Die Steuereinnahmen sind in Deutschland so hoch wie lange nicht mehr. Das verdankt der Bund vor allem den konsumfreudigen Privathaushalten. Steuern auf Gewinn und Vermögen sind hingegen so niedrig wie in kaum einem der 34 OECD-Staaten. Die Superreichen müssen mehr zur Finanzierung des Gemeinwesens beitragen, fordert der DGB-klartext.
Der deutschen Wirtschaft geht es gut. Die Konjunktur läuft rund und der Arbeitsmarkt ist stabil. Reallohnzuwächse beflügeln den privaten Konsum und sorgen für zusätzliche Steuermilliarden. Finanzminister Schäuble macht mit über 20 Mrd. Euro Haushaltsüberschuss richtig Kasse. Das Steueraufkommen wird zum übergroßen Teil durch die Lohnsteuer und die Steuern auf den Konsum der Privathaushalte gespeist. Steuern mit starkem Bezug zu Gewinnen und Vermögen werden hingegen immer bedeutungsloser. Superreiche und Vermögende verabschieden sich von der Finanzierung des Gemeinwesens. Deutschland nimmt derzeit durch vermögensbezogene Steuern so wenig ein wie fast kein anderes OECD-Land. Gegenüber 1990 sind es gar fast 1 Prozentpunkt weniger (siehe Abbildung). Auf diese Missstände wird auch im „DGB Verteilungsbericht 2016“ hingewiesen. Doch Schäuble will von einer stärkeren steuerlichen Belastung der bisher privilegierten Superreichen nichts wissen. Das Geld könnte der Staat gut gebrauchen - um mehr zu investieren, um seine Beschäftigten angemessen zu bezahlen, um Arbeitnehmer steuerlich zu entlasten.
DGB/OECD
Fakt ist: Marode Kitas und bröckelnde Schulen, schlaglochgepflasterte Straßen, fehlendes Personal in öffentlichen Einrichtungen und Behörden oder die angespannte Wohnungssituation gefährden vielerorts eine funktionierende öffentliche Daseinsvorsorge. Unsere öffentliche Infrastruktur ist im Zerfall begriffen, weil Bund, Länder und Gemeinden wegen der Steuergeschenke der vergangenen Jahre konjunkturbereinigt jährlich 45 Milliarden Euro weniger einnehmen. Nicht erst seitdem Flüchtlinge bei uns Schutz suchen, investiert der Staat zu wenig in Erhalt, Modernisierung und Ausbau unserer Infrastruktur. Der soziale Sprengstoff ist hausgemacht.
Spätestens jetzt brauchen wir aber dringend einen Kurswechsel. Und da hat Wirtschaftsminister Gabriel im Kern Recht. Denn der Handlungsbedarf ist groß und der Staat hat das Geld dafür. Doch Schäuble geizt mit dem Geld, das er in erster Linie bei Arbeitnehmerhaushalten einnimmt. Statt Mehreinnahmen für Investitionen zu verwenden, will er lieber Schulden schneller abbauen als die Schuldenbremse ihm vorschreibt. Völlig verrückt.
Denn selbst eine kreditfinanzierte Investitionsoffensive lohnt sich für den Staat. Jeder Euro, der öffentlich investiert wird, zieht ein weiteres Wirtschaftswachstum von 1,50 Euro nach sich. Hinzu kommt, dass der Staat real Negativzinsen zahlt. Wer heute diese einmalig günstige Finanzierung nicht für Investitionen nutzt, verhält sich nicht nur unwirtschaftlich, er handelt auch fahrlässig. Vor allem gegenüber den zukünftigen Generationen, die sonst eine Infrastrukturwüste statt blühenden Landschaften erben. Die Situation ist inzwischen sehr verfahren. Schäubles Spardiktat muss gestoppt werden. Denn Sparen können wir uns nicht leisten. Denn, wer heute nicht die Weichen für morgen stellt, verspielt die Zukunftsfähigkeit unseres Landes.