Deutscher Gewerkschaftsbund

17.12.2018

EU-Mobilitätspaket: Verbesserungen für Fernfahrer? Fehlanzeige!

Am 4. Dezember haben sich die EU-Verkehrsminister auf ein Mobilitätspaket geeinigt. Deutliche Verbesserungen der Arbeitsbedingungen von Fernfahrern auf Europas Straßen finden sich darin allerdings kaum. Im Gegenteil: Die illegale Praxis von Lohndumping-Unternehmen soll sogar legalisiert werden. Der DGB appelliert an das EU-Parlament, das Paket in dieser Form abzulehnen.

Nahaufnahme LKW auf Straße

DGB/welcomia/123rf.com

Die deutsche Presse war nach der Einigung der europäischen Verkehrsminister am 4. Dezember weitgehend positiv gestimmt über die Ergebnisse: „Mehr Rechte“, „EU will Fernfahrer schützen“, ihnen „soll es besser gehen“, lauteten die Überschriften. Selbst als „Nomaden“ erschienen sie zwar „müde“, aber „modern“. Letzte Abenteurer sozusagen. Nicht so schlimm also, dass Minister Scheuer und seine Kollegen in dieser Nacht keineswegs die Wildwest-Regeln, die auf Europas Fernstraßen gelten, zivilisiert haben?

Philippinische LKW-Fahrer: Unmenschliche Bedingungen

Dabei hat der aktuelle Fall der philippinischen LKW-Fahrer, die bis zu 18 Monate unter unmenschlichen Bedingungen unterwegs waren und von Mitarbeitern des DGB-Projektes Faire Mobilität in der Nähe von Dortmund betreut werden, erneut klar gemacht: Es muss sich viel ändern, bevor dieser Job in Europa wieder attraktiv wird.

Verbesserte Arbeitsbedingungen für LKW- und Busfahrer sind kaum zu erkennen

Die Brüsseler Runde „einigte sich“ davon weitgehend unbeeindruckt mal zu Lasten Osteuropas, mal auf Kosten der „Road Alliance“ der Westeuropäer und geht nun Anfang des kommenden Jahres mit einem faulen Kompromiss in die Verhandlungen mit dem europäischem Parlament. Die von der Kommission im Mai 2017 angekündigten Verbesserungen bei Arbeitsbedingungen und Entlohnung für Lkw- und Busfahrer sind kaum zu erkennen – im Gegenteil: Einzelne positive Klarstellungen können durch Liberalisierungen und Ausnahmen konterkariert und die illegale Praxis von Lohndumping-Unternehmen sogar legalisiert werden.

Trotz EuGH-Verbot von Ruhezeiten in Fahrerkabine: Nomadendasein wird legalisiert

Begrüßenswert ist, dass die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zum Verbot, die wöchentliche Ruhezeit in der Fahrerkabine zu verbringen, endlich zur Kenntnis genommen und hoffentlich auch ohne Ausnahmen und Übergangsfristen umgesetzt wird. Das betrifft aber nur die reguläre Ruhezeit von mindestens 45 Stunden, die aufgrund des Referenzzeitraums von vier Wochen auch erst nach 20 Tagen in der Kabine gelten kann. Damit wird das legale Nomadendasein ausgeweitet – aus Sicht der europäischen Gewerkschaften hochgefährlich für die Fahrer und alle anderen am Verkehr Teilnehmenden. Dazu passt auch, dass die Fahrzeuge nicht regelmäßig an den Niederlassungsort des Unternehmens zurückkehren müssen, weshalb dort keine Parkplätze vorgehalten werden müssen – wichtig für Briefkastenfirmen. Dadurch dürfte die Überlastung der öffentlichen Parkplätze anhalten. Leichte Nutzfahrzeuge ab 2,5 Tonnen sollen – nach zwei Jahren Übergangszeit – in die Kabotageregeln einbezogen werden, nicht jedoch in Regelungen zu Lenk- und Ruhezeiten oder die obligatorische Ausstattung mit digitalen Tachographen. Hier muss unbedingt nachgebessert werden.

