Der Schock saß tief: 2008 kassierte der Europäische Gerichtshof die Tariftreue-Regelungen des Landes Niedersachsen. Die Bundesländer konnten damit die Vergabe öffentlicher Aufträge nicht mehr von der Anwendung bestimmter Tarifverträge abhängig machen, Lohndumping drohte. Doch drei Jahre nach dem "Rüffert-Urteil" zeichnet sich ein Comeback der Vergabegesetze ab. Die Länder haben auf das Urteil reagiert und machen ihre Gesetze europatauglich.
8,62 Euro Lohn in der Stunde muss ein Unternehmen in NRW künftig seinen Beschäftigten zahlen – wenn es einen öffentlichen Auftrag haben will. So steht es im Gesetzentwurf zum Tariftreue- und Vergabegesetz, das die Regierung des bevölkerungsreichsten Bundeslandes jetzt dem Landtag vorgelegt hat. Ein „klares Zeichen gegen Sozialdumping und für faire Löhne“, meint Wirtschaftsminister Harry Voigtsberger.
Damit reiht sich NRW in die Reihe der Länder ein, die gesetzlich gegen mögliches Lohndumping bei öffentlichen Aufträgen vorgehen. Bald dürfte wieder der Zustand von 2008 erreicht sein, als bereits zehn Bundesländer die Auftragsvergabe an bestimmte Tarifstandards gekoppelt hatten. Das so genannte Rüffert-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hatte diese Regelungen für unwirksam erklärt.
Der Anwalt Dirk Rüffert hatte 2006 als Insolvenzverwalter gegen das niedersächsische Tariftreuegesetz geklagt. Zwei Jahre später gab ihm der EuGH Recht. Die Tariftreueklauseln ständen der europäischen Entsenderichtlinie entgegen, so das Gericht. Die Landesregierungen setzen bald daraufhin bestehende Regelungen zur Tariftreue aus.
Doch die Bundesländer haben aus dem Urteil des EuGH gelernt. Acht von ihnen haben ihre Tariftreuegesetze inzwischen an das Europarecht angepasst. In vier weiteren Ländern– darunter auch NRW - wurden Gesetze auf den Weg gebracht.
Um die Novellen europarechtskonform zu gestalten, setzen die Länder an drei Punkten an:
Nur in Bayern, Hessen, Sachen und Schleswig-Holstein gibt es derzeit weder Tariftreueregelungen, noch sind sie offiziell geplant.
Stand Juli 2011, Quelle: WSI (PDF)
Bundesland | Gesetze |
Tariftreue für Branchen mit allgemeinverbindlichem Tarifvertrag nach dem AEntG | Umfassende Tariftreue für den Verkehrssektor | Vergabe-spezifischer Mindestlohn |
Bundesländer mit gültigen Tariftreuegesetzen | ||||
---|---|---|---|---|
Berlin |
Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetz vom 8.6.2010 |
Alle Branchen im AEntG |
Ja Auftraggeber gibt Tarifvertrag vor |
7,50 € pro Stunde |
Bremen |
Tariftreue- und Vergabegesetz, 24.11. 2009 |
Alle Branchen im AEntG |
Ja Repräsentativer TV |
8,50 € pro Stunde |
Hamburg |
Hamburgisches Vergabegesetz (HmbVgG), aktuelle Fassung vom 27.4.2010 |
Alle Branchen im AEntG |
Nein |
Nein |
Mecklenburg-Vorpommern |
Vergabegesetz Mecklenburg-Vorpommern (VgG M-V), 28.6.2011 |
Verweis auf bundesgesetzliche Bestimmungen |
Ja Repräsentativer TV |
Nein |
Niedersachsen |
Niedersächsisches Landesvergabegesetz (LVergabeG), 15.12.2008 |
Nur Bauindustrie |
Nein |
Nein |
Rheinland-Pfalz |
Landesgesetz zur Gewährleistung von Tariftreue und Mindestentgelt bei öffentlichen Auftragsvergaben, 17.11.2010 |
Alle Branchen im AEntG |
Ja Repräsentativer TV |
8,50 € pro Stunde |
Saarland |
Saarländisches Vergabe- und Tariftreuegesetz, 15.09.2010 |
Alle Branchen im AEntG |
Ja mehrere TV möglich |
Nein |
Thüringen |
Thüringer Vergabegesetz, 15.04.2011 |
Alle Branchen im AEntG |
Ja Auftraggeber gibt Tarifvertrag vor |
Nein |
Tariftreuegesetze geplant | ||||
Baden-Württemberg |
Koalitionsvertrag Bündnis90/Die Grünen und SPD (2011) sieht Einführung eines Vergabegesetzes vor. |
Alle Branchen im AEntG |
Ja Repräsentativer TV |
8,50 € pro Stunde |
Brandenburg |
Entwurf Brandenburgisches Vergabegesetz,01.04.2011 |
Alle Branchen im AEntG |
Ja Auftraggeber gibt Tarifvertrag vor |
8,00 € pro Stunde |
Nordrhein-Westfalen |
Entwurf zum Tariftreue- und Vergabegesetz Nordrhein-Westfalen –TVgG–NRW, Juni 2011 |
Alle Branchen im AEntG |
Ja Repräsentativen TV |
8,62 Euro pro Stunde |
Sachsen-Anhalt |
Koalitionsvertrag von SPD und CDU sieht Neufassung eines Vergabegesetzes vor. |
Gesetzentwurf der Landesregierung soll 2012 vorgelegt werden |