Deutscher Gewerkschaftsbund

03.12.2012
Ringvorlesung "Wohlstand ohne Wachstum?"

Debatte: Nachhaltige Produktion mit Wertschöpfung?

Die Weltbevölkerung wächst – der Ressourcenverbrauch der Schwellenländer ebenfalls. Können die heutigen Industrieländer zeigen, wie man nachhaltiger produziert, und trotzdem eine hohe Wertschöpfung erhält? Diese Frage diskutierten die Teilnehmer der Veranstaltung „Nachhaltige Produktion: Globale Wertschöpfung gestalten“ im Rahmen der Ringvorlesung „Wohlstand ohne Wachsen?“ von DGB und Technischer Universität (TU) am 29. November in Berlin. Ihre Antwort: Die Industrieländer können nicht nur nachhaltiger produzieren – sie müssen.

Ringvorlesung Wohlstand ohne Wachstum

Ringvorlesung "Wohlstand ohne Wachstum?". Eine Veranstaltung von DGB und TU Berlin im intersemester 2012/13. DGB/TU Berlin

„Wenn 20 Prozent der Weltbevölkerung 80 Prozent der Ressourcen verbrauchen, ist das nicht zukunftsfähig“, erklärte Olivier Höbel, Bezirksleiter der IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen. Verzichtsforderungen seien aber nicht die Lösung. Vielmehr brauche es eine Entwicklung hin zu einer echten Kreislaufwirtschaft, die die eingesetzten Ressourcen vollständig wiederverwerte – und das im weltweiten Maßstab.

Diese Herausforderung sei in den Industrieländern nur mit Gewerkschaften als Interessenvertretung der Beschäftigten zu meistern. „Nachhaltigkeit ist kein Top-Down-Konzept“, so Höbel. „Sie braucht eine Verankerung im Betrieb. Die Gewerkschaften sind dabei ein wichtiger Kommunikator – über Betriebsgrenzen hinweg und in die Gesellschaft hinein.“

Mehr Wertschöpfung, weniger Ressourcenverbrauch

Professor Günther Seliger vom Fachgebiet Montagetechnik und Fabrikbetrieb der TU sprach sich für einen Paradigmenwechsel in der Gestaltung von Produkten und Dienstleistungen aus. Notwendig sei ein Umdenken sowohl in den Industrie- als auch den Schwellen- und Entwicklungsländern. In den „Emerging Markets“ müsse sich die Erkenntnis durchsetzen, dass steigende Lebensqualität dauerhaft nur mit verantwortlichem Ressourcenverbrauch möglich ist. Und in den Industrieländern könne man die eigene Lebensqualität nur erhalten, wenn gleichzeitig der Verbrauch knapper Ressourcen gesenkt werde.

Auch Seliger sieht beim Thema Nachhaltigkeit ein „Wanken des Top-Down-Ansatzes“. Von nationalen Regierungen verordnete Maßnahmen hätten kaum Änderungen herbeigeführt. Verhandlungen zwischen nationalen Regierungen, wie aktuell die UN-Klimakonferenz in Doha, müssten ergänzt werden durch einen Bottom-Up-Prozess, an dem sich Forschungs- und Bildungseinrichtungen, Nicht-Regierungsorganisationen und innovative Unternehmen beteiligen.

Beschäftigte müssen Veränderungen mittragen

Heinrich Betz, Betriebsrat bei der Volkswagen AG in Braunschweig, kritisierte, dass es im Verkehrs- und Mobilitätssektor bisher kein deutschland- oder gar europaweites politisches Konzept gibt, wie sich Verkehr nachhaltig vernetzt gestalten lässt. Speziell die Automobilindustrie stehe angesichts knapper werdender Ressourcen und steigender Anforderungen an Nachhaltigkeit vor großen Herausforderungen. VW habe sich bis zum Jahr 2018 das Ziel gesetzt, seinen Ressourcenverbrauch entlang der Produktionskette um 25 Prozent zu senken. Außerdem hätten die ArbeitnehmervertreterInnen über die betriebliche Mitbestimmung einen mit jährlich 40 Millionen Euro ausgestatteten Innovationsfonds initiiert: Die Fondsmittel fließen in die Forschung und die Entwicklung neuer Produkte – die Hälfte der Mittel muss dabei in Projekten außerhalb des Automobilsektors eingesetzt werden. Ein erstes Ergebnis: das VW-Blockheizkraftwerk.

In die umfassenden Veränderungsprozesse, die in der Automobilindustrie anstehen, müssten die Beschäftigten unbedingt eingebunden werden, so Betz. Dafür biete die umfassende Mitbestimmungskultur bei VW gute Voraussetzungen. Ein Zukunftstarifvertrag sorge bei VW für Beschäftigungssicherung sowie Lohn- und Gehaltssicherheit. „Beschäftigte haben keine Angst vor Veränderungen, wenn sie wissen, dass ihre materielle Basis nicht angegriffen wird“, erklärte Betz. „Was wir brauchen sind glaubhafte Szenarien für Veränderungsprozesse ohne Verlierer.“


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