Vor 25 Jahren standen die Gewerkschaften in Ostdeutschland vor einem Neustart. Das Lohnniveau lag bei 60 Prozent des Westens – das hat sich grundlegend geändert. aber es ist noch viel zu tun. Ostdeutschland darf kein Niedriglohnland bleiben. Immer mehr Arbeitgeber haben es schon begriffen – die Löhne für Auszubildende steigen im Osten überproportional.
Von Reiner Hoffmann, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes
Vor 25 Jahren standen die Gewerkschaften in Ostdeutschland vor einem absoluten Neustart. Das Lohnniveau lag bei 60 Prozent des Westens, das Einzige, was blühte, waren der Niedriglohnsektor und die Arbeitslosigkeit. Das hat sich grundlegend geändert. Mit der Arbeit der Gewerkschaften, die den schwierigen Strukturwandel begleitet haben, sehen die Einkommen heute entschieden besser aus: Das Lohnniveau liegt jetzt bei 97 Prozent, der Mindestlohn hat den Niedriglohn ausgebremst. Die jüngsten Auseinandersetzungen bei Amazon, in Krankenhäusern oder bei Automobilzulieferern zeigen, dass die gewerkschaftliche Handlungsmacht gestärkt wurde. Wir haben eine stabile Basis gebaut, die sich auch in wachsendem Vertrauen und bei jungen Beschäftigten in wachsenden Mitgliederzahlen ausdrückt. Die Zukunft sieht sogar noch besser aus: Die demografische Entwicklung – die Bevölkerung im Osten wird außerhalb der Ballungszentren laut Prognosen dramatisch schrumpfen – könnte einen Beitrag dazu leisten, dass die Arbeitslosigkeit sinkt und mehr Perspektiven für Arbeitnehmer entstehen.
„Die Tarifflucht, die vermeintlich lohnende Einzelkämpferstrategie auf Niedriglohnbasis, muss beendet werden. Immer mehr Arbeitgeber haben es schon begriffen.“
Das reicht aber nicht. Arbeitgeber, die in dieser klein- und mittelständischen Wirtschaft die kommenden großen Umwälzungen bewältigen wollen, müssen attraktiver werden. Und hier ist noch viel zu tun: Der Niedriglohnsektor muss trockengelegt werden, Ostdeutschland darf keinNiedriglohnland bleiben. Die Tarifflucht, die vermeintlich lohnende Einzelkämpferstrategie auf Niedriglohnbasis, muss beendet werden. Immer mehr Arbeitgeber haben es schon begriffen – die Löhne für Auszubildende steigen im Osten überproportional. Hier müssen die Gewerkschaften aktiv bleiben. Sie werden sich zudem dafür einsetzen, dass sich Arbeitgeber, Kommunen und Bevölkerung gemeinsam gegen die wachsende Fremdenfeindlichkeit stellen. Auch im Osten sind die Gewerkschaften das größte politische Netzwerk, das es gibt - und wir werden es nutzen.
Der Beitrag von Reiner Hoffmann erschien in „Causa“ vom 17. Mai 2015.