Entsendung: Ausnahmen für "Cross Trades" inakzeptabel

Das gilt auch für die Entsendung von Lkw- und Busfahrern. Transitfahrten und bilaterale Transportoperationen inklusive bis zu zwei Transportzwischenoperationen („Cross Trades“) auf dem Hin- bzw. Rückweg sollen aus der Anwendung des Entsendelohns herausgenommen werden. Eine solche Regelung ist sowohl für Kabotage als auch für internationale Transportoperationen absolut inakzeptabel. So werden umfassende Ausnahmen für eine Vielzahl von Transportarten geschaffen, auch im Fern- und Reisebusverkehr.

Fahrerinnen und Fahrer haben ein Recht auf gleiche Bezahlung

Die Fahrerinnen und Fahrer haben ein Recht auf gleiche Bezahlung. In der Einigung werden begründungslos Ausnahmen geschaffen, wie beispielsweise Sonderregelungen beim Fern- und Reisebusverkehr. Aus Sicht des DGB müssen Transitfahrten generell unter die Entsenderichtlinie fallen. Das sogenannte „next destination principle“, nach dem der Lohn des nächsten Entladelandes gilt, bietet dazu einen Lösungsansatz. Damit würde ganz unbürokratisch für die gesamte Strecke derselbe Lohn gelten. Die Güterübergabe bei der Entladung stellt den vertraglichen Bezug zum Entladungsland her, der über die gesamte Transportoperation besteht.

DGB appelliert ans EU-Parlament: Kein Untergraben der Entsenderichtlinie

Der DGB setzt nun auf die Abgeordneten des Europäischen Parlaments, die schon im Juli eine Sternstunde hatten, als sie die Vorschläge des Verkehrsausschusses ablehnten. Leider gehen viele der dort diskutierten Kompromissansätze noch entschlossener in die falsche Richtung. Für Busfahrer soll es eine spezielle Regelung der Lenk- und Ruhezeiten geben. Während sich beim Bezugszeitraum von 4 Wochen für die wöchentlichen Ruhezeiten leider Einigkeit besteht, soll das Verbot des Schlafes in der Kabine für die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit nicht gelten und erst mit der Lizensierung sicherer Parkplätze auf diese eingeschränkt werden. Darüber hinaus wird eine drei- bis sechsjährige Übergangszeit diskutiert.

Das Untergraben der Entsenderichtlinie für den Transportsektor könnte durch das Parlament noch vertieft werden, denn die „Cross Trades“-Option soll mit Inkrafttreten der Richtlinie auch für den Busverkehr erlaubt sein. Dies hätte die fatale Konsequenz, dass transnationale Bustouren systematisch nach dem Lohnniveau des Landes mit niedrigerem Lohn vergütet würden.

Ihre Koppelung an den digitalen Tachographen ist strittig. Letzterer soll immerhin schon ab 2022 obligatorisch werden. Positiver wird bisher auch das Heimkehrrecht des Fahrers gesehen, während der Rat nur die Rückkehr zur Unternehmensniederlassung vorsieht. Die Rückgabe des Fahrzeugs alle vier Wochen unter Bezugnahme auf das Arbeitsrecht und die Bedingungen des regulären Arbeitsortes in der Rom-I-Verordnung wird das Parlament vorschlagen.

Kontrollpraxis muss dringend verbessert werden

Letztlich ist entscheidend, dass die Kontrollpraxis gravierend verbessert wird. Voraussetzung dafür ist neben der – immerhin 10 Jahre früher als von der Kommission vorgeschlagen – Einführung digitaler Tachographen (aber erst 2024, obwohl schon verfügbar), auch der elektronische Frachtbrief. Gesetze und Verordnungen helfen jedoch wenig, wenn nicht genügend Personal für Kontrollen eingestellt wird. Das wurde jüngst am Beispiel der Fleischindustrie belegt: Nach Einführung der Generalunternehmerhaftung gab es mehr Verstöße, aber weniger Kontrollen. Zudem hat der Fall der philippinischen Lkw-Fahrer gezeigt, dass für die deutsche Justiz ein Blick ins Ausland ratsam wäre: Während in Dänemark und den Niederlanden Anklage gegen die Dumping-Firma erhoben wurde, ziert sich die hiesige Staatsanwaltschaft.


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