Die Industrie soll einen Beitrag zu guter Arbeit und gutem Leben leisten. Dies tut sie aber nicht von allein. Damit dies gelingt, müssen Politik und Sozialpartner gestaltend eingreifen um die Industrie auf Nachhaltigkeit, gute Arbeitsbedingungen und sozialen Ausgleich hin auszurichten. Der Strukturwandel muss sozialpartnerschaftlich gestaltet werden, damit er nicht zu sozialen Verwerfungen führt. Diese Themen standen im Mittelpunkt der Fachtagung „Produktion für die Gesellschaft gestalten“, die der DGB und die Friedrich-Ebert-Stiftung, vertreten durch Dr. Philipp Fink, am 21. November 2016 in Berlin veranstalteten.
DGB/Mark Bollhorst
Brigitte Zypries, parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, hob die Bedeutung der Sozialpartnerschaft für den Erfolg der deutschen Industrie hervor. Auch die „Industrie 4.0“ solle sozialpartnerschaftlich gestaltet werden. Die Staatsekretärin gab einen Überblick über die industriepolitischen Aktivitäten des Ministeriums - von der Förderung des Mittelstandes, über die Plattform-Industrie 4.0, die Unterstützung für Start-Up-Unternehmen, bis zur neuen Initiative von Minister Gabriel zur Verbesserung der digitalen Ausstattung von Berufsschulen.
Prof. Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg präsentierte Ergebnisse seiner Studie zu den Folgen der Digitalisierung für den Arbeitsmarkt in Deutschland bis 2030. Laut der Studie droht eher kein Abbau von Arbeitsplätzen, aber ein tiefgehender Strukturwandel, der sich in grundlegenden Veränderungen der Berufsbilder niederschlägt. Dem Verlust von Arbeitsplätzen im Bereich geringer Qualifikation stehen demnach neue Beschäftigungsfelder bei höher qualifizierten Aufgaben gegenüber. Größere Aktivitäten in der Aus- und Weiterbildung sind gefragt, um diesen Wandel bewältigen zu können.
Wolfgang Lemb, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, betonte die Stärken der Industrie in Deutschland: Diese liegen in hoher Qualität, Tarifverträgen, der Mitbestimmung, der Qualifikation der Beschäftigten und der Vielfalt an Unternehmen und Branchen. Um auch in Zukunft die Stärken der Industrie zu erhalten, muss der Staat mehr in die Erhaltung der Infrastruktur investieren. Für die Elektromobilität präsentierte Wolfgang Lemb ein Fünf-Punkte-Programm der IG Metall. Die IG Metall fordert die Stärkung alternativer Antriebe und anspruchsvolle Abgasgrenzwerte. Zugleich muss der Strukturwandel in der Automobilindustrie gestaltet werden, damit Strukturbrüche vermieden und Risiken nicht einseitig zu Lasten der Beschäftigten abgewälzt werden.
In der Podiumsdiskussion mit Vertretern von BDA, BDI und Gewerkschaften zu sozialpartnerschaftlichen Perspektiven der Industriepolitik wurde die große Bedeutung der Sozialpartnerschaft für den Erfolg der Industrie von allen Seiten betont. Die Einbeziehung der Sozialpartner in die Industrie- und Strukturpolitik muss eine größere Bedeutung gewinnen. Die Gestaltung des Strukturwandels durch Tarifverträge stößt aber dort an Grenzen, wo die Tarifbindung fehlt. Die Stärkung der Tarifbindung ist deshalb auch zur Bewältigung der Herausforderungen durch den Strukturwandel essenziell.
Zum Abschluss debattierten in einer zweiten Podiumsdiskussion Vertreter der Bundestagsfraktionen und DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell über konkretere Anforderungen an die Gestaltung der Industriepolitik. Für die Beteiligung der Beschäftigten an den Chancen der Digitalisierung ist die Stärkung von Aus-, Fort- und Weiterbildung entscheidend. Auch gibt es trotz Schuldenbremse finanziellen Spielraum für Investitionen in die Infrastruktur oder in die Berufsschulen, der genutzt werden muss. Die Mitbestimmung wird für die Bewältigung des Strukturwandels entscheidend sein. Die Sicherung der Mitbestimmung auch bei plattformvermittelter Arbeit („Betriebsrat in der Cloud“) wird in Zukunft eine Rolle spielen, darf aber nicht davon ablenken, dass auch von den herkömmlichen Betrieben sehr viele noch keinen Betriebsrat haben.