Deutscher Gewerkschaftsbund

01.02.2012
Standpunkte zur Hochschule der Zukunft

Leitbild "Demokratische und Soziale Hochschule“ - Sattelberger: "Kostenloses Studium ist gesellschaftspolitisch ungerecht"

Das Leitbild "Demokratische und Soziale Hochschule“ in der Diskussion

Von Thomas Sattelberger, Personalvorstand Deutsche Telekom AG

Autonomie, Ergebnisorientierung und gesellschaftliche Verantwortung der Hochschulen wie auch eine wettbewerblich organisierte Spitzenförderung in Forschung und Lehre prägen die aktuelle hochschulpolitische Diskussion. Zwar gehen diese Anstrengungen zur Modernisierung der Hochschulen in die richtige Richtung. Doch um für die Herausforderungen der Zu­kunft gerüstet zu sein, müssen noch andere wichtige Stellschrauben gedreht werden.

Sowohl die Gewerkschaftsseite als auch die Wirtschaft haben zu Beginn des Jahres 2010 ihre Leitbilder zur Hochschule der Zukunft der Öffentlichkeit vorgestellt. BDA und BDI formulieren in ihrem gemeinsamen Leitbild „Die Hochschule der Zukunft“ ihre Vision der Hoch­schule im Jahr 2020 – mit praktischen Implikationen für Hochschulen, Politik und Gesell­schaft.

Auch aus Sicht der Wirtschaft muss die Durchlässigkeit beim Hochschulzugang deutlich erhöht werden – wer studierfähig ist, muss auch studieren dürfen.

Beide Leitbilder ähneln sich in zahlreichen Punkten. Auch aus Sicht der Wirtschaft muss die Durchlässigkeit beim Hochschulzugang deutlich erhöht werden – wer studierfähig ist, muss auch studieren dürfen. Wir brauchen mehr Angebote im Bereich der wissenschaftlichen Weiterbildung und zur Sicherung unserer Fachkräftebasis müssen die Hochschulen internationaler werden. Wie die Gewerkschaften will auch die Wirtschaft dem Thema Diversity in den Hochschulen mehr Gewicht verleihen und diese zum Beispiel stärker für junge Menschen mit Migrationshintergrund öffnen, aber auch mehr Frauen für MINT-Studiengänge gewinnen. Auch die Gewerkschaften sehen in einer wissenschaftlichen Berufsausbildung einen elementaren Pfeiler des Studiums und betonen die Persönlichkeitsbildung. Die Wissenschaft­lichkeit sollte aber nicht wie eine Monstranz auf einer Fronleichnamsprozession vor sich her­getragen werden. Beschäftigungsfähigkeit ist das elementare Ziel des Studiums, ohne wel­che weitere Elemente des Studiums nicht fruchtbar werden.

Neben diesen Ähnlichkeiten gibt es aber auch Punkte im Leitbild der Gewerkschaften, denen deutlich zu widersprechen ist. Warum werden Wettbewerbsmechanismen und wirtschaftliche Interessen einseitig negativ beurteilt und ihnen ein Bezug zu gesellschaftlicher Verantwortung generell abgesprochen? Auch die Bezeichnung gebührenpflichtiger weiterbildender Studienangebote als "Bezahlstudium" ist ideologisch verzerrt. Studiengebühren gerade auf dem Weiterbildungsfeld sind unverzichtbar als Einnahmequelle für die Hochschulen und Studiengebühren generell sind wichtig: Auch wenn der Anteil der Studiengebühren nur knapp 5 % der Hochschuleinnahmen im Jahr 2008 ausmachte, so haben sich die Studien­bedingungen hierdurch doch deutlich verbessert. Der Konstanzer Studienqualitätsmonitor zeigt, dass Studierende in Bundesländern, wo Gebühren für das Erststudium erhoben wer­den, in der Regel zufriedener mit dem Lehrangebot sind als Kommilitonen in Nicht-Gebüh­renländern.

Wollte man den finanziellen Nettovorteil, den ein Hochschulabsolvent bis zum Ende seines Berufslebens im Schnitt hat, vollständig über Studiengebühren ausgleichen, müssten die Universitäten Studiengebühren von 5.300 € pro Semester verlangen.

Das wichtigste Argument ist aber – und dieses sollte insbesondere bei den Gewerkschaften auf offene Ohren stoßen –, dass ein kostenloses Studium gesellschaftspolitisch ungerecht ist. Die Mehrheit der Nichtakademiker finanziert den in der Regel später gut verdienenden Hochschulabsolventen den Großteil des Studiums. Wollte man den finanziellen Nettovorteil, den ein Hochschulabsolvent bis zum Ende seines Berufslebens im Schnitt hat, vollständig über Studiengebühren ausgleichen, müssten die Universitäten Studiengebühren von 5.300 € pro Semester verlangen. Auch die höheren Steuern, die gut verdienende Akademiker im Laufe ihres Erwerbslebens bezahlen, kompensieren den finanziellen Vorteil eines kostenlo­sen Studiums bei weitem nicht.

Ebenso wird das in diesem Jahr startende Deutschland-Stipendium von der Gewerkschaftsseite stark kritisiert. Zwar ist auch das Bafög aus Sicht der Wirtschaft ein wichtiges Instru­ment der Studienförderung, aber es muss dringend ergänzt werden durch eine an Leistungs­kriterien orientierte Förderung. Stipendienprogramme stellen eine wichtige Form der Zu­sammenarbeit zwischen Unternehmen oder Wirtschaftsorganisationen und Hochschulen dar. Intelligent gestaltet, profitieren alle Partner hiervon: Studierende können durch die verbes­serte Finanzierung ihres Studiums konzentrierter und fokussierter lernen und profitieren zu­dem von der ideellen Förderung durch den Stipendiengeber. Hochschulen mit eigenen Sti­pendienprogrammen sind für begabte Studieninteressierte besonders attraktiv – gerade auch für solche, deren Studienentscheidung durch finanzielle Sicherheit bestärkt wird. Unternehmen kommen durch eigene Stipendienprogramme frühzeitig in unmittelbaren Kontakt mit Studierenden und können zugleich ihre Kooperationen mit Hochschulen ausbauen.

Auch die Deutsche Telekom AG unterstützt das Deutschland-Stipendium. In den kommenden vier Jahren wird der Konzern insgesamt 360 Studierende im Rahmen des Deutschland­stipendiums unterstützen. Das Unternehmen setzt so ein Zeichen für die Förderungsbereit­schaft der Wirtschaft und stärkt die Stipendienkultur in Deutschland. Mein Unternehmen wird sich vor allem für die MINT-Fächer einsetzen. Hier ist insbesondere bei den Absolventinnen noch viel Luft nach oben. Vor allem richten sich die Telekom-Stipendien auch an junge Men­schen aus nichtakademischen Elternhäusern.


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