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Mit der guten Situation am deutschen Arbeitsmarkt steigen auch die Einkommen. Doch leider nicht für alle. Einer von fünf Beschäftigten hat heute genauso viel oder gar weniger in der Tasche, als noch Anfang der 1990er Jahre. Der DGB-klartext stellt eine aktuelle Studie des DIW zur Einkommensentwicklung vor.
DGB/Yulia Grogoryeva/123rf.com
Die deutsche Wirtschaft steht gut da. Bereits das neunte Jahr in Folge steigt die heimische Wertschöpfung. Die offizielle Arbeitslosigkeit befindet sich auf einem Tiefstand. Seit 2005 ist die Zahl der Erwerbstätigen um 3,8 Millionen gestiegen. Die gute Situation am Arbeitsmarkt sorgt für steigende Einkommen. Doch leider nicht für alle, wie eine aktuelle Studie des DIW erneut bestätigt: Ein Fünftel der Erwerbstätigen schaut bei der Einkommensentwicklung in die Röhre und hat real weniger oder allenfalls gleich viel wie Anfang der 1990er Jahre.
Am aktuellen Rand haben sich die Einkommen zwar gut entwickelt, aber in der Langfristperspektive gibt es große Unterschiede. Laut DIW stiegen die realen, also um die Preisentwicklung bereinigten Einkommen des reichsten Zehntels von 1991 bis 2015 um 30 Prozent. Im gleichen Zeitraum fielen die realen Einkommen des ärmsten Zehntels um gut 10 Prozent, die des zweiten Zehntels stagnierten (siehe Grafik). Natürlich können einzelne Personen zwischenzeitlich sozial aufgestiegen sein. Doch angesichts einer in Deutschland sehr geringen Einkommensmobilität ist das grundsätzlich eher unwahrscheinlich.
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Das Risiko in Armut zu geraten stieg in Deutschland ebenfalls. Für einen Einpersonenhaushalt bedeutet dies, aktuell weniger als 1.090 Euro monatlich zur Verfügung zu haben. So sind in Deutschland 16,8 Prozent, (jede/r Sechste), von Armut bedroht, während es in den 1990er Jahren „nur“ 11 Prozent waren. Die Untersuchung des DIW zeigt außerdem, dass insbesondere steigende Wohnkosten ein Grund für das gestiegene Armutsrisiko sind. Denn Geringverdiener müssen einen überproportional großen Teil ihres Einkommens für das Wohnen aufwenden.
Obwohl dringender Handlungsbedarf besteht und das Problem der Ungleichheit riesig ist, versuchen arbeitgebernahe Ökonomen immer wieder, es klein zu reden. Sie bemängeln, dass die DIW-Untersuchung einen falschen Referenzzeitpunkt setze. So seien die Einkommen im Jahr 1991, also unmittelbar nach der Wiedervereinigung, verzerrt und daher für Analysen ungeeignet. Doch selbst wenn man andere Zeitpunkte heranzieht, ergibt sich ein ähnliches Bild. Auch seit 1994 zeichnen sich Verluste der unteren Einkommenszehntel ab. Noch eklatanter sieht es seit der Jahrtausendwende aus. Fakt ist: Egal, wie man es dreht und wendet, die Einkommen am unteren Rand entwickeln sich schlecht.
Die Gründe für diese Entwicklungen sind vielschichtig. Ein Grund ist der im europäischen Vergleich sehr große Niedriglohnsektor. Dieser wurde politisch forciert. Der ungleichen Verteilung lässt sich aber entgegenwirken. Die Tarifbindung muss erhöht werden. Dort wo Tarifverträge wirken, werden Niedriglöhne zurückgedrängt. Tarifverträge müssen leichter für allgemeinverbindlich erklärt werden können. Wohnungspolitik ist auch Verteilungspolitik. Daher muss ausreichend in den sozialen Wohnungsbau investiert werden. Es bedarf einer steuerpolitischen Kehrtwende. Kleine und mittlere Einkommen müssen entlastet, sehr hohe Einkommen stärker an der Finanzierung des Gemeinwohls beteiligt werden.