen. Auch wenn es jetzt höhere Steuereinnahmen als prognostiziert gibt – das wird nicht reichen. Die Bundesregierung muss das Dogma der schwarzen Null vorerst aufgeben. Auch über höhere Steuern, etwa bei Kapitaleinkünften, wird noch zu reden sein.

Wie groß ist der Personalbedarf?

Seit 1991 wurden mehr als 2 Millionen Stellen im öffentlichen Dienst abgebaut – von 6,7 Millionen runter auf 4,7. Und in den nächsten 10 Jahren gehen mehr als eine Million Staatsbedienstete in den Ruhestand. Die müssen ersetzt und ein Teil des Personalabbaus muss rückgängig gemacht werden. Mindestens 60.000 Lehrkräfte, Erzieherinnen und Sozialpädagogen brauchen wir schon jetzt. An einer Ausbildungsoffensive im öffentlichen Sektor führt kein Weg vorbei.

Strebt die Jugend in den Staatsdienst?

Einst hatte der öffentliche Dienst als Arbeitgeber eine Vorbildfunktion. Die hat er verloren. Im öffentlichen Sektor gibt es heute mehr Befristungen als in der Privatwirtschaft. Von den 20- bis 35-Jährigen arbeiten 30 Prozent befristet – das macht den öffentlichen Dienst nicht gerade attraktiv. Entfristungen und gute Löhne sind gefragt, um gutes Personal halten und jungen Menschen Perspektiven bieten zu können.

(Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland, 16.2.2016)


Nach oben

Weitere Themen

Zu­sam­men für De­mo­kra­tie. Im Bun­d. Vor Or­t. Für Al­le.
Gruppe junger Menschen stehen lachend im Kreis und legen ihre Hände aufeinander
DGB/rawpixel/123rf.com
„Zusammen für Demokratie. Im Bund. Vor Ort. Für Alle“: Unter diesem Motto haben wir uns mit rund 50 anderen Organisationen zu einem starken Bündnis zusammengeschlossen. Gemeinsam verteidigen wir unsere Demokratie – und alle, die hier leben.
Zur Pressemeldung

1. Mai 2024: Mehr Lohn, mehr Frei­zeit, mehr Si­cher­heit
1. Mai 2024. Mehr Lohn. Mehr Freizeit. Mehr Sicherheit.
DGB
Tag der Arbeit, Maifeiertag oder Kampftag der Arbeiterbewegung: Am 1. Mai rufen wir Gewerkschaften zu bundesweiten Kundgebungen auf. 2024 steht der 1. Mai unter dem Motto „Mehr Lohn, mehr Freizeit, mehr Sicherheit". Das sind unsere 3 Kernversprechen. Wir geben Antworten auf die zunehmende Verunsicherung in der Gesellschaft.
weiterlesen …

#Ta­rif­wen­de: Jetz­t!
Infografik mit Kampagnenclaim "Eintreten für die Tarifwende" auf roten Untergrund mit weißen Pfeil, der leicht nach oben zeigt.
DGB
Immer weniger Menschen arbeiten mit Tarifvertrag. Die Tarifbindung sinkt. Dadurch haben Beschäftigte viele Nachteile: weniger Geld und weniger Sicherheit. Wir sagen dieser Entwicklung den Kampf an – zusammen mit unseren Gewerkschaften – und starten für dich und mit dir die Kampagne #Tarifwende!
weiterlesen …

ein­blick - DGB-In­fo­ser­vice kos­ten­los abon­nie­ren
einblick DGB-Infoservice hier abonnieren
DGB/einblick
Mehr online, neues Layout und schnellere Infos – mit einem überarbeiteten Konzept bietet der DGB-Infoservice einblick seinen Leserinnen und Lesern umfassende News aus DGB und Gewerkschaften. Hier können Sie den wöchentlichen E-Mail-Newsletter einblick abonnieren.
zur Webseite …