Deutscher Gewerkschaftsbund

04.04.2013

Ausbildung stärker für Hauptschüler öffnen

Jeder zweite Jugendliche mit Hauptschulabschluss bleibt nach der Schule ohne Ausbildungsplatz – Tendenz steigend. Unternehmen sollten gezielt auch vermeintlich schwächere Jugendliche ausbilden, sagt die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ingrid Sehrbrock. Doch dafür müssen die Betriebe mehr ausbildungsbegleitende Hilfen erhalten.

Zur Lage auf dem Ausbildungsmarkt erklärt die stellvertretende DGB-Vorsitzende, Ingrid Sehrbrock:

„Weite Teile der Wirtschaft haben die Hauptschüler anscheinend abgeschrieben. Immer weniger Unternehmen geben diesen jungen Menschen eine Chance auf einen Ausbildungsplatz. Trotz merklich sinkender Bewerberzahlen ist in den vergangenen Jahren der Anteil der Hauptschüler im Übergangssystem gestiegen. Mittlerweile haben 52 Prozent der Jugendlichen in den Warteschleifen einen Hauptschulabschluss. Die Unternehmen sollten endlich mehr jungen Menschen mit Hauptschulabschluss die Chance auf eine Ausbildung geben. Gerade junge Menschen die an der Schule Probleme hatten, blühen im betrieblichen Alltag oft geradezu auf.

Die Klagen über den Fachkräftemangel und die schlechten Chancen von Hauptschülern auf dem Ausbildungsmarkt passen nicht zusammen. Die ‚faktische Abschottung` vieler Ausbildungsberufe für Jugendliche mit niedrigeren Schulabschlüssen muss beendet werden. Betriebe sollten bei der Auswahl der Auszubildenden gezielt auch vermeintlich schwächere Jugendliche in die Ausbildung übernehmen. Hierzu brauchen die Unternehmen auch Hilfe. Deshalb sollten ausbildungsbegleitende Hilfen zu Regelangeboten für die Betriebe ausgebaut werden. Für jeden Auszubildenden wird dabei ein individueller Förderplan in Abstimmung mit dem Ausbildungsbetrieb erstellt, anhand dessen die Lernschritte und Lernerfolge verfolgt werden können. Das unterrichtende Personal setzt sich in der Regel aus erfahrenen Ausbildern und Lehrkräften zusammen. Die sozialpädagogischen Mitarbeiter/-innen unterstützen die Auszubildenden bei deren beruflichen und privaten Problemen und helfen bei Lernproblemen und Prüfungsangst. Die ausbildungsbegleitenden Hilfen sind wirksam: 83 Prozent der Jugendlichen sind sechs Monate nach der Ausbildung in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung.“

Zahlen und Fakten zum Ausbildungsmarkt

Tabelle 1: Zusammensetzung der ausbildungsinteressierten Jugendlichen im Jahr 2012

Insgesamt Ausbildungsinteressierte

824.626

Junge Menschen mit Ausbildungsvertrag

551.271

Bewerber in Warteschleifen mit Vermittlungsauftrag

60.379

Bewerber in Warteschleifen ohne Vermittlungsauftrag

107.393

Bewerber, deren Verbleib nicht bekannt ist

89.933

Offiziell unversorgte Bewerber

15.650

 

