Deutscher Gewerkschaftsbund

09.11.2017
DGB-Forderungen für Jamaika-Sondierungen

Für mehr Gerechtigkeit: Wohngeld und Kindergeld reformieren

Geringverdienende unterstützen und Kinderarmut bekämpfen

Schattenseiten im "Wohlfühl-Land": Im reichen Deutschland liegt die Armutsquote bei fast 20 Prozent, für viele Menschen wird Wohnen zum Luxus. Daran muss sich dringend etwas ändern - zum Beispiel durch schnelle und massive Investitionen in den sozialen Wohnungsbau und Reformen bei Wohn- und Kindergeld.

Vater, Sohn und Mutter an einer Gartenhecke.

DGB/Simone M. Neumann

Berliner Zeitung: Armutsbekämpfung Gewerkschaftsbund fordert mehr Kinder- und Wohngeld

Armut in einem reichen Land

Steigende Beschäftigung, sinkende Arbeitslosigkeit - trotzdem gelten in Deutschland 16 Millionen Menschen als arm. Und obwohl immer mehr Alleinerziehende arbeiten, ist das Armutsrisiko in Ein-Eltern-Familen besonders hoch: Die Hälfte aller Kinder in Armut lebt bei Alleinerziehenden, zu 90 Prozent Mütter.

Offenbar sind Löhne und Sozialleistungen heute häufig zu niedrig, um wirksam vor Armut zu schützen. In Mehrpersonenhaushalten können auch Mindest- und Tariflöhne nicht immer sicherstellen, dass ein Haushaltseinkommen erreicht wird, das ein Leben unabhängig von Hartz IV ermöglicht. Dazu kommt, dass der Kinderzuschlag nach geltendem Recht bei vielen Familien, die dringend Unterstützung brauchen, nicht ankommt - und dass das Wohnen in vielen Städten immer teurer wird.

Reformvorschläge des DGB

Der DGB fordert deshalb, kinderbezogene Leistungen und das Wohngeld grundlegend zu reformieren und zu verbessern. Das Ziel: Kein Haushalt mit einem Einkommen aus Vollzeit-Erwebstätigkeit soll Hartz IV beziehen müssen, nur weil er Kinder hat oder die Wohnkosten zu hoch sind.

  • Kindergeld

Nach akueller Rechtslage können einkommensschwache Familien zusätzlich zum Kindergeld einen Kinderzuschlag von bis zu 170 Euro pro Kind erhalten. Das Problem: Diese Leistung kommt nicht bei den Geringverdienerinnen und Geringverdienern an. Schätzungen zufolge bekommen nur ein Drittel der anspruchsberechtigten Familien den Zuschlag. Die Gründe: Die Leistung ist kaum bekannt und muss extra beantragt werden, Antragsstellung und Antragsprüfung sind kompliziert und aufwendig. Außerdem hat sie mehrere Konstruktionsfehler. Dazu gehört unter anderem, dass der Zuschlag nicht mit dem Alter der Kinder steigt und für Alleinerziehende keinen Mehrbedarf vorsieht.

Annelie Buntenbach, DGB-Vorstandsmitglied

DGB/Simone M. Neumann

Annelie Buntenbach, DGB-Vorstandsmitglied:

Die nächste Bundesregierung muss die Kinderarmut bekämpfen, denn Armut grenzt Kinder aus und raubt ihnen Zukunftschancen. Ein höheres Kindergeld für Geringverdiener ermöglicht mehr soziale Teilhabe und kann vielfach den Gang zum Jobcenter vermeiden helfen.“

Der DGB fordert, den Kinderzuschlag zu streichen und stattdessen beim Kindergeld eine einkommensabhängige Komponente einzuführen. Bei einem solchen „Zwei-Komponenten-Kindergeld“ erhalten alle Eltern wie heute und unabhängig von ihren Einkommen das Basis-Kindergeld, das aktuell 192 Euro beträgt, jedoch auf 207 Euro erhöht werden sollte. Einkommensschwache Familien erhalten darüber hinaus einen einkommensabhängigen Zusatzbetrag, der die Höhe des Kindergeldes deutlich steigert. Dieser sollte nach dem Alter der Kinder gestaffelt werden.

Damit erhöht sich unter dem Strich der Höchstbetrag pro Kind deutlich. Aktuell liegt die maximale Geldleistung – altersunabhängig – bei 362 Euro (Summe aus 192 Euro Kindergeld und 170 Euro Kinderzuschlag). Mit der Einführung der einkommensabhängigen Komponenente und der Staffelung nach dem Alter bekämen einkommensschwache Haushalte für Kinder unter sechs Jahren maximal 369 Euro, für sechs bis 13-jährige Kinder maximal 442 Euro und für Kinder ab 14 Jahre maximal 465 Euro im Monat.

  • Wohngeld

Einen ähnlichen Konstruktionsfehler wie beim Kinderzuschuss gibt es beim Wohngeld. Es ist als Zuschuss zu den Wohnkosten konzipiert. Der Anspruch ist abhängig von der Haushaltsgröße, dem Einkommen und der Miete bzw. den Kosten für Wohneigentum. Alerdings wird das Einkommen aus Erwerbstätigkeit hier deutlich schärfer angerechnet wird als im Hartz-IV-System. Das führt zu der absurden Situation, dass beispielsweise Single-Haushalte schon bei einem Brutto-Einkommen von rund 1.340 Euro keinen Anspruch mehr auf Wohngeld haben, wohl aber auf ergänzende Hartz-IV-Leistungen. Gerade bei Alleinstehenden, die nur den Mindestlohn verdienen, läuft das Wohngeld damit ins Leere und bietet keinen wirksamen Schutz, um einen Hartz-IV-Bezug zu vermeiden.

DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell

DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell DGB/Simone M. Neumann

Stefan Körzell, DGB-Vorstandsmitglied:

„Die neue Bundesregierung und die Länder müssen schnellstens massiv in den sozialen Wohnungsbau investieren und die Mietpreisbremse verschärfen. Bis die Wohnungsnot behoben ist – es gibt in Großstädten inzwischen hunderte Bewerbungen auf eine Wohnung – sollte ein verbessertes Wohngeld gezahlt werden, damit mehr Menschen eine bezahlbare Wohnung finden können.“

Der DGB fordert, die Anrechnung von Erwerbseinkommen im Wohngeldrecht zu entschärfen und zusätzlich zum bestehenden pauschalen Abzug der Werbungskosten (1.000 Euro/Jahr) einen Freibetrag für Erwerbstätige einzuführen, entsprechend den Regelungen bei Hartz IV. Dieser neue Freibetrag beläuft sich auf 2.600 € im Jahr. Zusammen mit der Werbungskostenpauschale nach geltendem Recht ergibt sich damit eine einheitliche Einkommensbereinigung bei Hartz IV und beim Wohngeld.

Der zusätzliche Freibetrag für Erwerbstätige führt außerdem dazu , dass der Anspruch auf Wohngeld im Vergleich zum geltenden Recht erst bei einem höheren Einkommen erlischt und damit mehr Haushalte einen Anspruch auf Wohngeld erhalten. Bei bereits bestehenden Ansprüchen führt die geringere Anrechnung von Erwerbseinkommen dazu, dass ein höherer Wohngeldbetrag ausgezahlt wird.


Weitere Infos zu den Wirkungen und Kosten der Reform:


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