Deutscher Gewerkschaftsbund

01.02.2013

Frauen als Familienernährerinnen unterstützen

In vier von zehn Haushalten sorgen Frauen heute für mindestens die Hälfte des Familieneinkommens - oft ist ihr Job sogar die wichtigste Einkommensquelle. DGB und Bundesfamilienministerium wollen die Situation der "Familienernährerinnen" gemeinsam verbessern. Auf einer Fachtagung Ende Januar stellten sie Ergebnisse und Ziele des Projekts "Familienernährerin" vor.

Ingrid Sehrbrock / Tagung "Familienernährerin"

Faire Chancen für "Familienernährerinnen" gibt es nur mit fairen Einkommen, erklärte DGB-Vize Ingrid Sehrbrock. Vor allem Frauen würden von der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns profitieren. DGB/Steinborn

Das klassische Rollenbild vom Mann als „Familienernährer“ ist von der Realität längst überholt. In fast 20 Prozent der deutschen Haushalte erarbeiten Frauen einen Großteil oder sogar das gesamte Familieneinkommen – entweder weil sie alleinerziehend sind oder weil sie deutlich mehr als ihr Partner verdienen. In weiteren 20 Prozent der Haushalte tragen beide Partner in etwa gleich viel zum Haushaltseinkommen bei. Viele Frauen sind „Familienernährerin“ geworden.

Mindestlohn überfällig

Der Deutsche Gewerkschaftsbund und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) haben deshalb Ende Januar auf einer gemeinsamen Fachtagung diskutiert, welche Konsequenzen sich daraus für Wirtschaft, Gesellschaft und Politik ergeben. „Die geltenden Gesetze werden der Situation von Familienernährerinnen und ihrer Lebenssituation oft nicht gerecht“, stellte Ingrid Sehrbrock, stellvertretende DGB-Vorsitzende, zum Auftakt der Tagung fest. Der hohe Anteil von Frauen, die für das Haushaltseinkommen sorgen, mache wie ein Brennglas drängende Probleme deutlich: familienunfreundliche Arbeitszeiten, fehlende Kinderbetreuungsmöglichkeiten, fehlende Entgeltgleichheit und fehlende soziale Sicherung – etwa bei Minijobs.

Projekt "Familienernährerin"

Die Fachtagung "Faire Chancen für Familienernährerinnen" am 30. Januar 2013 war Teil des Projekts "Familienernährerin", das gemeinsam vom DGB und vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) getragen wird. Diskutiert wurden die Ergebnisse der ersten Projektphase, in der erstmals umfassend das Phänomen von Frauen untersucht wurde, die den "Löwenanteil" des Familieneinkommens erwirtschaften.

Mit einer "Roadmap zur Verbesserung der Situation von Familienernährerinnen" haben DGB und BMFSFJ erste Handlungsempfehlungen erarbeitet. Die wissenschaftliche Grundlage des Projekts bilden zwei Forschungsprojekte der Hans-Böckler-Stiftung (HBS), die die Situation von Familienernährerinnen sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland untersucht haben. Zwei zentrale Ergebnisse: Viele Frauen finden sich unfreiwillig in der neuen Rolle als Hauptverdienerin wieder - zum Beispiel weil sie alleinerziehend sind oder ihr Partner arbeitslos wird. Außerdem sind viele Haushalte mit weiblichen Familienernährerinnen von prekären Lebens- und Arbeitsbedingungen betroffen. "Wir müssen politisch für diese Frauen streiten, weil sie oft nicht selbst in der Lage sind, sich politisch zu organisieren und Gehör zu verschaffen", sagte Prof. Ute Klammer auf der Fachtagung. Klammer hatte die HBS-Studie zu Familienernährerinnen in Westdeutschland geleitet.

Das Projekt "Familienernährerin" online

Sehrbrock forderte von Unternehmen, mehr für familiengerechte Arbeitszeiten zu tun und mehr Vollzeit- anstatt Teilzeitstellen oder Minijobs einzurichten. Außerdem sei auch die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro überfällig, weil überdurchschnittlich viele Frauen im Niedriglohnsektor arbeiten. „Faire Chancen für Familienernährerinnen gibt es nur mit fairen Chancen beim Einkommen“, betonte Sehrbrock.

Frauen nicht nur "Zuverdienerinnen"

Renate Augstein, Leiterin der Abteilung Gleichstellung und Chancengleichheit beim BMFSFJ, machte deutlich, dass die Rolle von Frauen als Familienernährerin von vielen Arbeitgebern noch nicht wahrgenommen werde. „Frauen unterstellt man in der Arbeitswelt immer noch automatisch, nur Zuverdienerin zu sein und nicht für elementare Dinge wie die Miete oder Lebensmittel sorgen zu müssen“, so Augstein. Die Arbeits- und die Einkommenssituation von Frauen entspreche oft noch nicht ihrer Rolle als Hauptverdienerin. Deshalb sei es wichtig, dass die von DGB und BMFSFJ erarbeitete „Roadmap“ zu Verbesserung der Situation von Familienernährerinnen umgesetzt werde.

Rechtsanspruch auf Vollzeit

Den bereits bestehenden Rechtsanspruch auf Teilzeit um einen „Rechtsanspruch zurück auf Vollzeit“ zu ergänzen, forderte Ingrid Fischbach, Fraktionsvize der CDU/CSU im Deutschen Bundestag. Rollenbilder ließen sich zwar nicht „per Gesetz ändern“, so Fischbach. Trotzdem müsse deutlich werden, dass sich die Rahmenbedingungen verändern. Kerstin Andreae, Fraktionsvize der Grünen im Bundestag, forderte mehr Bundesmittel für Qualifizierungen und Umschulungen, um die berufliche Situation von Frauen zu verbessern. „Doch leider sind die entsprechenden Mittel stetig gekürzt worden“, kritisierte Andreae die schwarz-gelbe Koalition.

Kritik an Hartz-Gesetzen

„Wir müssen bestehende Stereotype so früh wie möglich aufbrechen“, sagte Miriam Gruß, familienpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion. Es sei keine Frage des Geschlechts, ob wechselnde Rollenbilder akzeptiert würden. Das sei vielmehr eine Frage der Sozialisation. Für gesellschaftliche Veränderungen müssten deshalb „alle eingebunden werden, die am Aufwachsen von Kindern beteiligt sind“. Cornelia Möhring, Fraktionsvize von DIE LINKE im Bundestag, kritisierte vor allem die aktuelle Regelung zu Bedarfsgemeinschaften in den „Hartz-Gesetzen“ als „schlicht und einfach unwürdig“. Oft würden erwerbslose Partner, ob männlich oder weiblich, keine Grundsicherung erhalten, weil ihr Lebenspartner „zu viel“ verdiene. „Auch nicht erwerbstätige Partner sitzen nicht zuhause herum und drehen Däumchen. Auch sie leisten gesellschaftlich wertvolle Tätigkeiten“, so Möhring. Dafür müsse die Gesellschaft auch entsprechend aufkommen.


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