Deutscher Gewerkschaftsbund

11.09.2015
FR-Kolumne „Gastwirtschaft“

Krankenversicherung: Gemeinsame Finanzierung ist zeitgemäß

Die Kosten im Gesundheitsbereich wachsen rasant – bis 2019 um geschätzte 3,5 Milliarden Euro. Kosten, die alleine die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung tragen  müssen. Höchste Zeit einen großen politischen Fehler zu korrigieren und die Arbeitgeber wieder angemessen an den Gesundheitskosten zu beteiligen, schreibt Annelie Buntenbach in der Frankfurter Rundschau.

Annelie Buntenbach, DGB-Vorstandsmitglied

DGB/Simone M. Neumann

Annelie Buntenbach ist Mitglied des DGB-Bundesvorstandes. Sie schreibt regelmäßig als Autorin für die Kolumne Gastwirtschaft der Frankfurter Rundschau.

Die paritätische Finanzierung von Gesundheit war im „sozial ist, was Arbeit schafft“-Mainstream von gestern unter die Räder gekommen. Dabei ist sie ganz sicher kein verstaubtes Relikt alter Tage und auch nicht allein eine Frage der Gerechtigkeit. Die paritätische Finanzierung ist im Zusammenspiel von Sozialversicherung und Arbeit schlichtweg sinnvoll. Denn sie sorgt unter anderem dafür, dass sich Arbeitgeber beim Arbeitsschutz keinen schlanken Fuß auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung machen. Jedes Jahr entstehen enorme Kosten, weil Arbeitgeber ihren Pflichten beim Arbeitsschutz nicht nachkommen. Allein die berufsbedingten physischen Erkrankungen verursachen Kosten von 26 Milliarden Euro pro Jahr. Ganz zu schweigen vom menschlichen Leid, das sich hinter dieser schwindelerregenden Zahl verbirgt.

Viele Leistungen finanzieren die Versicherten selbst

Aber die Arbeitnehmerseite muss noch mehr schultern. Viele Leistungen zahlen Arbeitnehmer ohnehin schon anteilig oder komplett selbst, zum Beispiel Medikamente, Krankenhausaufenthalte und Zahnersatz. So kommt bei allen privaten Haushalten im Jahr mit rund 17 Milliarden Euro eine stolze Summe zusammen. Hinzu kommt der Arbeitnehmer-Zusatzbeitrag, der die Schieflage verstärkt.

Die  Grenze des Zumutbaren ist längst überschritten

Gleichzeitig werden die Rücklagen des Gesundheitsfonds aufgefressen. Es ist ein offenes Geheimnis, dass der Arbeitnehmer-Zusatzbeitrag in den kommenden Jahren weiter steigen wird. Für einen Durchschnittsverdiener bedeutet das, bis 2019 für den Zusatzbeitrag jährlich zwischen 706 und 983 Euro mehr auf den Tisch zu legen. Das müssen nur die Versicherten aufbringen, seit der Arbeitgeberbeitrag durch den Gesetzgeber eingefroren worden ist. Die Grenze des Zumutbaren ist für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer längst überschritten.

Politischer Fehler muss korrigiert werden

Doch die Kosten im Gesundheitsbereich wachsen stetig und rasant, bis 2019 um rund 3,5 Milliarden Euro. Die Arbeitnehmer-Zusatzbeiträge sind inzwischen das einzige Ventil für die Krankenkassen, um den Kostendruck auszugleichen. Es ist höchste Zeit einen großen politischen Fehler zu korrigieren, der allein den Arbeitnehmern alle zukünftigen Kostensteigerungen aufbürdet. Die Arbeitgeber müssen sich endlich wieder angemessen an den Gesundheitskosten beteiligen.

Frankfurter Rundschau, 11.09.2015


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Annelie Buntenbach: Kolumnen zu Wirtschaft, Arbeit, Sozialpolitik

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