Deutscher Gewerkschaftsbund

17.07.2013

Investition in die Zukunft: Ein neuer Marshallplan für Europa

Die Kürzungspolitik der EU führt den Kontinent immer tiefer in die Depression. Auch in Nicht-Krisenstaaten schwindet die Zukunftsfähigkeit. Nur eine Investitionsoffensive,  ein neuer „Marshallplan" macht Europa  wieder wettbewerbsfähig und schafft wirtschaftlichen Erfolg: Für ein neues Vertrauen der Europäer in die Zukunft ihrer Länder und in Europa als Ganzes.

Von Claus Matecki, DGB-Vorstandsmitglied

"Die Lösung ist, das Vertrauen der Europäer wieder herzustellen – in die wirtschaftliche Zukunft ihrer Länder und von Europa als Ganzem." So beschrieb George C. Marshall 1947 den Zweck des Aufbauprogramms der USA für Europa. Wenig später hatte dieser „Marshallplan“ rund 14 Milliarden US-Dollar in das vom Krieg zerstörte Europa geleitet (nach heutigen Wert 135 Milliarden Dollar). Eisenbahn und Straßen wurden ausgebaut, die Industrie wurde erneuert, der Plan zu einem Grundstein des wirtschaftlichen Erfolgs.

Nicht nur in Krisenstaaten schwindet die Zukunftsfähigkeit

Heute leidet Europa nicht unter Kriegsfolgen, dafür aber unter den Folgen einer zerstörerischen Krise: In einigen Ländern ist jeder Vierte arbeitslos, Armut breitet sich aus. Die Kürzungspolitik führt immer tiefer in die Depression und zerstört Wirtschaftsstrukturen. Auch in Nicht-Krisenstaaten schwindet die Zukunftsfähigkeit: In Deutschland rotten Straßen, Brücken und Abwasserkanäle vor sich hin. Es gibt weder genug Kindertagesstätten noch genug altersgerechten Wohnraum. Europa versagt im Kampf gegen den Klimawandel. Der Investitionsbedarf ist immens.

Porträt Claus Matecki

DGB/Simone M. Neumann

Deshalb schlägt der Deutsche Gewerkschaftsbund einen auf zehn Jahre angelegten neuen „Marshallplan für Europa“ vor. Eine Investitionsoffensive von jährlich 260 Milliarden Euro, zwei Prozent des EU-BIP, soll die Voraussetzung für Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftlichen Erfolg Europas schaffen. Investitionen von jährlich 150 Milliarden Euro in erneuerbare Energien, Netze und energetische Gebäudesanierung senken den EU-Energiebedarf und die Brennstoffimporte langfristig um jährlich 300 Milliarden Euro. 60 Milliarden Euro schaffen eine nachhaltige Verkehrsinfrastruktur und angemessen ausgestattete Krankenhäuser und Schulen in Europa. Zulagen und zinsgünstige Kredite in Höhe von 30 Milliarden Euro könnten private Investitionen in Aufbau und Erhalt industrieller Strukturen fördern, die wegen Rezession und Bankenkrise nicht vorankommen.

Staatsanleihen werfen keine Zinsen mehr ab

Die Europäische Union kann das aus eigener Kraft stemmen – ohne die EU-Schuldengrenzen und den Fiskalpakt zu verletzen. In Westeuropa gibt es rund 27 Billionen Euro an privatem Geldvermögen. Krisenbedingt fehlt es aber an sicheren Anlageformen – etwa für Versicherungen und Pensionsfonds. Der letzte sichere Hafen sind deutsche Staatsanleihen. Doch die werfen praktisch keine Zinsen mehr ab.

Dem Investitionsbedarf in Europa steht also Anlage suchendes Kapital gegenüber. Um beides zusammenzubringen, fordert der DGB, einen „Europäischen Zukunftsfonds“, der vom Europäischen Parlament kontrolliert wird. Dieser Fonds gibt verzinsliche Anleihen aus und schafft so Anlagemöglichkeiten. Zins- und Tilgungszahlen kommen aus den Einnahmen einer Finanztransaktionssteuer. Damit der Fonds genug Kapital einsammeln kann, muss er als solventer Schuldner gelten. Dazu braucht er genug Eigenkapital, das durch eine einmalige Vermögensabgabe aufgebracht werden kann.

Der Marshallplan würde die EU-Wirtschaftsleistung um rund 400 Milliarden Euro pro Jahr erhöhen. Eine gute Grundlage für neun bis elf Millionen zusätzliche Vollzeitjobs, und zusätzliche Einnahmen an Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen. Mit Prosperität und Wohlstand für alle wächst dann auch wieder das Vertrauen der Europäer – in die Zukunft ihrer Länder und in Europa als Ganzes.

Gastbeitrag im Handelsblatt, 17.07.2013


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