Deutscher Gewerkschaftsbund

16.07.2007
Dietmar Hexel im einblick-Interview

Klimaschutz schafft Arbeitsplätze

Alle reden vom Klima. Auch der DGB. Im einblick-Interview: Dietmar Hexel, im Geschäftsführenden DGB-Bundesvorstand unter anderem für Energie- und Umweltpolitik zuständig.

einblick infoservice: Trotz Kritik der Industrie hat die Kanzlerin beim dritten Energiegipfel deutlich gemacht, dass sie an ihren Klimaschutzzielen festhält. Wie bewertet der DGB die Ergebnisse?

Dietmar Hexel: Die Richtung stimmt, auch wenn die Ergebnisse noch nicht konkret genug sind. Der DGB und seine Gewerkschaften unterstützen die Bundesregierung in ihren Klimazielen. Es muss jetzt eine kräftige Rolle vorwärts für erneuerbare Energien in den Bereichen Stromerzeugung, Wärme und Kraftstoffe und für Energieeffizienz geben. Wir erwarten dazu einen eindeutigen Schub vom angekündigten integrierten Klimaschutz- und Energieprogramm.

Jährlich drei Prozent mehr Energieeffizienz zu erreichen, halten Wirtschaftsvertreter für völlig unrealistisch.

Für einige Industriemanager war der Gipfel eine beschämende Blamage. Es muss jedem Manager klar sein: Es geht nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wie. Es gibt Industriebereiche, in denen drei Prozent mehr Energieeffizienz möglich sind, in anderen nicht. Es gibt auch physikalische Grenzen. Darüber muss man aber anhand von Fakten und differenziert nach Branchen streiten. Um die Effizienzziele zu erreichen, müssen vor allem die Investitionen für Forschung und Entwicklung in der Energiepolitik verstärkt werden.

Mehr Investitionen in den Klimaschutz würden die Arbeit verteuern und damit den Jobs und Standort gefährden. Kann sich der DGB diesem Argument verschließen?

Das ist kein Argument, sondern schlicht falsch. Ich kann solche Drohungen und das Spiel mit den Existenzen von Familien nicht mehr hören. Denn genau das Gegenteil ist der Fall: Der Klimaschutz bietet Chancen für Innovation, Wachstum und Beschäftigung in vielen, besonders personalintensiven Branchen. Die Schäden einer Klimakatastrophe kosten wesentlich mehr als vorbeugende Maßnahmen. Bereits mit vorhandenen Technologien - durch Anlagenoptimierung und im Wärmebereich - können wir mindestens zehn Prozent der Endenergie und damit Kosten einsparen. Und damit 54 Millionen Tonnen CO2 jährlich. Mit neuen Technologien in der Pipeline wie Gas- und Hybridmotoren, neuen Batterie- und Speichermedien, CO2-Einlagerung, Wärmerückgewinnung etc. noch viel mehr. Bei der Wärmedämmung, in der Automotoren- oder Beleuchtungstechnologie, bei Biomasse und Windenergie gibt es Potenziale für jede Menge Arbeitsplätze. Das zeigt bereits der von der Bundesregierung forcierte Ausbau der energetischen Gebäudesanierung, der im Übrigen von den Gewerkschaften mit angestoßen wurde. Wir begrüßen sehr, dass die Bundesregierung das Programm nun aufstocken will. Die geplante Erhöhung der Fördermittel dürfte weitere hunderttausende Arbeitsplätze schaffen.

Liegt danach in der Bewältigung des Klimawandels auch eine Chance für die deutsche Wirtschaft?

Auf alle Fälle! Deutschland kann beim Klimaschutz weltweit eine Vorreiterrolle übernehmen. In vielen Bereichen sind wir schon Weltmarktführer. Innovative Energietechnologien können noch stärker zum Exportschlager werden. Unsere CO2-armen Kohlekraftwerke, unsere Windräder, unsere Solarzellen, unsere Antriebaggregate gehören zum Besten, was weltweit angeboten wird. Statt sich also gegen Klimaschutzvorgaben zu wehren, sollten die Unternehmen im eigenen Interesse lieber das riesige Ideenpotenzial unserer Ingenieure, Techniker und Beschäftigten hierzulande nutzen! Wir haben die besten der Welt! Klima- und Industriepolitik sind kein Gegensatz. Am Klimaschutz kommt niemand mehr vorbei, auch die Industrie nicht. Das bedeutet, sie muss Klimaschutz als oberste Priorität für die Menschen akzeptieren und als Unternehmensziel verankern. Die daraus resultierenden Maßnahmen müssen natürlich realistisch und ökonomisch und sozial vertretbar sein.

