Deutscher Gewerkschaftsbund

20.11.2018
Bewertung des Eckpunktepapiers der Bundesregierung

Fachkräfteeinwanderung aus Drittstaaten: Sozialpartner einbeziehen

Das Kabinett hat am 2. Oktober ein „Eckpunktepapier zur Fachkräfteeinwanderung aus Drittstaaten“ beschlossen. Auf dieser Basis sollen rechtliche Rahmenbedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Erwerbstätigen aus Drittstaaten angepasst oder neu geregelt werden. Der DGB kritisiert, dass die im Koalitionsvertrag festgelegten Ziele bisher nur unzureichend umgesetzt worden sind. Es braucht jetzt ein neues Regelwerk, das sich nicht nur am kurzfristigen Bedarf der Unternehmen orientiert.

Mann mit Weltkugel in der Hand

DGB/nito500/123RF.com

Zuwanderung als Baustein zur Fachkräftesicherung

Der DGB begrüßt die Einigung im Kabinett; vor allem, weil die Bundesregierung die Zuwanderung als Baustein zur Fachkräftesicherung betrachtet und sie ihre Anstrengungen prioritär auf die Hebung und Sicherung der inländischen Potenziale richtet. Dass in diesem Zusammenhang ausdrücklich auch Geflüchtete mit Beschäftigungserlaubnis benannt werden, wird ebenfalls begrüßt. Nicht ausreichend und interpretationsbedürftig dagegen sind die Vorschläge für einen verlässlichen Status für Geduldete, die ihren Lebensunterhalt durch Erwerbsarbeit sichern. Der DGB fordert weitergehend ein echtes Bleiberecht und die Schaffung von Möglichkeiten für einen Spurwechsel.

Flächendeckende arbeitsrechtliche Beratung für Zugewanderte aus Drittstaaten

Der DGB ist überzeugt, dass Lohndumping und Verdrängung inländischer Arbeitskräfte verhindert werden muss. Deshalb lehnt er eine Zuwanderung ab, die nicht mit einer vollen Einhaltung der gesetzlichen bzw. tarifvertraglichen Standards verknüpft ist. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind so auszugestalten, dass eine Gleichbehandlung bei den Arbeits- und Entlohnungsbedingungen gewährleistet und die Möglichkeiten zur Durchsetzung verbessert werden müssen. Dies schließt eine flächendeckende Unterstützung arbeitsrechtlicher Beratung für Zugewanderte aus Drittstaaten ein.

Sozialpartnerschaftliche Engpassanalysen ermöglichen

Der DGB begrüßt die Aussage im Eckpunktepapier, an der Prüfung der Arbeitsbedingungen durch die Bundesagentur für Arbeit festzuhalten. Die Arbeitsbedingungsprüfung sollte allerdings – soweit europarechtlich nicht ausgeschlossen – Bestandteil aller Verfahren zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu Erwerbszwecken werden. Der DGB kritisiert die Ausrichtung der vorgeschlagenen Erleichterungen zur Fachkräfteeinwanderung auf die Befriedigung kurzfristiger Arbeitskräftebedarfe der Unternehmen. Vorgeschlagen wird, die Zuwanderung von Personen mit Arbeitsplatzangebot und anerkannter Berufsausbildung künftig in allen Berufen zu ermöglichen. Gleichzeitig sollen ausgewählte Engpassberufe für die Zuwanderung von Personen mit „ausgeprägten berufspraktischen Kenntnissen“ geöffnet werden. Beiden Vorschlägen ist gemeinsam, dass sie die besondere Situation in den Branchen, einschließlich der dortigen unterschiedlichen Beschäftigungsformen, nicht berücksichtigen. Angesichts einer erforderlichen Orientierung der Zuwanderung an den langfristigen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt, hält der DGB gemeinsam mit den Sozialpartnern erstellte Engpassanalysen für Berufsgruppen und Branchen für zwingend erforderlich. Auf deren Basis können Berufsgruppen und Branchen für die Zuwanderung geöffnet werden und die individuelle Vorrangprüfung kann wegfallen.

Gleichwertigkeitsprüfungen im Anerkennungsverfahren vereinfachen

Das im Eckpunktepapier formulierte Ziel, die Gleichwertigkeitsprüfungen im Anerkennungsverfahren möglichst schnell und unkompliziert zu gestalten, wird vom DGB begrüßt. Er ist überzeugt, dass vor allem Fragen der Kostenübernahme neu geregelt werden müssen. Zudem ist eine Implementierung eines Validierungsverfahrens zur Erfassung non formal und informell erworbener Kompetenzen erforderlich.

Unterstützung von ausländischen Standorten deutscher Unternehmen

Aus Sicht des DGB ist ein verbessertes Marketing, inklusive einer Unterstützung von ausländischen Standorten deutscher Unternehmen bei einer „Überbedarfausbildung“ und dem Umbau von www.make-it-in-germany.com“ zu einem Dachportal, nicht ausreichend. Erforderlich sind bilaterale Vermittlungsabsprachen und Investitionen in die Ausbildungssysteme der Herkunftsländer, um deren Interessen zu berücksichtigen.

Förderung der deutschen Sprache im Ausland

Deutschsprachförderung im Ausland ist ein wichtiger Beitrag zur Kulturförderung und zur Förderung der deutschen Sprache im Ausland. Sie sollte, wie im Eckpunktepapier beschrieben, weiter ausgebaut werden. Sie darf aber nicht zur Herstellung von Voraussetzungen für die Anwerbung von Arbeitskräften funktionalisiert werden.

Erleichterungen beim Arbeitgeber- oder Tätigkeitenwechsel

Der DGB unterstützt außerdem das Ziel, die Verwaltungsverfahren im In- und Ausland effizienter und transparenter zu gestalten. Er sieht aber – anders als die Bundesregierung – auch Probleme im sogenannten one-stop-goverment, nach dem die Ausländerbehörde für die Erteilung oder Veränderung des Aufenthaltstitels zuständig ist. Gerade im Fall eines Arbeitgeberwechsels sollte auf ein umfassendes aufenthaltsrechtliches Verfahren verzichtet werden; ausreichend ist die Prüfung der Arbeitsbedingungen bei dem neuen Arbeitgeber durch die Bundesagentur für Arbeit.

Ziele nur unzureichend erfüllt

Die vorgeschlagenen Eckpunkte erfüllen – aus Sicht des DGB – die im Koalitionsvertrag gesetzten Ziele nur unzureichend. Statt die volkswirtschaftlichen Erfordernisse zum Ausgangspunkt für die Zuwanderung von Fachkräften zu nehmen, orientieren sich die Vorschläge am kurzfristigen Bedarf der Unternehmen. In den Eckpunkten fehlen Aussagen, wie die bereits bestehenden Regelungen zusammengefasst und transparenter gestaltet werden sollen. Dies war aber im Koalitionsvertrag angekündigt worden. Insofern handelt es sich bei den Eckpunkten nicht um das im Koalitionsvertrag angekündigte neue Regelwerk, sondern lediglich um den Versuch, durch neue Regelungen die Zuwanderung von Erwerbstätigen zu erweitern bzw. an einigen Stellen neue Hürden aufzubauen.


Die gesamte DGB-Stellungnahme zum DOWNLOAD:

DGB-Bewertung zum Eckpunktepapier der Bundesregierung zur Fachkräftezuwanderung (PDF, 226 kB)

Bewertung des Deutschen Gewerkschaftsbundes zum Eckpunktepapier der Bundesregierung zur Fachkräftezuwanderung vom 02.10.2018


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