Deutscher Gewerkschaftsbund

13.05.2015
Interview

Familienpolitik: Rahmenbedingungen passen schon lange nicht mehr

Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack zum Tag der Familie am 15. Mai

Am 15. Mai ist Internationaler Tag der Familie. Auch in Deutschland bleibt familienpolitisch viel zu tun. "Die Rahmenbedingungen passen schon lange nicht mehr. Es gibt neue Formen des Zusammenlebens, gerade bei Familien. Doch orientiert wird sich immer noch am Ernährermodell, mit dem Mann als Hauptverdiener und der Frau, die hinzuverdient", sagt die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack im Interview.

Kinder auf Schultern ihrer Eltern bei einer Demonstration

DGB/Simone M. Neumann

Frage: Mütter im Alter von 25 bis 49 Jahren arbeiten im Schnitt rund 27 Stunden pro Woche und damit gut 10 Stunden weniger als gleichaltrige Frauen ohne Kind. Die Familienministerin hat eine Familienarbeitszeit vorgeschlagen, nach der Eltern eine 32-Stunden-Woche haben – eine Perspektive für den familienpolitischen Kurs der Zukunft?

Elke Hannack: Bis heute wird von Müttern erwartet, dass sie den Spagat zwischen Beruf und Familie hinkriegen. Doch wenn was dazwischen kommt, ist Frau oft blöd dran. Denn für unerwartete Lebenslagen sind Frauen wirtschaftlich meist nicht abgesichert. Da müssen wir ran.

Elke Hannack, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes

Elke Hannack, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes DGB/Simone M. Neumann

Am Freitag, den 15. Mai 2015, ist Internatioanler Tag der Familie. Was bleibt familienpolitisch zu tun? "Es gibt neue Formen des Zusammenlebens, gerade bei Familien. Doch orientiert wird sich immer noch am Ernährermodell, mit dem Mann als Hauptverdiener und der Frau, die hinzuverdient. Das birgt Widersprüche und Fallstricke", sagt die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack. "Da muss noch viel passieren, in der Gleichstellungspolitik."

Interessant ist die Nachricht, die das Statistische Bundesamt zum Internationalen Tag der Familie verkündet hat: Die 25- bis 49-jährigen erwerbstätigen Väter arbeiten durchschnittlich 42 Stunden wöchentlich, Frauen mit Kind nur 27. Dabei wissen wir, dass Frauen gern mehr arbeiten würden. Wir sollten aufhören, ihnen zu sagen, dass sie Beruf und Familie besser vereinbaren müssen. Wir sollten aufhören zu vereinbaren und anfangen umzuverteilen! Die Arbeitszeit muss anders verteilt werden. Da weist der Schwesig-Vorschlag in die richtige Richtung. Erwerbs- und Familienarbeit sollten künftig Mütter und Väter leisten und zwar partnerschaftlicher geteilt. Wir brauchen mehr Arbeitszeitsouveränität und Arbeitszeiten, die sich den Lebenslagen aller Beschäftigten anpassen.

Einerseits geht es um mehr Zeitsouveränität und lebensphasenorientierte Arbeit, andererseits um finanzielle Sicherheit im Fall von Erziehung und Pflege. Passen die politischen Rahmenbedingungen und die Anforderungen, die an die Familien gestellt werden, noch zusammen – die Familien sind es doch, die die gesellschaftlich notwendige Aufgaben leisten?

Die Rahmenbedingungen passen schon lange nicht mehr. Es gibt neue Formen des Zusammenlebens, gerade bei Familien. Doch orientiert wird sich immer noch am Ernährermodell, mit dem Mann als Hauptverdiener und der Frau, die hinzuverdient. Das birgt Widersprüche und Fallstricke. Zum Beispiel müssen Erziehungs-und Pflegezeiten finanziell besser abgesichert werden. Dabei ist beides, Erziehung und Pflege, eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die Lasten müssen gemeinschaftlich getragen werden, auch durch die Arbeitgeber. Mit dem ElterngeldPlus und der bezahlten Pflegezeit von 10 Tagen sind erste Schritte getan. Weitere müssen folgen.

Und wer will, dass Kinder in wirtschaftlich gesicherten Verhältnissen aufwachsen – unabhängig von der Familienkonstellation – der muss auch Alleinerziehenden die Chance geben, dass sie Kindererziehung und Sorge für den Familienunterhalt unter einen Hut kriegen können. Das Erwerbsleben selbstbestimmt zu gestalten, ist die Voraussetzung für eine eigenständige Existenzsicherung von Männern und Frauen. Sie muss für die eine Hälfte der Gesellschaft ebenso selbstverständlich werden wie für die andere.

Was ist als nächstes zu tun?

Da muss noch viel passieren, in der Gleichstellungspolitik. Die Agenda reicht von gleichberechtigter Teilhabe am Arbeitsmarkt, über verbesserte Verdienstmöglichkeiten, der Entgeltgleichheit, den Karrierenchancen von Frauen, der geschlechtergerecht verteilten Erwerbs- und Sorgearbeit bis hin zur Rentenlücke, die geschlossen werden muss. Aber zuallererst muss das bildungspolitisch fatale und gleichstellungspolitisch ewiggestrige Betreuungsgeld weg. Das Geld, das dadurch frei wird, brauchen wir für personell und räumlich hervorragend ausgestattete Kitas, Horte und Ganztagsschulen. Dazu gehören nicht zuletzt gut qualifizierte und leistungsgerecht bezahlte Erzieherinnen und Erzieher.


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