Deutscher Gewerkschaftsbund

01.08.2011
Kampf gegen Lohndumping

Tariftreue: Bundesländer koppeln Aufträge an Tarifstandards und Mindestlöhne

Der Schock saß tief: 2008 kassierte der Europäische Gerichtshof die Tariftreue-Regelungen des Landes Niedersachsen. Die Bundesländer konnten damit die Vergabe öffentlicher Aufträge nicht mehr von der Anwendung bestimmter Tarifverträge abhängig machen, Lohndumping drohte. Doch drei Jahre nach dem "Rüffert-Urteil" zeichnet sich ein Comeback der Vergabegesetze ab. Die Länder haben auf das Urteil reagiert und machen ihre Gesetze europatauglich.

Grafik Tariftreue-Regelungen in Deutschland

Vier Bundesländer haben einen Tariftreue-Regelung für öffentliche Auträge, acht planen die Einführung. In fünf Bundesländer gelten Mindestlöhne für öffentliche Aufträge oder die Einführung ist geplant. WSI Tarifarchiv 2011 - (c) Hans-Böckler-Stiftung 2011

8,62 Euro Lohn in der Stunde muss ein Unternehmen in NRW künftig seinen Beschäftigten zahlen – wenn es einen öffentlichen Auftrag haben will. So steht es im Gesetzentwurf zum Tariftreue- und Vergabegesetz, das die Regierung des bevölkerungsreichsten Bundeslandes jetzt dem Landtag vorgelegt hat. Ein „klares Zeichen gegen Sozialdumping und für faire Löhne“, meint Wirtschaftsminister Harry Voigtsberger.

Damit reiht sich NRW in die Reihe der Länder ein, die gesetzlich gegen mögliches Lohndumping bei öffentlichen Aufträgen vorgehen. Bald dürfte wieder der Zustand von 2008 erreicht sein, als bereits zehn Bundesländer die Auftragsvergabe an bestimmte Tarifstandards gekoppelt hatten. Das so genannte Rüffert-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hatte diese Regelungen für unwirksam erklärt.

Der Anwalt Dirk Rüffert hatte 2006 als Insolvenzverwalter gegen das niedersächsische Tariftreuegesetz geklagt. Zwei Jahre später gab ihm der EuGH Recht. Die Tariftreueklauseln ständen der europäischen Entsenderichtlinie entgegen, so das Gericht. Die Landesregierungen setzen bald daraufhin bestehende Regelungen zur Tariftreue aus.

Doch die Bundesländer haben aus dem Urteil des EuGH gelernt. Acht von ihnen haben ihre Tariftreuegesetze inzwischen an das Europarecht angepasst. In vier weiteren Ländern– darunter auch NRW - wurden Gesetze auf den Weg gebracht.

Um die Novellen europarechtskonform zu gestalten, setzen die Länder an drei Punkten an:

  1. Fällt eine Branche unter das Entsendegesetz, muss das Unternehmen mindestens den branchenspezifischen Mindestlohn zahlen.
  2. In den meisten Bundesländern wird für den Verkehrssektor eine umfassende Tariftreueerklärung verlangt, die sich in der Regel auf den repräsentativen Tarifvertrag bezieht. Dabei handelt es sich um den Vertrag, den die Mehrzahl der Arbeitgeber anwendet. Das ist möglich, denn das Rüffert-Urteil gilt nicht für den Verkehrssektor.
  3. Einige Länder, mit NRW wären es fünf, verlangen zudem einen vergabespezifischen Mindestlohn. Der Auftragnehmer muss jedoch die Branchen-Tariflöhne zahlen, wenn sie höher als der Mindestlohn sind.

Nur in Bayern, Hessen, Sachen und Schleswig-Holstein gibt es derzeit weder Tariftreueregelungen, noch sind sie offiziell geplant.

Übersicht:Tariftreuegesetze in den Bundesländern

Stand Juli 2011, Quelle: WSI (PDF)

Bundesland Gesetze
Tariftreue für Branchen mit allgemeinverbindlichem Tarifvertrag nach dem AEntG Umfassende Tariftreue für den Verkehrssektor Vergabe-spezifischer Mindestlohn
Bundesländer mit gültigen Tariftreuegesetzen

Berlin

Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetz vom 8.6.2010

Alle Branchen im AEntG

Ja

Auftraggeber gibt Tarifvertrag vor

7,50 € pro Stunde

Bremen

Tariftreue- und Vergabegesetz, 24.11. 2009

Alle Branchen im AEntG

Ja

Repräsentativer TV

8,50 € pro Stunde

Hamburg

Hamburgisches Vergabegesetz (HmbVgG), aktuelle Fassung vom 27.4.2010

Alle Branchen im AEntG

Nein

Nein

Mecklenburg-Vorpommern

Vergabegesetz Mecklenburg-Vorpommern (VgG M-V), 28.6.2011

Verweis auf bundesgesetzliche Bestimmungen

Ja

Repräsentativer TV

Nein

Niedersachsen

Niedersächsisches Landesvergabegesetz (LVergabeG), 15.12.2008

Nur Bauindustrie

Nein

Nein

Rheinland-Pfalz

Landesgesetz zur Gewährleistung von Tariftreue und Mindestentgelt bei öffentlichen Auftragsvergaben, 17.11.2010

Alle Branchen im AEntG

Ja

Repräsentativer TV

8,50 € pro Stunde

Saarland

Saarländisches Vergabe- und Tariftreuegesetz, 15.09.2010

Alle Branchen im AEntG

Ja mehrere TV möglich

Nein

Thüringen

Thüringer Vergabegesetz, 15.04.2011

Alle Branchen im AEntG

Ja

Auftraggeber gibt Tarifvertrag vor

Nein

Tariftreuegesetze geplant

Baden-Württemberg

Koalitionsvertrag Bündnis90/Die Grünen  und SPD (2011) sieht Einführung eines Vergabegesetzes vor.

Alle Branchen im AEntG

Ja

Repräsentativer TV

8,50 € pro Stunde

Brandenburg

Entwurf Brandenburgisches Vergabegesetz,01.04.2011

Alle Branchen im AEntG

Ja

Auftraggeber gibt Tarifvertrag vor

8,00 € pro Stunde

Nordrhein-Westfalen

Entwurf zum Tariftreue- und Vergabegesetz Nordrhein-Westfalen –TVgG–NRW, Juni 2011

Alle Branchen im AEntG

Ja

Repräsentativen TV

8,62 Euro pro Stunde

Sachsen-Anhalt

Koalitionsvertrag von SPD und CDU sieht Neufassung eines Vergabegesetzes vor.

Gesetzentwurf der Landesregierung soll 2012 vorgelegt werden

Weitere Infomationen zum Thema

WSI-Tarifarchiv: Tariftreue bei öffentlichen Aufträgen

NRW: Kabinett billigt Tariftreuegesetz


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