Über Jahre wurde vorgerechnet, es könne bis zu 22.000 zusätzliche Lehrstellen jährlich geben, wenn mehr zweijährige Ausbildungsplätze angeboten würden. Doch sie finden kaum Anklang. Außerdem sind die Chancen auf dem Arbeitsmarkt nach einer kurzen Ausbildung geringer.
Zum 1. August treten zehn Verordnungen für modernisierte Ausbildungsberufe im dualen Ausbildungssystem in Kraft - unter anderem Geomatiker, Milchtechnologe, Papiertechnologe. Damit wurden 10 der 349 derzeit zur Wahl stehenden staatlich anerkannten Ausbildungsberufe auf den neuesten Stand gebracht und bieten damit für Betriebe und junge Menschen gute Voraussetzungen für die kommenden Jahre. Zweijährige Ausbildungsberufe sind nicht darunter.
„Fachkräfte mit drei- oder dreieinhalbjähriger Ausbildung sind für Betriebe und Jugendliche die erste Wahl, weil sie eine breite Grundlage bieten und den Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt entsprechen“, sagte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ingrid Sehrbrock am Donnerstag in Berlin.
Über Jahre seien phantastische Rechnungen aufgemacht worden, dass jährlich bis zu 22000 zusätzliche Lehrstellen geschaffen werden könnten, wenn man mehr zweijährige Berufe anböte. Tatsache ist: Über die Hälfte der zweijährigen Ausbildungsverträge wurde für den Beruf VerkäuferIn abgeschlossen. In anderen Branchen finden sie kaum Anklang und sind auch nicht krisenfest. Dies zeigt auch der Rückgang der abgeschlossenen Ausbildungsverträge 2009 um 20 Prozent (-1081) bei Maschinen- und AnlagenführerInnen und 21 Prozent (-513) bei TeilezurichterInnen. „Von den nur 274 ÄnderungsschneiderInnen brechen fast 40 Prozent die Ausbildung ab. Die Erprobung des neuen Berufs Speiseeishersteller muss bei einer Zahl von 41 Ausbildungsverträgen sehr kritisch gesehen“, sagte Sehrbrock. „Wie sollen bundesweit diese wenigen Jugendlichen beruflich geschult werden?“
Laut Berufsbildungsbericht wird im Rahmen der außerbetrieblichen Ausbildung oft in diesen zweijährigen Berufen qualifiziert. In den neuen Ländern wurden 2009 53,6 Prozent dieser Ausbildungsverträge überwiegend öffentlich finanziert. „Für die Jugendlichen sind sie oft nur ein Notnagel“, betonte Sehrbrock. „Problematisch ist zudem, dass die Jugendlichen keinen Anspruch auf den Übergang in eine dreijährige voll qualifizierende Ausbildung haben, sondern auf die Gnade der jeweiligen Arbeitgeber angewiesen sind.“
Die Vorstellung der Arbeitgeber und des Bundeswirtschaftsministeriums für vermeintlich „nicht ausbildungsreife“ Jugendliche Ausbildungsgänge mit weniger Theorie und einer nur zweijährigen Dauer anzubieten trage nicht, sagte Sehrbrock. Für Jugendliche mit schlechten Startchancen müsse es vor allem eine bessere Begleitung geben: Dafür eigneten sich Modelle der Berufsausbildungsvorbereitung wie etwa „Start in den Beruf“ der Sozialpartner in der chemischen Industrie, der Metall-Tarifvertrag zur Förderung von Ausbildungsfähigkeit in NRW oder der „Dritte Weg“ in NRW, der eine verlängerte Ausbildung möglich macht.
„Neue und moderne Ausbildungsberufe müssen wieder im Konsens der Sozialpartner entwickelt werden. Niemand ist näher am Bedarf der Wirtschaft als die Sozialpartner“, erklärte Sehrbrock.
Zweijährige Abschlüsse haben wegen des niedrigeren Ausbildungsniveaus und der geringen Ausbildungsbreite deutlich ungünstigere Verwertungschancen auf den Arbeitsmärkten. In der Regel gestaltet sich auch die Einkommenssituation nach der Ausbildung eher schwierig.