Deutscher Gewerkschaftsbund

02.06.2016
klartext 22/2016

TiSA: Wikileaks bringt Licht ins Dunkel

Im Schatten von CETA und TTIP wird seit 2012 ein Freihandelsabkommen der besonderen Art verhandelt: TiSA soll den Handel mit Dienstleistungen erleichtern, am Tisch sitzen 23 Verhandlungspartner aus vier Kontinenten. Doch geheime Dokumente zeigen: Es ist Vorsicht geboten. Öffentliche Dienstleistungen drohen, unter Liberalisierungs- und Deregulierungsdruck zu geraten. 

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Liberalisierung des Dienstleistungshandels

Die Abkürzung TiSA steht für Trade in Service Agreement. Gegenstand ist die Liberalisierung des Dienstleistungshandels zwischen 23 Verhandlungspartnern aus vier Kontinenten – darunter auch die EU. Der Handel mit Dienstleistungen ist ein wachsender Markt, der enorme Gewinne verspricht. Schon jetzt legen die Dienstleistungsexporte der EU kontinuierlich zu (siehe Grafik). TiSA soll nun die Öffnung der Dienstleistungsmärkte beschleunigen und Handelsbarrieren aus dem Weg räumen.

Dienstleistungsexporte der EU zwischen 2004 und 2013

Schon jetzt legen die Exporte von Dienstleistungen der EU deutlich zu. Grafik: DGB. Daten: Eurostat http://appsso.eurostat.ec.europa.eu/nui/show.do

Ausnahmen für öffentliche Dienstleistungen nötig

Doch eine Reihe von geheimen Dokumenten, die die Plattform Wikileaks ans Licht gebracht hat, zeigen: Vorsicht ist geboten! Denn TiSA krankt an den gleichen Problemen wie TTIP und CETA, die Abkommen der EU mit den USA und Kanada. Öffentliche Dienstleistungen drohen, einem Liberalisierungs- und Deregulierungsdruck ausgesetzt zu werden. Die bisher sichtbaren Ausnahmen für Dienstleistungen der Daseinsvorsorge sind wie in TTIP und CETA zu weich und bieten nur ungenügenden Schutz vor Privatisierungsdruck. Es braucht eine explizite Ausnahme öffentlicher Dienstleistungen auch in TiSA! Hinzu kommt, dass die Regulierungsspielräume, um Dienstleistungen der Daseinsvorsorge allen zugänglich zu machen, Versorgungssicherheit und gute Qualität zu gewährleisten, drohen, massiv eingeschränkt zu werden.

Unternehmen können unklare Regelungen ausnutzen

Um ein Beispiel zu nennen: Das Kapitel zu innerstaatlicher Regulierung behandelt Lizenz- und Qualifikationserfordernisse und -prozesse, wobei Lizenzen die Unternehmen betreffen und Qualifikationen sich auf die Personen beziehen, die die Dienstleistung erbringen. Solche Erfordernisse sind grundlegend, um eine hohe Qualität von Dienstleistungen sicherzustellen. Die Verpflichtungen in diesem Kapitel schaffen jedoch eine neue, weitgehende Grundlage. Sind sie unklar formuliert, können seitens der Unternehmen ausgenutzt werden, um gegen staatliche Vorschriften und Anforderungen vorzugehen. Die geleakten Textbausteine bestätigen eine solche Gefahr: Demnach dürfen solche Anforderungen nicht „belastender als nötig“ und müssen „objektiv“ sein; Entscheidungen müssen „ohne unnötige Verzögerung“ umgesetzt werden.

Interessen des Allgemeinwohls in Gefahr

Es stellt sich die Frage: Wäre die Durchführung von zum Beispiel öffentlichen Konsultationen in der Ortschaft im Zuge geplanter Großprojekte schon zu belastend? Und würde dies eine „unnötige Verzögerung“ darstellen? Solche Begriffe bieten weiten Interpretationsspielraum, der es ermöglicht, auch Regulierungen im Allgemeinwohlinteresse in Frage zu stellen. Das ist undemokratisch, stellt die Weichen, um die Handlungsfähigkeit des Staates weiter einzuschränken und dient den Profitinteressen. Diese könnten sich im schlimmsten Fall gegen Interessen von Beschäftigten, Verbraucher/-innen und Umwelt richten.

Ein solches TiSA wäre ein weiterer Schritt auf dem Weg zu mehr Deregulierung und Liberalisierung und damit ein Schritt in die falsche Richtung.


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