Tabelle 2: Schulabschluss der jungen Menschen im Übergangsbereich 2011

Land

ohne HS-Abschluss

mit HS-Abschluss

mit mittlerem Abschluss

mit Hochschulreife

Sonstige und ohne Angabe

Baden-Württemberg

11,4

51,5

35,8

1,2

0,1

Bayern

23,9

60,4

14,0

1,2

0,5

Berlin

28,6

56,2

14,5

0,3

0,3

Brandenburg

45,4

35,9

15,2

2,4

1,1

Bremen

24,2

27,6

28,7

0,7

18,8

Hamburg

38,7

49,7

10,7

0,6

0,2

Hessen

18,7

58,4

19,2

0,9

2,9

Mecklenburg-Vorpommern

51,8

31,2

15,9

0,9

0,2

Nieder­sachsen

19,0

39,0

39,8

1,0

1,3

Nordrhein-Westfalen

22,3

49,1

23,9

3,2

1,3

Rheinland-Pfalz

16,0

76,2

7,4

0,3

0,2

Saarland

21,0

72,1

5,8

0,9

0,2

Sachsen

45,4

39,2

14,0

0,8

0,7

Sachsen-Anhalt

47,0

37,6

14,7

0,5

0,3

Schleswig-Holstein

13,6

73,0

12,7

0,4

0,2

Thüringen

41,3

46,6

11,3

0,6

0,1

Deutschland

20,6

52,0

24,9

1,5

1,1

Quelle: Klemm, Klaus: Was kostet eine Ausbildungsgarantie in Deutschland, Studie im Auftrag der Bertelsmann Stiftung, Gütersloh, September 2012. Download PDF

 

Tabelle 3: Durchschnittliches Einstiegsalter in eine Ausbildung im Dualen System / nach Schulabschluss

 

Insgesamt

ohne HS-

Abschluss

mit HS-Abschluss

mit mittlerem

Abschluss

Durchschnittsalter

19,5

19,9

19,2

19,0

Quelle: Nationaler Bildungsbericht 2012

Die Fakten

  • Der Nationale Bildungsbericht 2012 spricht von einer „faktischen Abschottung“ der Hälfte der Ausbildungsberufe für Jugendliche mit maximal einem Hauptschulabschluss. (Nationaler Bildungsbericht 2012, S. 122)
  • Der Anteil der jungen Menschen mit maximal einem Hauptschulabschluss ist von 2006 bis 2011 von 42 auf 43,7 Prozent gestiegen. Die Wirtschaft nutzt die demografische Chance – seit 2001 ist die Zahl der Bewerber um 178.000 gesunken – nicht, um diesen Menschen endlich eine Ausbildung zu geben.
  • Rund 2,2 Millionen Menschen im Alter von 20 bis 34 Jahren haben keinen Berufsabschluss. 45,2 Prozent von ihnen verfügen aber über einen Hauptschulabschluss. Das heißt rund eine Million Hauptschüler machen keine Berufsausbildung.
  • Mittlerweile ist das durchschnittliche Einstiegsalter in eine duale Ausbildung bei den Jugendlichen auf 19,5 Jahre gestiegen. Noch in der Mitte der 90er Jahre lag das Durchschnittsalter bei 18,5 Jahren. Dabei fällt auf, dass das höchste Durchschnittsalter bei den Jugendlichen ohne Hauptschulabschluss (19,9 Jahre) liegt. Erst dann folgen die Jugendlichen mit Hauptschulabschluss (19,2) und diejenigen mit mittlerem Abschluss (19,0). Das bedeutet: Je niedriger der Schulabschluss, desto später der Einstieg in eine berufliche Bildung (siehe Tabelle 3).
  • Die Quote der Ausbildungsbetriebe hat mit 21,7 Prozent den niedrigsten Stand seit 1999 erreicht. Die Zahl der unterzeichneten Ausbildungsverträge liegt bei 551.271. Seit der Wiedervereinigung hat es nur 2005 einen niedrigeren Wert gegeben.
  • Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) prognostiziert für 2013 ein neues historisches Rekordtief:  Die Zahl der neuen Ausbildungsverträge wird demnach in einem Bereich von 525.700 bis 560.900 liegen. Im Vergleich: Die Vorjahresprognose des BIBB war „zu optimistisch“. Die Zahl der Ausbildungsangebote lag rund 3.000 Plätze unterhalb des Schätzintervalls. Dabei wird 2012 die Zahl der nicht-studienberechtigten Schulabgänger zunehmen – und zwar um 17.200 (3,2 Prozent) (Votum der Gruppe der Beauftragten der Arbeitnehmer zum Entwurf des Berufsbildungsbericht 2013)
  • Es gibt noch genügend Nachfrage: Das BIBB zeigt, dass von den 824.626 jungen Menschen, die im Laufe des Berichtsjahrs 2012 ein ernsthaftes Interesse an einer Ausbildung haben – und als ausbildungsreif eingestuft wurden – lediglich 551.271 einen Ausbildungsvertrag unterschrieben haben. Damit haben nur 66,9 Prozent dieser jungen Menschen einen Ausbildungsplatz gefunden (siehe Tabelle 1). (Votum der Gruppe der Beauftragten der Arbeitnehmer zum Entwurf des Berufsbildungsbericht 2013)

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