Was heißt das?

Einerseits müssen erneuerbare Energien im steigenden Maße die klassischen Energieträger ersetzen, andererseits geht das aber nicht von heute auf morgen. Schon deshalb ist auch unsere heimische Kohle unverzichtbar. Manche neuen energieschonenden Produktionsverfahren oder der Ersatz alter Kraftwerke braucht einen Vorlauf von einigen Jahren. Der Rohstoff- und Energiehunger der Welt ist riesig. Wir haben bereits im letzten Jahr gemeinsam mit dem BDI von der Bundesregierung ein schlüssiges Energiekonzept gefordert, das auf einen nachhaltigen Energiemix - unter Einbeziehung der heimischen Kohle - und besonders auf eine Erhöhung der Energieeffizienz setzt. Zweitens muss natürlich Energie auch in Zukunft sowohl für die Industrie wie für den normalen Arbeitnehmer bezahlbar bleiben.

Ließe sich nicht auch noch mehr Energie einsparen?

Ganz sicher. Insgesamt betrug der End-Energieverbrauch 2006 in Deutschland 2560 TKWh. Davon entfielen 38 Prozent auf Wärme (ohne industrielle Prozesswärme), 28 Prozent auf Verkehr, 21 Prozent auf Strom und 13 Prozent auf Sonstiges - insbesondere industrielle Prozesswärme. Energieeffizienz bedeutet, Energie einzusparen. Sowohl die Industrie wie auch wir die privaten Haushalte können konkret etwas tun. Der größte Energieverbraucher, der Wärmebereich, ist ein schlafender Riese. Hier lässt es sich am wirksamsten sparen.

Im Übrigen: Den Königsweg zur Klimarettung gibt es nicht. Wir müssen auf ein ganzes Maßnahmenbündel setzen. Teilweise bei uns - teilweise durch den weltweiten Export von Technologie. Eine besondere Herausforderung ist es, technologische Lösungen für die so genannte Kraft-Wärme-Kraft Kopplung zu finden. Dabei geht es um die Frage, ob Abwärme weiterhin ungenutzt verpufft oder sinnvoll verwertet wird. Viele Kraftwerke geben Wärme ungenutzt ab. Das ist zum einen vergeudete Energie, zum anderen heizt es auch noch die Umwelt auf. Um viele neue Technologien, wie etwa die Nutzung der Erdwärme, Geothermie, haben wir uns noch kaum gekümmert. Diese Energie ist weltweit 24 Stunden täglich verfügbar.

Aus Klimaschutzgründen wird der Ruf nach längeren Laufzeiten für die CO2-armen Kernkraftwerke laut. Wie steht der DGB dazu?

Die Kernenergie ist für den DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften keine längerfristige energiepolitische Option. In Abwägung aller Risiken verbietet es die Vernunft, sie als eine Energie der Zukunft anzusehen. Die jüngsten Ereignisse in Brunsbüttel und Krümmel sprechen für sich. Das Risiko für die Menschheit und künftige Generationen ist zu groß - und der Rohstoff endlich. Der Anteil der Kernenergie an der weltweiten Primärenergieerzeugung beträgt übrigens nur 4 Prozent.

Ist es für unsere Klima nicht schon fünf nach zwölf? Geht die Energiewende schnell genug?

Wir wissen aus der Klimaforschung, dass wir keine Wahl haben: Es muss jetzt sofort und nachhaltig gehandelt werden. Wir haben die Chance, den Prozess der Klimaveränderung noch zu beeinflussen. Wie sehr, das hängt von uns ab. Viele neue Technologien müssen noch entwickelt werden. Dafür müssen Mittel bereitgestellt werden. Wir haben nur ein Zeitfenster von wenigen Jahren. Diese Zeit müssen wir auf allen Ebenen intensiv nutzen, in der Politik, in der Wirtschaft, in den Gewerkschaften. In den Aufsichtsräten und Betriebsräten müssen wir diskutieren: Welche Energiesparziele im Unternehmen gibt es? Welche neuen Produkte können entwickelt und angeboten werden? Bei Energie- und Materialkosten lässt sich viel sparen - sinnvoller als bei Personal! Jeder Einzelne sollte am Arbeitsplatz und im privaten Verhalten überprüfen, wie er Energie und CO2 einsparen kann. Wenn wir alle den Klimaschutz zu unserer Sache machen, haben wir die Chance, die Katastrophe zu verhindern.

Erschienen im einblick infoservice 13/2007
16.07.2007


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