Deutscher Gewerkschaftsbund

16.02.2011

Zum Kita-Ausbau muss auch Qualität gehören

Ab 2013 soll es für alle Kinder unter drei Jahren einen Anspruch auf einen Betreuungsplatz geben. Wenn die Bundesregierung ihr Versprechen einhalten will, muss der Ausbau der Betreuungsplätze gewaltig voranschreiten. Die Berechnungen des Statistischen Bundesamts zeigen, dass 750.000 neue Plätze notwendig sind, um allein 35 Prozent der Kleinkinder versorgen zu können. Bis März 2010 sind jedoch gerade einmal 472.000 neue Plätze entstanden. Das sind zwar 55.000 mehr als im Vorjahr, doch fehlen bundesweit noch 278.000 Plätze.

Allein mit der Schaffung neuer Betreuungsplätze ist eine gute frühkindliche Bildung jedoch nicht erreicht, auch die Qualität muss stimmen. Ein entscheidender Faktor dafür ist gut ausgebildetes Personal und kleine Gruppen.

Fragen an Ingrid Sehrbrock, stellvertretende DGB-Vorsitzende

Frau Sehrbrock, die aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen, dass sich der Betreuungsschlüssel in den Kindertageseinrichtungen verbessert hat. Das müsste Sie doch freuen?

Sehrbrock: Richtig, im Bundesdurchschnitt hat sich der Betreuungsschlüssel verbessert. Allerdings gibt es zwischen den Bundesländern noch erhebliche Unterschiede. In Bremen kümmert sich derzeit eine Erzieherin um 3 bis4 Kinder, in Mecklenburg-Vorpommern ist sie für 12 bis 13zuständig. Das ist zu viel. Hier sehen wir Handlungsbedarf.

Was fordert der DGB?

Der DGB fordert für die Betreuung der unter Dreijährigen einen maximalen und tatsächlichen Betreuungsschlüssel von 1 zu 4, für die über Dreijährigen von 1 zu 8. Nur wenn tatsächlich genügend Erzieherinnen und Erzieher in den Gruppen sind, können die Kinder individuell gefördert werden. Die Bildungspläne für die Kinder zwischen 0 bis sechs Jahren sind anspruchvoll. Dafür brauchen die ErzieherInnen Zeit.

Der Bundesdurchschnitt ist doch nicht mehr weit von ihren Forderungen entfernt?

Der Bundesdurchschnitt liegt derzeit bei 1 zu 5 und 1 zu8,4. Das bedeutet jedoch nicht, dass eine Erzieherin den ganzen Tag für nur fünf Kinder zuständig ist. In Wahrheit ist der Betreuungsschlüssel schnell höher, sobald zu den alltäglichen Aufgaben Vertretungen der Kolleginnen und Kollegen bei Teilzeit, Urlaub, Krankheit oder Weiterbildung hinzukommen. Selten wird zusätzliches Personal eingestellt. Das muss in der Regel die Stammbelegschaft auffangen.

Bund und Länder haben eine Qualifizierungsoffensive angekündigt und werben verstärkt für den Erzieherberuf. Wo sehen Sie noch Mängel?

Um nur einen Mangel zu nennen: Allein für das Ziel, bis 2013 für 35 Prozent der Kleinkinder einen Betreuungsplatz zu schaffen, müssen mehr als 40.000 zusätzliche Erzieherinnen und Erzieher eingestellt werden. Doch neues Personal ist schwer zu finden, der Beruf hat stark an Attraktivität verloren. Die Anforderungen sind enorm gestiegen, die Bezahlung nicht. Laut einer aktuellen Studie der GEW hat nur die Hälfte aller Erzieherinnen und Erzieher eine Vollzeitstelle, vor allem Berufsanfänger werden in Teilzeit oder befristet eingestellt. Knapp 50 Prozent der ErzieherInnen unter 25 Jahren arbeiten befristet, 20 Prozent von ihnen bekommen weniger als 786 Euro netto im Monat. Unter diesen Bedingungen werden sich nicht genügend junge Frauen und Männer für den Erzieher-Beruf begeistern lassen. Eine echte Qualitätsoffensive muss das mit in den Blick nehmen.

Vielen Kommunen fehlt das Geld für den Ausbau der Kinderbetreuung. Sie wollen, dass der Rechtsanspruch ab 2013 zurückgenommen wird. Könnte das Vorhaben der Bundesregierung noch kippen?

Fehlende Kinderbetreuung trifft vor allem Frauen. Gerade Alleinerziehende werden durch ein zu geringes Betreuungsangebot vom Arbeitsmarkt ferngehalten. Der Rechtsanspruch darf also nicht aufgegeben werden, auch wenn den Kommunen von Seiten der Eltern eine Klagewelle droht. Damit könnte der politische Druck wachsen, dass Bund, Länder und Kommunen endlich die nötige Infrastruktur in der frühkindlichen Bildung schaffen. Angesichts der klammen kommunalen Kassen brauchen wir jedoch eine Neujustierung der Finanzierung. Bund und Länder müssen sich stärker beteiligen. Wenn wir das jetzt nicht anpacken, wird die frühkindliche Bildung stagnieren.


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