Deutscher Gewerkschaftsbund

21.10.2014
Deutscher Betriebsräte-Preis

Betriebsrat sorgt für "bezahlte Pflegezeit"

Am 30. Oktober wird in Bonn der Deutsche Betriebsräte-Preis verliehen. Einer der 14 Nominierten ist der Betriebsrat der Renolit SE aus Worms. Die Arbeitnehmervertreter haben dafür gesorgt, dass Kolleginnen und Kollegen, die Angehörige pflegen und deshalb ihre Arbeitszeit reduzieren müssen, finanziell unterstützt werden.

Modellfigur Frau mit Rollstuhlfahrer auf 100-Euro-Schein

Beim Unternehmen Renolit hat der Betriebsrat für pflegende Angehörige, die wegen der Pflege ihre Arbeitszeit verkürzen, wichtige finanzielle Unterstützung durchgesetzt DGB/Simone M. Neumann

Erst kürzlich hat die Bundesregierung ihren Gesetzentwurf für eine Familien-Pflegezeit vorgelegt. Einer der Kernpunkte des Entwurfs sind zehn bezahlte Pflegetage, die Angehörige in Anspruch nehmen können, wenn ein Familienmitglied pflegebedürftig wird.

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Deutscher Betriebsräte-Preis

Was ist der Deutsche Betriebsräte-Preis?

Der Deutsche Betriebsräte-Preis ist eine Initiative der Fachzeitschrift "Arbeitsrecht im Betrieb". Er zeichnet seit 2009 das Engagement und die erfolgreiche Arbeit von Betriebsräten aus, die sich nachhaltig für den Erhalt oder die Schaffung von Arbeitsplätzen oder für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Unternehmen einsetzen. Eine Jury aus Gewerkschaften, Wissenschaft und "Mitbestimmern" aus der Praxis trifft jedes Jahr eine Auswahl aus einer Vielzahl eingereichter Projekte. Verliehen wird der Preis auf dem Deutschen Betriebsräte-Tag, der in diesem Jahr vom 28. bis zum 30. Oktober in Bonn stattfindet. Der DGB ist Kooperationspartner des Betriebsräte-Tags.

Der Betriebsräte-Preis wird je einmal in den Kategorien Gold, Silber und Bronze verliehen. Außerdem vergibt die Jury vier Sonderpreise, im Jahr 2014 zu den Themen „Beschäftigungssicherung“, „Gute Arbeit“, „Innovative Betriebsratsarbeit“ und „Fair statt Prekär“.

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Zehn bezahlte Pflegetage reichen in der Regel nicht aus

"Mit zehn bezahlten Pflegetagen will die Regierung den Angehörigen unbürokratisch und schnell helfen, Ordnung in die neue Lebenslage zu bringen und die ersten Pflegeschritte zu organisieren. Das ist ein guter Anfang", erklärte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack. Allerdings ziehe sich die gesamte Pflege eines Angehörigen in Deutschland im Schnitt über 8,2 Jahre, so Hannack. Zehn Tage bezahlte Pflegezeit sind da wirklich nur ein erster Schritt.

Betriebsrat nutzt Tarifvertrag für Vereinbarkeit von Pflege und Beruf

Das weiß auch der Betriebsrat der Renolit SE. Beim Folienhersteller aus Worms machten sich die Arbeitnehmervertreter deshalb Gedanken, wie sie die Kolleginnen und Kollegen unterstützen können, die sich um die Pflege von Angehörigen kümmern.

Dafür nutzte der Betriebsrat den Tarifvertrag "Lebensarbeitszeit und Demografie", den die Gewerkschaft IG BCE gemeinsam mit den Chemie-Arbeitgebern 2008 abgeschlossen hatte. Unter anderem regelt der Tarifvertrag, dass Chemie-Unternehmen einen bestimmten Betrag pro Beschäftigten in einen "Demografie-Fonds" einzahlen. In jedem Unternehmen entscheiden dann Geschäftsleitung und Betriebsrat gleichberechtigt, wie sie dieses Geld verwenden – zum Beispiel für Altersteilzeit-Regelungen oder für betriebliche Altersvorsorge.

Bei Renolit fließt ein Teil des Geldes nun in einen betrieblichen Pflegefonds für eine Familienpflegezeit. Das setzte der Gesamtbetriebsrat mit viel Überzeugungsarbeit gegenüber dem Arbeitgeber in einer Gesamt-Betriebsvereinbarung durch.

50 Prozent Arbeitszeit reduzieren, trotzdem 80 Prozent Lohn erhalten

Vor allem sorgt der Fonds dafür, dass Beschäftigte, die wegen Pflege eines Angehörigen die Arbeitszeit reduzieren, nicht zusätzlich in ein finanzielles Loch fallen. Das Kernstück der Gesamtbetriebsvereinbarung: Der Betrieb stellt pro Arbeitnehmer jeweils 50 Euro tarifliche Leistung zur Verfügung. Darüber hinaus zahlt Renolit freiwillig zusätzlich 50 Euro pro Arbeitnehmer. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die etwa bei einem Pflegefall der Stufe II ihre Arbeitszeit um 50 Prozent reduzieren, profitieren davon, dass der Fonds ihr Brutto-Tarifentgelt nebst Zulagen wieder um 30 Prozent aufstockt.

Für diese innovative Lösung angesichts des fortschreitenden demografischen Wandels wurde der Betriebsrat der Renolit SE für den Deutschen Betriebsräte-Preis nominiert.


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