Deutscher Gewerkschaftsbund

28.04.2004
Interview

Knut Rexed: "Moderne Verwaltung braucht ein flexibleres System"

Bei der Modernisierung des öffentlichen Dienstes könnte Deutschland von Schweden lernen, sagt Knut Rexed, Generaldirektor der schwedischen Agentur für öffentliche Verwaltungsführung (Agency for Public Management). Das System erlaubt jedem Amt eigene Personal- und Gehaltsstrukturen.

In Deutschland wird über die Modernisierung des Berufsbeamtentums debattiert. Wie leistungsfähig schätzen Sie das deutsche Beamtentum ein?

Ich kann keine sichere Antwort geben, weil diese Fragen sehr situationsabhängig sind. Unsere schwedische Erfahrung ist, dass eine moderne Verwaltung auch ein flexibleres Beamtensystem als das traditionelle braucht.  Eine globale Studie, die World Value Study, an der auch eine deutsche Universität beteiligt ist, hat auf Verschiebungen bei den dominierenden Werten der Bevölkerung in allen Ländern aufmerksam gemacht. Diese Verschiebungen sind in Schweden weiter als in Deutschland gegangen und haben es unmöglich gemacht, das alte gesetzesbasierte System zu behalten. Die öffentliche Verwaltung ist nicht mehr so homogen wie sie früher war.

Was könnte Deutschland vom schwedischen Beamten-System lernen? Wo sehen Sie Vorteile des schwedischen Systems?

Der größte Vorteil ist die Flexibilität. Jedes Amt kann seine Personalstatuten und Gehaltsstrukturen seiner eigenen Situation anpassen. Die Flexibilität macht es auch den Gewerkschaften der öffentlichen Angestellten möglich, ihre Mitglieder besser zu vertreten. Unser langsamer Reformprozess mit stufenweise Veränderungen und Auswertungen sollte auch für Deutschland verwendbar sein. Die deutschen Gewerkschaften sollten auch an den Erfahrungen der schwedischen Gewerkschaften der öffentlichen Angestellten interessiert sein.

Kennt Schweden leistungsorientierte Bezahlung der Beamtinnen und Beamten?

Das schwedische System mit individuellen und differenzierten Gehältern ist grundsätzlich eine Art von leistungsorientierter Bezahlung. Es gibt auch Ämter, die ein noch strukturierteres System eingeführt haben.

Dürfen schwedische Beamtinnen und Beamte streiken?

Alle schwedischen öffentlichen Angestellten dürfen streiken. Es gibt aber einen Grundvertrag zwischen dem Staat und den Gewerkschaften der öffentlichen Angestellten, der die Ausübung dieser Rechte reguliert. Nach diesem Vertrag sollen die Partner eine gemeinsame Kommission mit einem unabhängigen Vorsitzenden einrichten. Diese Kommission kann einen Streik völlig oder teilweise verbieten.

Modernisierung ist in Deutschland eng mit Finanzierbarkeit verbunden. Haben Sie Vorschläge für ein modernisiertes System des Berufsbeamtentums, das Kosten, aber kein Personal spart?

Nein. Meiner Meinung nach stellt sich nicht die Frage der Kostenreduktion. Stattdessen sollte nach den Voraussetzungen für eine effektive und rationelle öffentliche Verwaltung gefragt werden. Diese effektivere Verwaltung kann mehr leisten für dieselben Kosten.

Wie gelingt es in Schweden, Fachkräfte für den öffentlichen Dienst zu gewinnen und was wird getan, um ihre Führungsfähigkeit zu trainieren beziehungsweise zu stärken?

Ziemlich gut. Der öffentliche Dienst konkurriert mit anderen Arbeitgebern um dieselben Fachkräfte und muss wettbewerbsfähige Gehälter bezahlen. Die Modernisierung des öffentlichen Personalsystems hat es einfacher gemacht, Gehälter und andere Bedingungen der Marktsituation anzupassen. Es gibt kein gemeinsames System für die Auswahl und das Training der Führungskräfte. Das ist eine Aufgabe des einzelnen Amtes. Es gibt aber einen nationalen Rat für Qualität und Kompetenz in der staatlichen Verwaltung.

Auch das System der Beamtenversorgung ist in der Kritik. Wie regelt Schweden die Altersversorgung der Beamtinnen und Beamten?

Die Altersversorgung ist in einem Kollektivvertrag mit den Gewerkschaften der öffentlich Beschäftigten geregelt. Das System für die Versorgung ist neulich reformiert worden, so dass es einfacher sein soll, zwischen staatlichen, kommunalen und privaten Anstellungen zu wechseln.


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