Deutscher Gewerkschaftsbund

21.12.2010

Aufsichtsrat des Monats 12/10: "Wir sind keine Co-Manager"

Andrea Kocsis: Stellvertretende Ver.di-Vorsitzende im Aufsichtsrat der Deutschen Post

Andrea Kocsis: Stellvertretende Ver.di-Vorsitzende im Aufsichtsrat der Deutschen Post. Foto: ver.di

Aufsichtsrätin des Monats Dezember ist Andrea Kocsis, 45. Die stellvertretende ver.di-Vorsitzende – zuständig für den Fachbereich Postdienste – sitzt seit 2007 im Aufsichtsrat der Deutschen Post AG. Ihr Leitmotiv als Arbeitnehmervertreterin: „Wir sind die Interessenvertretung der Beschäftigten, deshalb treffen wir notwendige Entscheidungen immer unter der Fragestellung: Was hat das für Auswirkungen auf die Beschäftigten?“ ArbeitnehmervertreterInnen seien keine Co-Manager. „Für die Interessen der Shareholder ist auch ohne uns umfassend gesorgt“, erklärt sie. Kocsis kennt das Unternehmen genau. Während des Studiums hat sie mehrere Jahre als Briefzustellerin gearbeitet. Wie diese Erfahrung ihre Arbeit im Aufsichtsrat beeinflusst und welche Themen sie dort bewegen, erklärt sie im aktuellen Fragebogen zum „Aufsichtsrat des Monats“.

1. Wenn es keine mitbestimmten Aufsichtsräte gäbe, müsste man sie erfinden, weil….

die Sichtweise der ArbeitnehmerInnen  zu einer ganzheitlichen Unternehmenspolitik unerlässlich ist und es immer gut ist, mit den Beteiligten  zu reden – anstatt nur über sie.

2. Wenn Sie einen Aspekt des deutschen Mitbestimmungsmodells weltweit einführen dürften: Welcher wäre das und warum?

Das bedeutsamste in der deutschen Mitbestimmung ist die paritätische Besetzung der Aufsichtsräte. Die Parität zwingt dazu, sich mit den Positionen der ArbeitnehmerInnen  auseinanderzusetzen, denn sie erzeugt den nötigen Druck, gemeinsam zu tragfähigen Entscheidungen zu kommen.

3. Wenn die Arbeitnehmerseite nicht aus betrieblichen und externen VertreterInnen zusammengesetzt wäre – was würde dem Aufsichtsrat fehlen?

Die GewerkschaftsvertreterInnen lenken den Blick  auf branchenspezifische und beschäftigungspolitische Aspekte über den einzelnen Betrieb hinaus. Die betrieblichen InteressenvertreterInnen sind Spezialisten für die internen Themen. Diese beiden Blickwinkel können sich hervorragend ergänzen und führen zu einer hohen Gesamtkompetenz. Wäre das nicht so, würde die Balance der verschiedenen Sichtweisen fehlen.

4. Was war bisher Ihr größter Erfolg, den Sie gemeinsam im Aufsichtsrat durchsetzen konnten?

Der größte Erfolg unsere Arbeit auf der Arbeitnehmerseite ist die wachsende Anerkennung und Akzeptanz unserer Forderungen und Positionen auch auf der Seite der Anteilseigner. Das verstärkte die Bereitschaft im Vorstand, mit uns ernsthaft über die besten Lösungen zu ringen.

5. …und was das größte Ärgernis im Laufe Ihrer Aufsichtsratstätigkeit?

Das war der Verkauf der Postbank an die Deutsche Bank. Damit wurden zwei  große Banken zu einer Megabank zusammengeführt – und das mitten in der Finanzkrise, die längst noch nicht vorbei ist. Wenn dieser Gigant wackelt, bebt die Finanzwelt, und die Steuerzahler werden alles tun müssen, um mit ihrem Ersparten den Zusammenbruch zu verhindern. Darüber hinaus sind wir nach wie vor der Meinung, dass die Postbank mit ihrem hohen postalischen Verflechtungsgrad zur Post gehört.

6. Mit Blick auf Europa und die Globalisierung: Muss sich die Arbeit der Aufsichtsräte noch weiter internationalisieren?

In einem Aufsichtsrat eines Unternehmens tätig zu sein, das in mehr als 220 Ländern seine Dienstleistungen anbietet, bedeutet, sich international vernetzen zu müssen. Da sind wir mit dem Europäischem Betriebsrat und den gewerkschaftlichen Internationalen UNI und ITF schon sehr weit in der Zusammenarbeit.

7. Der Aufsichtsrat unterstützt gute und sozial verantwortungsvolle Unternehmensführung indem …

er die Chance nutzt und bei der Vorstandsvergütung angefangen konkrete Ziele zur Nachhaltigkeit vereinbart und darüber hinaus alle Entscheidungen im Spiegel dieser Frage trifft.

Zurzeit fordern wir im Aufsichtsrat ein internationales Rahmenabkommen zu den Arbeitsbedingungen weltweit, sind aber leider noch nicht am Ziel.

8. Wer reagiert am positivsten auf Ihre Arbeit im Aufsichtsrat, wer weniger positiv?

Ich kann mich gar nicht daran erinnern, dass es negative Reaktionen gegeben hätte. Ich glaube, es ist wichtig, Transparenz über die Aufgaben des Aufsichtsrats und insbesondere über die Positionen der  ArbeitnehmervertreterInnen herzustellen, dann gibt es viel Zustimmung.

9. Das Wort, das in Vorbesprechungen der Arbeitnehmervertreter vor Aufsichtsratssitzungen am häufigsten fällt, ist…

Mir fällt kein spezielles Wort ein.

10. Action, Komödie, Tragödie, Krimi, Liebesfilm – welches Genre beschreibt Ihren Aufsichtsrat am besten? Und welchen Titel hätte ein Film über das Gremium?

Außer Liebesfilm und Horror findet alles statt. Mir als Filmliebhaberin fallen da unterschiedliche Filmtitel ein. Es geht von „ Reine Nervensache“ über „Wall Street“ oder „Das Spiel der Macht“ bis hin zu „Casino Royale“. Manchmal habe ich das Gefühl, soweit weg zu sein von der realen Welt, da würde auch (liebevoll gemeint) die „Truman Show“ passen.


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