Deutscher Gewerkschaftsbund

09.02.2011
Mehr Schein als Sein

Wer Ursula von der Leyens Bildungspaket aufschnürt, muss enttäuscht sein

Wer Ursula von der Leyens Bildungspaket aufschnürt und einen Blick auf den Inhalt wirft, muss enttäuscht sein. Für dieses Vorhaben gilt: Mehr Schein als Sein. Niedrige Regelsätze sind damit nicht zu rechtfertigen. Der vollmundig angekündigte Kulturwechsel bleibt aus. Die anvisierten Maßnahmen greifen zu kurz, teils werden längst vorhandene Hilfen als neu verkauft.

Beispiel Schulbasispaket: Hier schmückt sich Ursula von der Leyen mit fremden Federn. Ein Schulbedarfspaket, das Kindern aus armen Familien den Schulranzen, den Taschenrechner oder den Zirkel bezahlt, hat bereits die Große Koalition eingeführt. 100 Euro werden den Kindern am Anfang eines jeden Schuljahres ausgezahlt. Von der Leyens einzige Neuerung: Der Betrag wird jetzt in zwei Tranchen aufgesplittet, 70 Euro gibt es am Schulanfang, 30 Euro zum Halbjahr. Ein echter Kulturwechsel sieht anders aus.

Beispiel Teilhabe von Kindern in Sportvereinen und Kultur: Wenn Kinder aus armen Familien ein Theater besuchen, sich im Fußballverein anmelden oder an einer Ferienfreizeit teilnehmen wollen, darf dies nicht am Geld scheitern. Es ist gut, wenn der Staat hier einen Zuschuss zahlt. Doch auch hier greift das Bildungspaket zu kurz: Wer schon einmal sein Kind zum Klavierunterricht an der Musikschule angemeldet hat, weiß, dass man mit den versprochen zehn Euro im Monat nicht weit kommt.

Beispiel warmes Mittagessen: Es ist gut, wenn die Bundesregierung den Kindern an Schulen und Kindergärten ein warmes Mittagessen finanzieren will. Diesen Zuschuss gibt es laut Bundesarbeitsministerium aber dort, wo eine solche Mahlzeit bereits angeboten wird. Für 80 Prozent der Kinder, die jünger als drei Jahre sind, gibt es aber keinen Krippenplatz. Ganztags-Kindergärten muss man fast mit der Lupe suchen. Die Bundesregierung geht selbst davon aus, dass von den 1,25 Millionen Hartz IV-Kindern allenfalls 300.000 von dem Schulessen profitieren werden. Für die meisten Kinder aus armen Familien wird es folglich keine warme Mahlzeit geben.

Hier zeigt sich das größte Manko des von der Leyenschen Bildungspäckchens. Es werden Zuschüsse für Leistungen versprochen, die den Kindern vielerorts gar nicht angeboten werden.

Nötig ist deshalb vor allem ein massiver Ausbau der Bildungsinfrastruktur. Doch über neue Ganztagsschulen mit mehr Sozialarbeitern oder über den Ausbau von herkömmlichen Kindergärten zu echten Eltern-Kind-Zentren, die ganztägig geöffnet sind, will die Bundesregierung anscheinend nicht verhandeln. Dies wäre aber ein Angebot, das wirklich allen Kindern – auch aus Hartz IV-Familien - zugute kommt.

Immerhin einen Fortschritt gibt es: Im Vermittlungsausschuss einigten sich Regierung und Opposition offenkundig darauf, dass nun die Kommunen und nicht die Arbeitsagenturen für die Umsetzung des Bildungspakets verantwortlich sein sollen. Die Kommunen kennen über die Kinder- und Jugendhilfe die Probleme der Jugendlichen schlicht besser als die Job-Center. Doch wenn das Bildungspaket weiterhin derart spärlich bestückt ist, bleibt den Kommunen auch nur die Verwaltung des Mangels.

Ohnehin reicht es nicht aus, dass allein der Bund ein Paket schnürt. Zur Bekämpfung der Kinderarmut brauchen wir eine abgestimmte Politik zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Was der Bund beim Theaterbesuch für arme Familien zusätzlich zahlt, dürfen die Länder und Kommunen nicht gleich für höhere Kita-Gebühren, bei Schulbüchern oder für Fahrten mit dem Schulbus wieder einkassieren.

Das Bundesverfassungsgericht hat klar geurteilt: Die Sicherung des Rechts auf Bildung ist eine gesamtstaatliche Aufgabe – und darf nicht dem föderalen Kräftespiel überlassen werden. Mit diesem Urteil sollte zumindest das Kooperationsverbot im Bildungswesen nach Artikel 104 b GG schleunigst abgeschafft werden. Bund und Länder müssen sich mit den Kommunen beim nächsten Bildungsgipfel gemeinsam, auf eine gemeinsame und vor allem verbindliche Strategie für mehr Chancengleichheit im Bildungswesen einigen. Das wäre ein echter Kulturwechsel.


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