Deutscher Gewerkschaftsbund

08.11.2013
klartext 40/2013

Europa: Der Kürzungskurs schafft Deflation

Es ist nicht lange her, da schürten Politiker und Medien die Inflationsangst. Doch zuletzt blieb die Preissteigerung unter einem Prozent, der Eurozone droht nun sogar eine Deflation. Leitzinssenkungen  reichen nicht aus, um erfolgreich gegenzusteuern: Für mehr Wachstum brauchen wir ein Ende des EU-Spardiktats.

Es ist nicht lange her, da schürten Politiker und Medien Inflationsangst. Die Europäische Zentralbank (EZB) drucke Geld und halte die Zinsen niedrig – deshalb komme es bald zur Geldentwertung, so das allgemeine Mantra. Jetzt ist klar: Das Gegenteil ist der Fall.

Vergangene Woche meldete das europäische Statistik­amt die niedrigste Inflationsrate seit vier Jahren: Im Oktober stiegen die Verbraucherpreise in der Eurozone nur noch um 0,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das ist weit weg vom angestrebten Wert. Denn die EZB sieht Preisstabilität nicht bei null Prozent Inflation gegeben, sondern wenn die Preise um etwas weniger als zwei Prozent im Jahr steigen. Fällt die Inflation für längere Zeit darunter, besteht Deflationsgefahr.

Das heißt: Es droht eine Abwärtsspirale im Euroraum. Die Preise sinken, Geld wird „teurer“ und damit auch die Verschuldung. Bestehende Schulden werden dadurch immer schwieriger aus den laufenden (stagnierenden) Einkommen zu bedienen. Es drohen Zahlungsausfälle. Gleichzeitig wird es unattraktiver, neue Kredite aufzunehmen. Schließlich ist jeder heute geliehene Betrag bei der Rückzahlung real schon mehr wert. Ohne Kredite wird auch nicht investiert – die Wirtschaft bricht ein, Preise und Einkommen sinken weiter. Griechenland befindet sich bereits in einer Deflation, andere Euro-Staaten stehen kurz davor.

Diagramm: Preissteigerung in der Eurozone im Vergleich zum Vorjahr, in Prozent

Im Oktober stiegen die Verbraucherpreise in der Eurozone nur noch um 0,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Bei einer Preissteigerung unter 2 Prozent im Jahr besteht Deflationsgefahr. DGB

Es ist Aufgabe der Zentralbank, für stabile Preise zu sorgen, also auch Deflation zu verhindern. Sie hat dazu insbesondere geldpolitische Instrumente: Sie kann die Zinsen niedrig halten und viel Geld in Umlauf bringen, um Investitionen anzuregen. Bei guter Konjunktur herrscht schließlich eine hohe Nachfrage – die Unternehmer können höhere Preise verlangen und die Gefahr einer Deflation ist gebannt. Tatsächlich fährt die EZB seit Beginn der Krise einen solchen expansiven Kurs – sie versorgt Banken großzügig mit frischem Geld und hat die Leitzinsen auf nie dagewesene 0,25 Prozent gesenkt. Mehr ist kaum möglich!

Dennoch zeigt die expansive Geldpolitik keine ausreichende Wirkung. Das Bemerkenswerte: Es ist die EZB selbst, die ihre eigene Geldpolitik ausbremst. Während ihr geldpolitischer Kurs klar auf mehr Kreditaufnahme, mehr Nachfrage und stabil steigende Preise gerichtet ist, zielt der Rest der EZB-Politik auf das Gegenteil.

Als Teil der so genannten „Troika“ zwingt die EZB zusammen mit der EU-Kommission und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) den Krisenländern einen radikalen Kürzungskurs auf. Staatsausgaben werden gesenkt, Löhne gedrückt, die Nachfrage in den Krisenländern bricht ein. In einer solchen Situation müssen Unternehmer immer niedrigere Preise verlangen, um noch etwas absetzen zu können – die Deflation ist im Gange. Auch in ihrer Rolle als einflussreiche wirtschaftspolitische Beraterin fordert die EZB immer wieder flächendeckend niedrigere Löhne, mehr Liberalisierung und in der Folge sinkende Preise für die Eurozone.

Um Deflation zu verhindern und Wachstum zu fördern, braucht es also vor allem ein Ende von Spardiktat und Lohnkürzung. Darüber kann die EZB nicht alleine entscheiden. Sie könnte ihren Einfluss in der Wirtschaftspolitik aber zur Abwechslung zum Guten nutzen.


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