Die Einwohnerzahl Deutschlands wird in den nächsten Jahrzehnten voraussichtlich weiter schrumpfen. Dennoch bleibt der Bedarf an neuen Wohnungen nach wie vor groß – vor allem in den Ballungzentren. Mehr Singlehaushalte und verstärkte Zuwanderung sind die Gründe. Der DGB-klartext fordert einen Masterplan gegen die Wohnungsnot.
DGB/Simone M. Neumann
Die Städte und vor allem Ballungszentren ziehen die Menschen wieder stärker an. Grund: Arbeitsplätze, mehr Angebot an Infrastruktur und attraktives urbanes Leben. Doch immer mehr Menschen stoßen auf weniger bezahlbare Wohnräume. Das trifft einkommensschwache Arbeitnehmerhaushalte am stärksten. Die Mietpreisbremse wirkt bestenfalls dämpfend. Manche Fachkraft lehnt bereits heute Jobangebote aus Metropolen mit dem Verweis auf die teuren Lebenshaltungskosten ab oder muss ins Umland ziehen, auch wenn dies aus städtebaulichen- und Klimaschutzgründen nicht wünschenswert ist. Von langen Arbeitswegen und Vereinbarkeit von Arbeit und Familie ganz zu schweigen.
Lange Zeit galt die Wohnungsfrage als politisch gelöst, weil Politik und Gesellschaft von sinkenden Einwohnerzahlen ausgingen. Doch obwohl die Einwohnerzahl Deutschlands wahrscheinlich in den nächsten Jahrzehnten sinken wird, ist der Bedarf an Wohnraum nach wie vor groß. Mehr Singlehaushalte und verstärkte Zuwanderung sind die Gründe. Während zahlreiche Bundesländer mit Abwanderung der Bevölkerung zu kämpfen haben, boomen die bundesdeutschen Groß- und Universitätsstädte. Studien des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) und der Bertelsmann Stiftung kommen zu ähnlichen Ergebnissen. Bayern wird bis 2030 um 3,5 % an Bevölkerung zulegen, Baden-Württemberg um 2,1 % sowie Hessen um 1,8 %. Die Stadtstaaten Berlin und Hamburg wachsen voraussichtlich um 10,3 % bzw. 7,5 %. Gleichzeitig schrumpfen Sachsen-Anhalt um 13,6 %, Thüringen um 9,9 % sowie das Saarland um fast 8 %. Dies zeigt: Wohnraum wird nach wie vor benötigt, es kommt nur darauf an wo.
Quelle: DGB; Bertelsmann-Stiftung
Deutschland wächst und schrumpft gleichzeitig. Wohnen darf jedoch auch in Ballungsgebieten und Universitätsstädten nicht zum Luxusgut werden. Der Rückzug der Politik aus dem sozialen Wohnungsbau war ein schwerer Fehler, der dringend rückgängig gemacht werden muss. Wohnungsmärkte sind keine Kartoffelmärkte auf denen die reine Lehre von Angebot und Nachfrage gelten darf. Wohnen ist ein elementares Grundbedürfnis.
100.000 neue preis- und belegungsgebundene Wohnungen müssen jährlich bereitgestellt werden, um auslaufende Sozialbindungen auszugleichen. Das reicht aber bei Weitem nicht aus. Wir brauchen in Deutschland regional differenziert einen Wohnungsneubau von 250.000 bis 300.000 Wohnungen. Darüber hinaus müssen die 30 Millionen Wohnungen in Deutschland, die Energiefresser sind, energetisch saniert werden. Zudem altert unsere Gesellschaft rasant. Sinnvoll wäre es, den altersgerechten Umbau stärker zu fördern. Eine solche wohnungspolitische Offensive wird wie ein Konjunkturprogramm für die örtliche Handwerks- und Dämmstoffindustrie wirken.
Deutschland braucht für eine in die Zukunft gerichtete Wohnungspolitik einen Masterplan mit dem Ziel, den alten Bestand an Wohnungen zu modernisieren und mit Neubauten der Wohnungsnot entgegenzuwirken. Schuldenbremse und schwarzer Null zum Trotz.